Eine Anwohnerin übt sich in Sarkasmus: “Ein großer Tag für Schilksee – trotz Beanspruchung durch die Corona-Krise ergreift die Stadt Maßnahmen zur Küstensicherung”, und sandte mir ein Foto vom gesperrten Wanderweg auf dem Kliff. So sind zumindest die Spaziergänger*innen in Sicherheit. Echte Hilfe für die Küste in Schilksee-Süd sind die Absperrungen allerdings nicht. Vielmehr ein Zeichen von Hilflosigkeit , nachdem der Sturm letztens wieder mächtig viel von der Küste abgebrochen hat.
Zwischen der letzten Häuserreihe und der Abbruchkante liegen nur etwa 60 Meter! Das Beitragsfoto zeigt die Brisanz der Lage. Die Küste bricht im Tempo von 0,70 Metern im Jahr ab. Man kann sich ausrechnen, wann das Kliff im ersten Vorgarten endet. Allerdings ist diese Rate des Abbruchs nicht linear, weder räumlich noch zeitlich. Besonders schnell vollzieht sich die Küstenerosion an der Stelle, an der der Wellenbrecher endet, mit der Schilksee-Nord seine Küste schützt. Lee-Erosion ist der Fachbegriff. Auch das Wetter spielt eine Rolle. Diese 0,70 Meter sind somit ein Durchschnittswert, der nach einer Sturmflut schnell übertroffen wird. Da brechen dann auch schon mal 2 Meter ab.
Natur, Häuser, Versorgungsleitungen gefährdet
Am stärksten betroffen ist die Straße Fallreep. Das Grünflächenamt berechnete für diese Stelle einen Rückgang von durchschnittlich 0.82 Meter pro Jahr seit 1991. Von der Uferkante bis zur Gründstücksgrenze des ufernahesten Hauses sind es aktuell 55 Meter. Bei gleichbleibendem Küstenrückgang würde die Uferkante in 67 Jahren die Grundstücksgrenze erreichen. Zwischen der Bebauung und der Küste liegen Versorgungsleitungen. Sie wären schon vorher gefährdet.
Auch die Natur an der Steilküste verdient eine Erwähnung. Schöne Buchen und Eichen, eine reiche Tierwelt, vor allem eine Reiherkolonie und Seeschwalben. In den Brombeerbüschen wimmelt es von Vögeln. Das Kieler Umweltamt schreibt über die Steilküste von Schilksee: „Die vegetationsarme, trockenwarme Steilküste ist ökologisch besonders wertvoll. Neben Kiels einziger Uferschwalbenkolonie kommen hier zum Teil stark gefährdete Wildbienen und Wespen sowie seltene Pflanzen wie Gemeiner Dost und Wundklee vor.“ https://www.kiel.de/de/umwelt_verkehr/umwelt_naturschutz/_dokumente_faltblaetter_kieler_naturschutzgebiete/Faltblatt-HeischerTal.pdf
Die Steilküste von Schilksee in der Politik
Die Kieler Selbstverwaltung behandelte dieses Thema wiederholt. In ihrem Beschluss vom 22. August 2018 (Drucksache 0175/2019) fordert sie Maßnahmen um die Steilküste vor Beschädigungen zu schützen. Gleichzeitig fordert sie aber auch ein integriertes Konzept, das gleichermaßen die Interessen von Strande und Falckenstein berücksichtig. Das wird schwierig sein, denn der Abtrag in Schilksee-Süd wird wahrscheinlich am Strand von Falckenstein angelagert. Das ist wohl der Grund, warum die Ratsversammlung keine konkreten Maßnahmen vorschlägt. Mein Eindruck von den Debatten in der Ratsversammlung und in den Ausschüssen: Man sieht das Problem, aber will sich lieber nicht zu konkret damit befassen.
Heute fragt man sich, wieso es überhaupt eine Baugenehmigung für diese Siedlung geben konnte. Tatsächlich wurden die Häuser in den 70er Jahren gebaut, als die Küste noch in sicher scheinender Entfernung lag. Die flächenschonende und verkehrsberuhigte Bebauung galt damals als besonders fortschrittlich. Heute steht Schilksee-Süd wortwörtlich nah am Abgrund. Mit dieser Küstendynamik hatte man nicht gerechnet. Sie wird durch den Klimawandel wahrscheinlich beschleunigt.
Foto: Schilksee-Süd an der Küste. An der engsten Stelle liegen etwa 55 Meter zwischen Bebauung und Uferkante.
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Debatte in der Ratsversammlung auf Video 3: https://www.kiel.de/de/politik_verwaltung/ratsversammlung/ratssitzungen_video/22_08_2019.php
Bröckelnde Steilküste in Schilksee-Süd