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Kiel, der Klimawandel und die Ostsee

Kiel gehört zu den Städten, die durch den Klimawandel besonders gefährdet sind. Die Gefahr besteht nicht nur direkt durch den steigenden Meeresspiegel der Ostsee sondern vor allem durch Sturmfluten, die häufiger und heftiger werden. Sie führen zu temporären Überflutungen und zur Erosion der Küste. Kann man aktuell schon gut in Schilksee-Süd beobachten, wo die Steilküste im Tempo von 0,7 Meter pro Jahr abbricht.

Warum steigen die Meeresspiegel durch den Klimawandel?

Wissenschaftler*innen reden von steigenden Meeresspiegeln im Plural, weil die Effekte nicht überall gleich auftreten. (Das Verhalten der Ostsee ist allerdings eng am globalen Mittelwert.) Warum steigen die Meeresspiegel in Folge des Klimawandels? In der Broschüre des Konsortium Deutsche Meeresforschung (KMD) lese ich: “Das Wasser dehnt sich mit zunehmender Temperatur aus, die schmelzenden Gletscher und Eisschilde führen dem Ozean Wasser hinzu.”

Die Meeresspiegel steigen und sie steigen schneller. Betrug der Anstieg von 1901 bis 1990 noch 1,5 Millimeter im Jahr, so waren es von 2006 bis 20015 schon 3,6 Millimeter im Jahr. Insgesamt stieg der gemittelte globale Meeresspiegel im 20. Jahrhundert um 15 Zentimeter.

Auch Landsetzungen ein Problem

Durch meine Lektüre lernte ich, dass für die Probleme in Küstenregionen auch Landsetzungen eine wichtige Rolle spielen. So ist Tokio um vier Meter gesunken! Bei diesem Effekt spielen sowohl menschengemachte als auch geologische Entwicklungen eine Rolle. So führt ein sinkender Grundwasserspiegel zu einer Verdichtung und Setzung des Landes. Für Schleswig-Holstein ist auch der geologische Anstieg von Skandinavien von Bedeutung. Wie bei einer Wippe senkt sich dadurch das Land bei uns.

Auch alle Bauten an der Küsten – und dazu zählen auch Dämme, Wasserbrecher oder andere Bauwerke des Küstenschutzes – beeinflussen den Wasserspiegel und die Erosion. Der Schutz an einer Stelle kann die Probleme an einer anderen Stelle der Küste verschärfen. Auch hier wieder das Beispiel Schilksee-Süd: Die Wellenbrecher von Schilksee-Nord führen zu einer sogenannten Lee-Erosion in Schilksee-Süd.

Insgesamt können Landsenkungen von mehreren Zentimetern im Jahr kurzfristig einen größeren Effekt haben als ein steigender Meeresspiegel. Aber langfristig ist der Klimawandel die größere Gefahr. Denn sollten die Eismassen der Antarktis im Laufe der Jahrtausende ganz abschmelzen, würde der Meeresspiegel möglicherweise um 60 Meter steigen! Aber zurück zur näheren Zukunft.

Gefährdete Küstenstädte an der Ostsee

Das Umweltbundesamt rechnet mit einem Anstieg des Meeresspiegels um 50 Zentimeter in den nächsten 100 Jahren. Und das Konsortium Deutsche Meeresforschung: “Laut aktuellen Projektionen müssen wir mit einem globalen mittleren Anstieg von 43 bis 84 Zentimetern bis zum Ende dieses Jahrhunderts rechnen.“

Langfristig sind vor allem nah am Meer gelegene Städte gefährdet, zum Beispiel Kiel, sowie alle Regionen entlang der Küste, die weniger als drei Meter über dem Meeresspiegel liegen.

In Kiel liegen vor allem die Stadtteile Ellerbek, Holtenau und Friedrichsort tief. Sie sind bei Sturmfluten besonders betroffen.

Es wird hunderte von Jahren dauern wird, bis die Ostseeküste unter Wasser liegt. Das aktuellere Problem für die Ostseeküste sind Sturmfluten, die durchaus einen Pegel von 3 Metern oder mehr erreichen können. Auch die Erosion der Küstenlinie, also das Wegspülen von Stränden oder das Abbrechen von Steilküsten ist jetzt schon Thema. Einer der ersten Orte, in denen möglicherweise ein Rückzug stattfinden wird, ist Schilksee-Süd. Hier bricht die Steilküste im Tempo von 0,7 Metern pro Jahr ab und man kann ausrechnen, wann die Abbruchkante die erste Häuserreihe in 60 Meter Entfernung erreicht.

Langfristig ist das Konsortium sehr pessimistisch, was den Erhalt der Ostseeküste anbetrifft. Eine weitere Deichverstärkung an der Ostsee sei ab einem gewissen Punkt eventuell nicht mehr wirtschaftlich effizient. Ein Rückzug aus gefährdeten Gebieten müsste dann in Betracht gezogen werden.

Besonders deprimierend an dieser Entwicklung: selbst wenn die CO2-Emissionen bald auf Null gebracht werden würden, würde der Anstieg der Meeresspiegel nicht sofort enden. Das liegt an der Trägheit der Ozeansysteme. Große Anstrengungen im Klimaschutz sind dringend geboten, auch in Hinblick auf zukünftige Generationen, denn unser Handeln heute hat Auswirkungen auf die Meeresspiegel in 100 Jahren.

https://www.kn-online.de/Kiel/Klimawandel-Zu-wenig-Vorsorge-vor-Hochwasser-in-Kiel

https://coastal.climatecentral.org/map/12/10.1785/54.362/?theme=water_level&map_type=water_level_above_mhhw&basemap=roadmap&contiguous=true&elevation_model=best_available&refresh=true&water_level=3.0&water_unit=m

Enthält Link zur PDF-Broschüre: https://www.deutsches-klima-konsortium.de/de/meeresspiegel.html: kk-kdm-meeresspiegelbroschuere-web

https://www.bmu.de/faq/warum-ist-klimaschutz-wichtig/

Absperrung an der Steilküste in Schilksee-Süd

Eine Anwohnerin übt sich in Sarkasmus: “Ein großer Tag für Schilksee – trotz Beanspruchung durch die Corona-Krise ergreift die Stadt Maßnahmen zur Küstensicherung”, und sandte mir ein Foto vom gesperrten Wanderweg auf dem Kliff. So sind zumindest die Spaziergänger*innen in Sicherheit. Echte Hilfe für die Küste in Schilksee-Süd sind die Absperrungen allerdings nicht. Vielmehr ein Zeichen von Hilflosigkeit , nachdem der Sturm letztens wieder mächtig viel von der Küste abgebrochen hat.

Zwischen der letzten Häuserreihe und der Abbruchkante liegen nur etwa 60 Meter! Das Beitragsfoto zeigt die Brisanz der Lage. Die Küste bricht im Tempo von 0,70 Metern im Jahr ab. Man kann sich ausrechnen, wann das Kliff im ersten Vorgarten endet. Allerdings ist diese Rate des Abbruchs nicht linear, weder räumlich noch zeitlich. Besonders schnell vollzieht sich die Küstenerosion an der Stelle, an der der Wellenbrecher endet, mit der Schilksee-Nord seine Küste schützt. Lee-Erosion ist der Fachbegriff. Auch das Wetter spielt eine Rolle. Diese 0,70 Meter sind somit ein Durchschnittswert, der nach einer Sturmflut schnell übertroffen wird. Da brechen dann auch schon mal 2 Meter ab.

Natur, Häuser, Versorgungsleitungen gefährdet

Am stärksten betroffen ist die Straße Fallreep. Das Grünflächenamt berechnete für diese Stelle einen Rückgang von durchschnittlich 0.82 Meter pro Jahr seit 1991. Von der Uferkante bis zur Gründstücksgrenze des ufernahesten Hauses sind es aktuell 55 Meter. Bei gleichbleibendem Küstenrückgang würde die Uferkante in 67 Jahren die Grundstücksgrenze erreichen. Zwischen der Bebauung und der Küste liegen Versorgungsleitungen. Sie wären schon vorher gefährdet.

Auch die Natur an der Steilküste verdient eine Erwähnung. Schöne Buchen und Eichen, eine reiche Tierwelt, vor allem eine Reiherkolonie und Seeschwalben. In den Brombeerbüschen wimmelt es von Vögeln. Das Kieler Umweltamt schreibt über die Steilküste von Schilksee: “Die vegetationsarme, trockenwarme Steilküste ist ökologisch besonders wertvoll. Neben Kiels einziger Uferschwalbenkolonie kommen hier zum Teil stark gefährdete Wildbienen und Wespen sowie seltene Pflanzen wie Gemeiner Dost und Wundklee vor.” https://www.kiel.de/de/umwelt_verkehr/umwelt_naturschutz/_dokumente_faltblaetter_kieler_naturschutzgebiete/Faltblatt-HeischerTal.pdf

Die Steilküste von Schilksee in der Politik

Die Kieler Selbstverwaltung behandelte dieses Thema wiederholt. In ihrem Beschluss vom 22. August 2018 (Drucksache 0175/2019) fordert sie Maßnahmen um die Steilküste vor Beschädigungen zu schützen. Gleichzeitig fordert sie aber auch ein integriertes Konzept, das gleichermaßen die Interessen von Strande und Falckenstein berücksichtig. Das wird schwierig sein, denn der Abtrag in Schilksee-Süd wird wahrscheinlich am Strand von Falckenstein angelagert. Das ist wohl der Grund, warum die Ratsversammlung keine konkreten Maßnahmen vorschlägt. Mein Eindruck von den Debatten in der Ratsversammlung und in den Ausschüssen: Man sieht das Problem, aber will sich lieber nicht zu konkret damit befassen.

Heute fragt man sich, wieso es überhaupt eine Baugenehmigung für diese Siedlung geben konnte. Tatsächlich wurden die Häuser in den 70er Jahren gebaut, als die Küste noch in sicher scheinender Entfernung lag. Die flächenschonende und verkehrsberuhigte Bebauung galt damals als besonders fortschrittlich. Heute steht Schilksee-Süd wortwörtlich nah am Abgrund. Mit dieser Küstendynamik hatte man nicht gerechnet. Sie wird durch den Klimawandel wahrscheinlich beschleunigt.

Foto: Schilksee-Süd an der Küste. An der engsten Stelle liegen etwa 55 Meter zwischen Bebauung und Uferkante.

Weiterlesen:

Debatte in der Ratsversammlung auf Video 3: https://www.kiel.de/de/politik_verwaltung/ratsversammlung/ratssitzungen_video/22_08_2019.php

Bröckelnde Steilküste in Schilksee-Süd

Straßenportrait: Skipperweg und Umgebung

KN: Bericht über eine Expertenrunde 2019

Bröckelnde Steilküste in Schilksee

Bäume liegen entwurzelt am Strand. Die letzte Sturmflut hat wieder einmal ein Stück der Steilküste in Schilksee-Süd abgerissen und bringt damit ein Problem ins allgemeine Kieler Bewusstsein, das den Anwohner*innen schon lange Sorgen bereitet. Denn die Steilküste rückt allmählich bedrohlich nah an die Ortsbebauung heran. Es sind nur noch knapp 60 Meter bis zur ersten Reihe der bewohnten Häuser.

Die Küste bricht im Tempo von 0,70 Meter pro Jahr ab.

Der Abstand beträgt etwa 60 Meter bis zu den ersten Häusern. Ebenfalls bedroht ist das Pumpenhäuschen für die städtische Abwasserentsorgung; noch näher an der Kante liegt das Jugendheim Kahlenberg. Zwischen Bebauung und Steilküste verlaufen außerdem die ganzen Versorgungsleitungen. Der Wanderweg entlang der Küste ist schon mindestens drei mal landeinwärts verlegt worden, und müsste nach dem letzten Abruch wieder verlegt werden. Das Tempo der Küstenabbrüche ist sehr unterschiedlich. Kaja Engel, die sich für die Interessen der Bewohner engagiert, sagt: “In manchen Jahren passiert gar nichts, in anderen Jahren brechen auch mal zwei Meter ab.” Frau Diehr nannte in der Ratsversammlung folgende Zahlen: seit 1965 verschwindet in Schilksee-Süd im Durchschnitt jährlich 0,70 Meter pro Jahr. An der schlimmsten Stelle sind seit 1965 mindestens vierzig Meter verschwunden. (Je nachdem welche Stellen verglichen werden, ergeben sich unterschiedliche Zahlen, da die Küstenabbrüche nicht linear verlaufen.)

Reaktionen der Politik

Im Februar lud der Ortsbeirat Schilksee Anwohner*innen und Expert*innen zu einem Treffen ein, um wieder einmal die Problematik von allen Seiten zu beleuchten. Es gab schon 2010 eine Veranstaltung mit nahezu identischer Expertenrunde. Das Problem: weder Land noch Stadt haben ein Küstenschutzkonzept speziell für die Ostseeküste. Die Vertreter des Landes sehen keinen Handlungsbedarf. Vor diesem Hintergrund brachte Ratsfrau Erika Diehr (CDU) einen Antrag in der Ratsversammlung (21. März) ein, in dem der Oberbürgermeister aufgefordert wird, in dieser Angelegenheit auf die zuständigen Landesbehörden einzuwirken. Der Antrag wurde in den Bauausschuss und in den Innen-und Umweltausschuss zurücküberwiesen, wo er entschieden werden soll. Es ist übrigens nicht so ganz klar, ob die Kompetenz in dieser Angelegenheit wirklich ausschließlich beim Land liegt oder vielleicht doch teilweise bei der Stadt. Zumindest hat die LH Kiel eine Verantwortung für den Stadtteil Schilksee.

Keine natürliche Küste mehr

An und für sich gehört es zum Kreislauf des Lebens an der Küste, dass Sand an einer Stelle abgetragen wird und an einer anderen Stelle wieder angelagert wird. Zwei Faktoren stören diesen Prozess:

  • Alle Bauten – Häfen, Docks, Molen , Buhnen, Befestigungen – stören die natürlichen Küstenbewegungen. In diesem Fall ist Schilksee-Süd auf der Verliererseite, der Falckensteiner Strand dagegen auf der Gewinnerseite, denn da wird der Sand abgelagert, allerdings nicht an allen Stellen gleichmäßig.
  • Der Klimawandel beschleunigt die Dynamik des Küstenumbaus, weil es einerseits mehr Stürme gibt und weil gleichzeitig der Meeresspiegel höher ist. Die Sturmfluten kommen also häufiger und treffen von einem höheren Niveau aus auf die Küste.

Mögliche Lösungen für die Steilküste in Schilksee

In Schilksee-Nord haben die Buhnen dazu geführt, dass die Küstenlinie stabil bleibt. Es wäre also denkbar, diese Buhnen weiter nach Schilksee-Süd zu ziehen. Hohwacht hat ähnliche Probleme mit seiner Steilküste. Hier experimentiert man mit Wällen am Fuße des Kliffs.

Ratsherr Stenger (Grüne) sagte in der Ratsversammlung: „Große komplexe Probleme erfordern komplexe Lösungen“. Es wird also darum gehen, eine Lösung zu finden, die Schilksee-Süd sichert und gleichzeitig die Strände an anderen Stellen bewahrt. Ratsherr Soll (FDP) wies auf den Konflikt zwischen Naturschutz und Eigentumsschutz hin. Dieser Konflikt findet sich auch in den Grundsätzen des Landes, wie sie im Generalplan Küstenschutz (S.8) dargelegt werden: “Besonders an der Ostsee ist eine natürliche Dynamik der Küste erwünscht, auch zur Stabilisierung der Nehrungsküste…… Daher sollen Küstensicherungen in erster Linie nur zum Schutz von Siedlungen und wichtigen Infrastruktureinrichtungen durchgeführt werden. “

Das Foto vom 18. März 2019 zeigt die die Steilküste Schilksee-Süd. Hier lässt sich gut erkennen, warum es gefährlich ist, direkt an die Kante zu treten! Einige Bäume hängen schon “in der Luft”.

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