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Antifa-Demo gegen Querdenken-Aufmarsch

Bericht mit freundlicher Genehmigung von Autonome Antifa-Koordination Kiel. Bis zu 700 Antifaschist*innen beteiligten sich am Samstag an der Antifa-Demo gegen den landesweiten Querdenken-Aufmarsch in Kiel. Die Gegendemonstrant*innen versammelten sich ab 13 Uhr am Adolfplatz in Düsternbrook und zogen anschließend über die Holtenauerstraße zum Dreiecksplatz, wo eine Zwischenkundgebung stattfand. Von hier aus bewegte sich die Demo, die in Viererreihen mit Abstand und Masken aufgeteilt in fünf seperate Blöcke lief, über Knooper Weg und Eckernförder Straße zum Westring.

Auf Höhe des Professor-Peters-Platz legten die Demonstrant*innen einen Stopp ein, um in Sicht- und Hörweite lautstark gegen die dortige rechtoffene und sozialdarwinistische Versammlung zu protestieren. Auch zahlreiche Anwohner*innen hatten hier eine Menschenkette gegen die Querdenker*innen gebildet und setzten damit ihren Protest fort, der sich rund um den Schrevenpark bereits seit Wochen in der breit getragenen Rote Karte-Aktion ausdrückt. Auch gestern hingen in unzähligen Fenstern und von vielen Balkonen rote Stoffe, viele Anwohner*innen grüßten die Antifaschist*innen aus ihren Wohnungen. Die Abschlusskundgebung fand im Schrevenpark statt, wo sich die Demo gegen 15.30 Uhr auflöste.

In diversen Redebeiträgen wurde nicht nur der sozialdarwinistische und rechtsoffene Charakter der Querdenker*innenbewegung angegriffen, sondern auch auf die autoritäre Formierung von Staat und Gesellschaft sowie die Umverteilung der Krisenkosten und -lasten auf die Rücken der kleinen Leute im Schatten der Pandemie kritisiert, während einflussreiche Branchen von Milliardenhilfen und uneingeschränktem Normalbetrieb profitieren. Spezifisch wurde auch auf die prekäre Lage von Kulturschaffenden sowie die Situation von Schüler*innen und Student*innen thematisiert und zum Widerstand gegen die kapitalistische Krisenverwaltung z.B. am 1. Mai aufgerufen.

Querdenker-Demo wurde aufgelöst

Die Querdenker*innenversammlung, an der sich mindestens 900 Menschen beteiligt haben sollen, wurde kurz nach ihrer Auftaktkundgebung noch am Professor-Peters-Platz aufgelöst und fiel damit de facto aus. Der Veranstalter wollte einer Umwandlung des Aufmarsches in eine stationäre Kundgebung zur Gewährleistung der Hygieneauflagen nicht zustimmen. Zahlreiche Gruppen von Corona-Relativierer*innen, darunter auch einige offen erkennbare Neonazis, streunten anschließend planlos durch die Stadt und versuchten z.B. am Rathausplatz Ersatzveranstaltungen durchzuführen. Auch hier waren sie mit antifaschistischem Widerspruch konfrontiert. Ersatzaktivitäten wurden weitestgehend polizeilich unterbunden, weshalb die Querdenker*innen am späten Nachmittag unverrichteter Dinge ihre Heimwege antreten mussten.

Der Verlauf dieses Tages gibt Anlass zur Hoffnung, dass sich die Narrenfreiheit für Querdenker*innen, die die Ordnungsbehörden der Landeshauptstadt der Szene in den letzten Monaten gewährten, ein Ende haben könnte. Dies wäre nicht zuletzt den wiederkehrenden Protesten von Antifaschist*innen und Anwohner*innen zu verdanken, die ihren Unmut über den penetranten und verantwortungslosen Aktionismus des Milieus immer wieder in die Öffentlichkeit getragen haben. Die antifaschistische Bewegung in Kiel hat zudem unter Beweis gestellt, dass auch größere Demonstrationen trotz der angespannten pandemischen Lage durchführbar sind, ohne den Gesundheitsschutz von Teilnehmer*innen und Bevölkerung zu vernachlässigen. Dies ist nicht zuletzt der Selbstdisziplin und Rücksichtnahme aller Teilnehmer*innen der Gegendemo zu verdanken, die das Hygienekonzept proaktiv mitgetragen haben. An diese Erfahrungswerte wird sich auch in den kommenden Wochen anknüpfen lassen, denn die Notwendigkeit von Widerstand auf der Straße für eine solidarische Lösung der Krisen wird ihre Aktualität in naher Zukunft kaum einbüßen.

Foto: Ulf Stephan

Weiterlesen:

https://www.facebook.com/RevolutionsstadtKiel

www.antifa-Kiel.org

Querdenker und Antifa, sie können nicht miteinander reden

Heute demonstrierten etwa 400 Querdenker*innen am Ostseekai. In der Gegendemo trafen sich etwa 200 Personen gegenüber dem Schifffahrtsmuseum.

Am Rande der Querdenker-Demo bewegten sich auch Antifas und es kam laut Polizeibericht zu Rangeleien, die ich allerdings selber nicht beobachten konnte. Aber ich überhörte ein Gespräch zwischen zwei Querdenker*innen, die bedauerten , dass sie mit der Antifa nicht ins Gespräch kämen. Der Mann sagte: “Die wollen nur über Faschismus reden, aber das ist nicht mein Thema, da denken wir ja gleich.”

Mein Eindruck: auch wenn stadtbekannte Faschisten auf diesen Demonstrationen gesehen werden, das Gros der Demonstrierenden ist wahrscheinlich nicht besonders rechts. Sie haben ein anderes Thema, nicht Ausländerfeindlichkeit oder übertriebene Sicherheits- und Ordnungsfantasien, wie sie für rechtes Denken typisch sind, sondern die Angst vor einer Gesundheitsdiktatur. Und eine in meiner Sicht völlig falsche Wahrnehmung dieses Virus, das sie für nicht gefährlicher als eine Erkältung halten.

Ich pendelte zwischen beiden Demonstrationen hin und her. Hier einige der Punkte, die angesprochen wurden.

Kein Schulterschluss mit Rechten

Auf der Gegen-Querdenken-Demo, die vom Runden Tisch gegen Faschismus und Rassismus aufgerufen worden war, wurde vor den Verschwörungstheoretikern und ihrer Verquickung mit der Rechten gewarnt. Gleichzeitig wurde auch von dieser Seite die Regierung kritisiert, wenn auch aus anderen Gründen:

  • Milliardenpakete werden geschnürt um große Konzerne zu unterstützen. Beispiel: Neun Milliarden Euro bekam die Lufthansa.
  • Zu wenig Unterstützung für Krankenhauspersonal
  • Profitorientierung im Gesundheitswesen
  • Nur wenige Geflüchtete aus Moria wurden von Deutschland aufgenommen. Es ertrinken immer noch Menschen auf der Flucht über das Mittelmeer.

Querdenkende im Wahn

Die Menschen auf dieser Demo wirken ganz normal, nett. Etwa gleich viel Frauen wie Männer, viele junge Leute dabei. Man kann es kaum fassen, dass diese sehr normal und sogar sympathisch wirkenden Menschen die Wirklichkeit völlig verdreht wahrnehmen. Hier einige der Punkte aus ihrer Weltsicht, mit meinen Anmerkungen in Klammern:

In ihrer Selbstdarstellung distanzieren sie sich von Links- und Rechtsextremen gleichermaßen. (Tatsächlich gilt die Bewegung als rechts-offen. Anlässlich einer anderen Demonstration sagte mir eine Person aus dem Orgateam auch ganz offenherzig, sonst bekämen sie keine Mehrheit in der Gesellschaft. )

Sie fordern eine Wiederherstellung der Grundrechte.

Sie fordern Meinungsfreiheit, die sie eingeschränkt sehen, weil ihre Ideen oder Interpretationen von den Mainstream-Medien nicht aufgegriffen werden. (Mein Eindruck dazu: es gab in den Medien jede Menge ernsthafter Auseinandersetzung mit ihren Themen.)

Sie fürchten sich vor einer Impfpflicht.

Sie sehen die Gesellschaft an der Vorstufe einer Gesundheitsdiktatur. (Mein Eindruck: Da könnte was dran sein!)

Sie halten Covid-19 für einen Erkältungsvirus und nichts anderes. Einer der Redner, Herr Dr. Weber, der sich als “Verschwörungserkenner” der ersten Stunde bezeichnet, sagte: “50 Erkältungen pro 100.000 Einwohner führen dazu, dass die Grundrechte ausgesetzt werden.” (Dass man an Erkältungen im Gegensatz zu Covid-19 nicht stirbt oder auch nur ernsthaft erkrankt, beeindruckt ihn anscheinend nicht. )

Sie wollen wieder in Liebe und Frieden leben. (Wer will das nicht.)

Mir fiel auf, dass viele der Demonstrierenden keine Maske trugen. Aus dem Polizeibericht: „Die Leiterin wurde aufgefordert, auf die Tragepflicht hinzuweisen. Andernfalls wäre Versammlung aufgelöst worden. Ein Teil der Demonstranten hielt sich an die Aufforderung, ein anderer Teil verließ daraufhin die Veranstaltung.“

Demonstrationen in Kiel bleiben friedlich

Impressionen von der Corona Kundgebung