Dieser Artikel stammt vom wunderbaren Blog bielenbergkoppel , dort mit vielen zusätzlichen Fotos.
„Kiel im Jahr 2035: Dass die A 21
über die Südspange angebunden werden sollte, ist längst in Vergessenheit
geraten – zwischen (Nord-)West und Ost rollt eine viel genutzte
Stadtbahn …“
(KN, 7.12.19, „Der Süden will auch eine Haltestelle“)
Wenn die Kieler Nachrichten jeden Tag solche Dinge schreiben würden, könnte der Betreiber von bielenbergkoppel.de den Laden hier eigentlich dicht machen und sich wieder mehr um seinen Kartoffelacker kümmern. Und obwohl auf dieser Seite zuletzt über die bevorstehende OB-Wahl im Oktober berichtetet wurde so als gäbe es nix Neues, ist beim Thema A21, Südspange und Kieler Süden derzeit richtig viel Musik drin. Und genau das ist eben der Grund, warum erst jetzt zeitlich wieder etwas Luft für ein Update ist.
Denn die beiden großen Artikel, die vergangenen Samstag in den KN zum „Herzensthema“ Stadtbahn-Anbindung des Kieler Südens und über das neue „Klimagürtel“-Bündnis (Zitat: „Im Süden geht es rund“) erschienen, sind nur ein kleiner Aspekt dessen, was sich in den letzten Monaten getan hat. Doch eins nach dem anderen.
Bündnis „Vorfahrt für den Klimagürtel“ gegründet
Im Juli gab es in sehr kleiner Runde auf der Bielenbergkoppel ein Treffen, wie man den Widerstand gegen die Südspange voranbringt und vernetzt. Provisorischer Name bis dahin: Arbeitsgemeinschaft „Süden ohne Spange“ (SOS). Was für ein schöner Zufall, dass unabhängig davon wenige Wochen später eine Mail aus Richtung des Kieler NABU in der Mailbox landete, wo zu einem Info- und Vernetzungstreffen zum A21-Anschluss geladen wurde.
Auf dem ersten Treffen im Zentrum „Kollhorst“ waren bereits mehrere Verbände wie Greenpeace oder Initiativen wie „Projekt Prüner Park“ vertreten. Relativ schnell konnte man einen Konsens dazu finden, dass sowohl ein A21-Ausbau über Wellsee hinaus und die Südspange durch den Grüngürtel abgelehnt wird. Auf einem späteren Treffen wurde dann der Name des Bündnisses festgelegt. Da es nicht nur um die Südspange, sondern auch um weitere Straßen-Planungen im Grüngürtel – auch im Kontext der Klimakrise – geht, wurde „SOS“ zugunsten eines positiv formulierten Namens verworfen, bei dem sich aber auch diejenigen mit verkehrspolitischem Schwerpunkt wiederfinden (bielenbergkoppel.de!).
Erste Aktionen
Leider kam die OB-Wahl wohl zu früh, um hier schon Pflöcke zu setzen. Sowohl der amtierende OB als auch die tragenden Kieler Parteien haben es noch einmal geschafft, das Thema totzuschweigen. Mit einer Ausnahme: Die Podiumsdiskussion der Grünen Jugend, wo unabhängig voneinander NABU und BUND das Thema auf die Tagesordnung brachten und der OB wirklich alt aussah.
Ein erstes Flugblatt in kleiner Auflage wurde in Umlauf gebracht und fand insbesondere bei Kleingärtner*innen gute Resonanz. Bei der Klimawerkstatt auf der Kiellinie trat man das erste Mal öffentlich in Erscheinung – mit vielen interessanten Gesprächen mit Bürger*innen und Politik. Nebenher liefen bereits erste „Social Media“-Aktivitäten, eine Pressemitteilung zur OB-Wahl sowie eine provisorische Website.
Klimastreik 29.11. und Postkartenaktion
Mittlerweile sind 12 Verbände und Initiativen mit an Bord. Zuletzt kam der Verein Waldhaus e.V. hinzu. Zur großen Klimademo wurde eine größere Auflage des Flugblattes gedruckt, und Transparente gemalt – und der Startschuss für eine Postkartenaktion gegeben, wo die Ratsfraktionen von SPD, Grünen, CDU und FDP aufgefordert werden, sich für einen Stopp der Planungen einzusetzen. Bereits auf dieser Demo und auf der anschließenden Aktion des „Nachbaus“ der Südspange im Hiroshimapark kamen bereits hunderte Postkarten zusammen, die Anfang Dezember im Rathaus abgegeben wurden. Aber es zirkulieren mittlerweile auch schon Postkarten auf vorweihnachtlichen Nachbarschaftstreffen im Kieler Süden und bei jungen Klimaaktivist*innen. Großartig.
Aber ebenso großartig, dass das Thema langsam bei diesen „naiven“ jungen Leuten ankommt, die sich nicht von Klimapäckchen beeindrucken lassen und weiter freitags in Massen auf die Straße gehen. Was dann manchmal auch der Theodor-Heuss-Ring während der Rush-Hour sein kann. Und im Gespräch merkt man dann, dass diese jungen Leute nicht die Spur naiv sind, sondern die richtigen Fragen stellen, teilweise haarscharf die Situation analysieren und in Sachen Öffentlichkeitsarbeit professionell und zielgerichtet vorgehen. „Man sollte diese Planungen so schnell wie möglich stoppen, bevor dafür noch weiter Geld aus dem Fenster geworfen wird“ hieß es letztens sinngemäß auf einem Plenum. Genau! So!
Grüne Basis in Kiel macht sich bemerkbar
Während sich die grüne Ratsfraktion in Sachen A21 bisher hinter Kooperationsvereinbarung und Bundesplanungen versteckte, kam auf der letzten Mitgliederversammlung der Kieler Grünen das klare Signal, dass ein „weiter so“ nicht geht. Einstimmig bei wenigen Enthaltungen wurde ein Antrag beschlossen (pdf), der inhaltlich die Forderungen des „Klimagürtel“-Bündnisses aufnimmt und die Ratsfraktion zum Handeln auffordert, einen Planungsstopp von Südspange, Ostring II und A21 auf Kieler Stadtgebiet beim Bund zu erwirken. Hier bleibt abzuwarten, ob die Grünen weiter das Momentum von 37% Zustimmung bei der Europawahl in Kiel verpuffen lassen – oder ob mit Mut, Leidenschaft und Selbstbewusstsein grüne Inhalte und gesunder Menschenverstand auch im Kieler Rat vertreten werden.
ÖPNV-Gutachten mit schallender Ohrfeige für A21-Planung
Nach der ersten Vorstellung des Kieler ÖPNV-Gutachtens im August herrschte hier zunächst einmal Ernüchterung, was den entfernten Zeithorizont für das Gesamtprojekt „Tram für Kiel“ angeht. Und auch, weil der Kieler Süden mit seinem Autoproblem erst einmal in die Röhre schauen soll. Der Blick ins Kleingedruckte des vollständigen Gutachtens ist aber lohnenswert. Denn die Vision, die auf bielenbergkoppel.de mehrfach als eine Art „Schienen-Südspange“ über Wellsee nach Neumeimersdorf mit Park & Ride ins Gespräch gebracht wurde, findet sich fast 1:1 im Gutachten wieder.
Spannend ist, dass die Basis für Aussagen, dass noch nicht genug Nachfrage für eine Linie vorhanden sei, lediglich die Zahl der Einwohner und Arbeitsplätze in einem jeweiligen Korridor ist. Eine mögliche Nachfrage, die durch Park & Ride entstehen könnte, ist bisher NICHT Teil dieser Berechnungen. Hier wäre politischer Druck vonnöten, unter Berücksichtigung der besonderen Verkehrsprobleme im Kieler Süden die schnelle Tram-Anbindung auf die Agenda setzen.
Erfreulicherweise hat der Ortsbeirat Meimersdorf/Moorsee in dieser Frage nicht locker gelassen. Die Stadt bietet nun zumindest an, eine Anbindung des neuen Wohngebietes außerhalb der geplanten Bebauung zu prüfen und erkennt in einer sogenannten „geschäftlichen Mitteilung“ an, dass sich die notwendige Steigerung von „Nachfragepotenzialen“ auch durch P&R-Anlagen ergeben könnte.
Die Stadt stellt konkrete Trassenplanungen aber unter den Vorbehalt, dass diese zusammen mit den Bundesplanungen des Ausbaus der B404 zur A21 betrachtet werden müssen. Das ist im Prinzip richtig. Und ein weiterer Grund mehr, dass diese Ausbau-Planungen so schnell wie möglich vom Tisch müssen, um hier Planungssicherheit zu bekommen. Für leistungsfähigen ÖPNV – statt noch mehr Autoverkehr.
Auf Seite 264 des besagten Gutachtens(pdf) wird die Empfehlung ausgesprochen, dass „insgesamt neue Lösungen“ geprüft werden sollten, wie die A21 an Kiel angebunden werden solle. So klingt das, wenn Fachleute in einem neutralen Gutachten eine schallende Ohrfeige für die bisherigen Planungen im Auftrag des Bundes formulieren.
Wie gehts weiter?
Eine gibt eine Menge Baustellen, die es zu beackern gilt. Von Seiten des „Klimagürtel“-Bündnisses wird da gewissermaßen eine „bottom-up“-Strategie verfolgt: Einwirken von Bürger*innen auf lokale Parteimitglieder, damit diese im Idealfall den Druck Richtung Land und Bund weitergeben. Mit dieser Nummer, dass man mit den Planungen ja gar nichts zu tun habe und nur stoisch abwarten könne, wird mit Sicherheit mittelfristig keine Partei mehr durchkommen.
Neben der bereits gestarteten Postkartenaktion sind sowohl Flugblattaktionen als auch Info-Veranstaltungen angedacht. Vor Ort im Grüngürtel werden sicher ab dem Frühjahr wieder Info-Führungen sein, um für die bedrohte Natur zu sensibilisieren. Viele Gespräche werden geführt werden. Konkrete Termine werden sicher hier und auch über den facebook-Account des Bündnisses zu finden sein. Das Bündnis ist mittlerweile auch so breit aufgestellt, dass man gespannt sein kann, was da an kreativen Aktionen und Aktionsformen noch kommt.
Wichtig wird aber auch sein, den Widerstand im Kontext von Klimakrise und nötiger Verkehrswende auf Landes – und Bundesebene und darüber hinaus zu sehen. Im Grunde genommen sollten Neubaumaßnahmen im Bundesverkehrswegeplan, die nur dem Auto zu Gute kommen, komplett in die Tonne gekloppt werden. Um dringend nötige Mittel für Schiene und Radverkehr freizusetzen. Eine überregionale Vernetzung wäre hilfreich. Damit 2035 alle aktuellen Autobahnprojekte in Vergessenheit geraten sind und stattdessen überall neue, viel genutzte Schienenwege und Velorouten gebaut wurden.
Das Headerfoto stammt nicht vom Originalartikel; ich fügte es hinzu, weil es einen wichtigen Meilenstein für die Klimagürtelrettung bebildert: Das Foto zeigt die Kreismitgliederversammlung der Kieler Grünen. Wie im Text erläutert, kam von hier Unterstützung für die Ziele des Klimagürtel-Bündnis. Am Rednerpult Luca Köpping. Neben ihm am Präsidiumstisch Nelly Waldeck von Fridays for Future.