Heute besuchte ich eine Schrottimmobilie in Kiel. Meine Kontaktperson möchte keinen Stress mit ihrem Vermieter. Deshalb nenne ich keine Adresse, nur dass die verwahrloste Immobilie in Kiel-Gaarden steht .
Mein erster Eindruck war gar nicht so negativ. Das Treppenhaus war relativ sauber. Die „Klos auf halber Treppe“, die jetzt für Waschmaschinen genutzt werden, waren verriegelt. Auf den Treppenabsätzen standen Wäscheständer. Die Wohnungstüren waren teilweise nett dekoriert. Aber der erste Eindruck täuschte. Bei einem Rundgang zeigte mir meine Kontaktperson zahlreiche Problemzonen:
- Die Haustür ist nie verschlossen.
- Die Briefkästen im Flur sind teilweise demoliert.
- Die Mülltonnen quollen über.
- Eine falsch angeschlossene Waschmaschine hatte zu einem Wasserschaden geführt. Von der Decke in der Etage darunter blättert noch die Farbe ab.
- Eine Tür ist von Ratten unten angenagt worden.
- Fast alle Kellerverschläge wurden aufgebrochen.
- Im Keller roch es nach Urin.
- In einem der aufgebrochenen Kellerräume fanden wir eine Spritze.
- Das Kellerdach wird mit Eisenstangen und Brettern gestützt. Ist das Haus womöglich einsturzgefährdet?
Man würde meinen, ist doch nicht so schlimm, wenn die Haustür offen ist. In Gaarden ist das aber ein Problem, weil es Einbrüche erleichtert und weil Drogenabhängige das Treppenhaus und die Keller als Aufenthaltsort nutzen. „Sie sitzen auf der Treppe und koksen.“
Zwei Monate bis Rohrbruch behoben wird
Richtig schlimm war das Leben für meine Kontaktperson, als es einen Rohrbruch in ihrer Wohnung gab. „Stellen Sie doch einen Eimer dahin, wo es tropft“, soll der Vermieter gesagt haben. Sie musste täglich 20 Eimer leeren. Als nach zwei Monaten endlich der Rohrbruch repariert wurde, fiel die Stromversorgung für Wochen aus. Dennoch möchte die Person dort wohnen bleiben, nicht zuletzt weil die Miete sehr günstig ist. In ihre Wohnung durfte ich aber nicht, weil sie nicht aufgeräumt hatte.
Meine Kontaktperson kennt sich aus in Gaarden. Wir besuchten auch noch andere Schrottimmobilien, die sich meistens dadurch auszeichnen, dass die Haustür nicht abzuschließen ist. In einem Flur sahen wir eine Pinkel-Ecke. Die Stadt hat insgesamt 49 Immobilien ausgemacht, in denen sich die Vermieter oder Vermieterinnen nicht kümmern.
Gaarden zwischen Verwahrlosung und Gentrifizierung
Ich wollte auch eine dieser berüchtigten Monteurs-Wohnungen sehen, in denen die Männer 200 Euro im Monat für einen Schlafplatz zahlen. Meine Kontaktperson kannte auch eine solche Wohnung, aber hier scheiterte die Kommunikation, weil der Mann, der uns öffnete nur griechisch sprach. Da mussten wir beide passen.
Als wir uns verabschiedeten, gab ich noch die Einschätzung zum besten, dass Verwahrlosung eventuell ein Schutz vor Gentrifizierung sein könnte. Mit seinem schönen alten Baubestand, Kopfsteinpflaster und relativ zentraler Lage wäre Gaarden geradezu dafür prädestiniert, dass erst Studierende und Künstler*innen und dann Leute mit Geld einziehen. Überraschenderweise sah meine Kontaktperson das auch so. Verfallende Immobilien sind auch eine Chance für Menschen mit ganz wenig Geld.
(Das Beitragsbild zeigt Utensilien für den Drogenkonsum in einem aufgebrochenen Kellerraum.)
Weiterlesen?
Wenn der Vermieter kriminell ist
kn online: Mieterprobleme in Kiel