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Vor dem Bug der Zuiderdam

Ich sprach mit einer Aktivistin, die bei der Blockade des Kreuzfahrtschiffes Zuiderdam gestern dabei war und zwar unmittelbar an der Aktion im Wasser beteiligt. Ob sie auf dem Wulstbug stand oder in einem der kleinen Boote vor dem Bug, wollte sie mir nicht konkret sagen. Auch ihren Namen gab sie nicht preis.

Sie beschreibt ihre Angst, als die Polizei mit dem Schlepper agierte. Der Schlepper legte die Zuiderdam an die Abschleppleine. Unter der Leine und zwischen Schiff und Schlepper befanden sich kleine Boote. Das war also eine sehr gefährliche Aktion für die Menschen in den kleinen Booten. “Wir hatten zwischendurch Panik”, sagte sie. Es war auch brenzlig für die Personen, die auf dem Wulstbug standen, als ein Polizeiboot mit viel Schwung vorne herum fuhr. Meine Gesprächspartnerin berichtete auch, dass die Polizei Kajaks rammte und versuchte, die Menschen aus den Booten zu ziehen.

Meine Gesprächspartnerin gehörte zu den Personen , die nach der Aktion in Gewahrsam genommen wurden. Sie wurden zunächst in die provisorische Eingangshalle gebracht. Dort bekamen sie Decken, wofür sie sehr dankbar waren, denn einige von ihnen waren nass und froren. Zunächst durften sie auch die Toilette benutzen. Nach einer Weile wurde das aber nicht mehr erlaubt. Einige pinkelten in einen Gulli vor Ort. Auch diejenigen, die dann in die Gewahrsamzelle gebracht wurden, durften nicht auf die Toilette. Die Kieler Gruppe „smash cruiseshit“ hatte Unterstützung aus ganz Deutschland und dem Ausland. Bis auf eine Person gaben die Aktivist*innen ihre Identität nicht preis. Alle sind jetzt wieder auf freiem Fuß. Soweit der Bericht einer Aktivistin.

Das Foto zeigt sehr viel von dieser Aktion. Ganz klein vor dem Bug des riesigen Schiffes sieht man mehrere kleine Boote. Rechts klettern Personen auf den Tauen und ganz rechts auf dem Kran bringen Aktivist*innen ein Banner an. Hier sieht man auch gut den Wulstbug, das ist dieser Wulst ganz unten vor dem Bug.

Kreuzfahrtschiff in Kiel blockiert

Am 9. Juni blockierten etwa 50 Aktivist*innen der Initiative Smash Cruiseshit ein Kreuzfahrtschiff am Ostseekai. Mit Ruderbooten verhinderten sie das Ablegen der Zuiderdam . Andere kletterten auf den Bug, auf Festmachtaue und auf einen Baukran in der Nähe. Mit dieser Aktion möchten die Klimaaktivist*innen auf die Umweltzerstörung durch Kreuzfahrten aufmerksam machen. Die Aktion dauerte etwa 6 Stunden. Die Polizei räumte die Aktivist*innen vom Wasser und beendete um 4 Uhr den Einsatz. Hier zwei Pressemitteilungen, eine von der Gruppe Smash Cruiseshit und eine von der Polizei:

Darstellung der Aktivist*innen

Pressemitteilung: In Kiel verhinderten KlimaaktivistInnen der Gruppe “Smash Cruiseshit” sechs Stunden lang das Auslaufen eines Kreuzfahrtschiffs. Sie fordern das Ende der klimaschädlichen Tourismusbranche, die seit Jahren steigende Emissionen verursacht und kritisieren die Arbeitsbedingungen an Bord. Die AktivistInnen wurden auf dem Wasser von der Polizei geräumt.

Um 16.10h – kurz nach der geplanten Auslaufzeit der knapp 300m langen Zuiderdam – wurde über die Bordlautsprecher verkündet, dass die Abfahrt sich aufgrund einer Blockade von KlimaaktivistInnen verzögere- Die Aktivistin Frieda Neuer bejubelte dies laut: “Unser heutiges Etappenziel haben wir erreicht – auf dass die Kreuzfahrtschiffe nie wieder ablegen!”

Auf und im Wasser waren über 50 Menschen nahe des Schiffes unterwegs. Sie schwammen im Wasser und auf Luftmatratzen, saßen in kleinen Schlaubooten, auf Kajaks und Kanadier-Booten und hielten Fahnen , auf denen Kreuzfahrtschiffe und deren dunke Abgaswolken abgebildet waren. Mit einem Transparent “sea rescue not cruise ships” erinnerten sie daran, dass Schiffe auf dem Mittelmeer zur Seenotrettung viel sinnvoller eingesetzt wären als für das Hin- und Herfahren zum Vergnügen. Zwei Menschen waren auf die Schiffstaue geklettert. Auf dem Kran der benachbarten Baustelle, wo gerade ein weiteres Kreuzfahrterminal entstehen soll, hatten sechs KletterInnen ein Banner mit ihrer Botschaft angebracht: “Save climate, stop cruise ships.”

Die Polizei musste zunehmend mehr Boote für die Räumung organisieren. Erst um kurz vor 22 Uhr am Abend hatte sie alle Aktivist*innen aus dem Wasser geräumt. Eine Spaziergängerin äußerte sich schockiert vom rabiaten Vorgehen der Polizei, die über mehrere Stunden versuchte, die Blockade zu räumen. Sie erzählte, wie bei dem Versuch den Schlepper am Kreuzfahrtschiff zu befestigen, eine am Tau kletternde Person durch Schütteln daran aus zwei bis drei Meter Höhe ins Wasser fiel, wie kleine Kajaks durch die Bugwellen der Polizeiboote absichtlich zum Entern gebracht wurden oder umgestoßen wurden, eine Schleppboot mit laufenden Rotorblättern rückwärts auf die DemonstantInnen zusteuerte oder diese rabiat über Stege geschleift wurden.

Ein Zelt für die Kreuzfahrtabfertigung wurde kurzerhand zur Gefangenensammelstelle umfunktioniert. Dort verweigert die Polizei den Menschen Telefonate mit ihrem Anwalt, teilweise auch den Toilettengang und auch Protokolle über die Beschlagnahmung der Boote und persönliche Gegenstände. Etwa zehn Personen wurden für das Insistieren auf Beschlagnahmeprotokolle noch weitere fünf Stunden eingesperrt. “Menschen, die zu ihrem Schutz anonym bleiben wollen, werden hier keine Grundrechte zugestanden. Das ist keine Seltenheit, sondern leider alltäglich. Zur Verteidiung der Interessen der Kreuzfahrtreederei Carnival Cruises und der Stadt Kiel an ihrem Kreufahrt-Image-Projekt werden alle Register gezogen” versichert Mia Block.

Die Gründe für die Aktion sind offensichtlich. Kreuzfahrt schadet der Umwelt in vielen Aspekten. Oft wird Schweröl als Treibstoff verwendet. Die mit den Abgasen ausgestoßenen Schadstoffe verursachen insbedondere in Fjorden mit abgeschlossener Luftzirkulation hohe Luftverschmutzung. Unter Wasser stört der Motorenlärm der Ozeanriesen Meeressäugetiere wie Wale und Delphine. Bei Kreuzfahrten in Polarregionen setzen sich die schwarzen Rußpartikel aus den Abgasen auf die vormals weiße Eisoberfläche ab , die dadurch schneller zu schmelzen beginnt. Mia Block schließt ab: “Weitere Aktionen werden mit Sicherheit folgen. Es gibt kein ruhiges Hinterland für die KlimazerstörerInnen!”

Ende der Pressemitteilung.

Hier die Darstellung der Polizei:

Die Blockade eines Kreuzfahrtschiffs durch ca. 50 Klimaaktivisten führte gestern zu einem Großeinsatz von Polizei und Rettungskräften auf dem Ostseekai, der bis spät in die Nacht andauerte. Die Aktivisten hinderten den Kreuzfahrer unter anderem mit diversen Kleinbooten am Ablegen. Einige Aktivisten kletterten auf den Wulstbug und die Festmacherleinen des Schiffs. Fünf Aktivisten kletterten auf einen Kran, der sich auf dem Gelände des Ostseekais befand. Drei kamen im Verlauf der Aktion freiwillig wieder herunter. Zwei Aktivisten mussten von den Höhenrettern in der Nacht von dem Kran abgeseilt werden. Verletzt wurde bei dem Großeinsatz glücklicher Weise niemand.

Gegen 14:00 Uhr gingen bei der Regionalleitstelle Hinweise ein, dass sich mehrere Personen mit Booten dem Kreuzfahrtschiff “Zuiderdam”, welches am Ostseekai festgemacht hatte und diesen um 16:00 Uhr verlassen wollte, nähern würden. Einige Personen seien auf den Wulstbug und auf Festmacherleinen geklettert. Außerdem seien mehrere Personen auf den Baustellenkran, der sich auf dem Gelände des Ostseekais befindet, geklettert.

Die ersten Einsatzkräfte bestätigten die eingegangenen Hinweise. Das Vorgehen der Personen wurde von Seiten der Polizei als Versammlung eingestuft. Polizeikräfte aus ganz Schleswig-Holstein, Feuerwehr und Rettungskräfte sowie die Bundespolizei wurden alarmiert und zum Einsatzort entsandt.

Die Aktivisten verweigerten eine Kontaktaufnahme mit den Einsatzkräften. Nachdem die Versammlung von Seiten der Versammlungsbehörde der Stadt Kiel beendet worden war und die Aktivisten der Aufforderung, die Örtlichkeit zu verlassen, nicht nachkamen, nahmen die Einsatzkräfte insgesamt 41 Personen in Gewahrsam.

Fünf Aktivisten kletterten im Laufe des Nachmittags auf den Baustellenkran am Ostseekai. Drei verließen den Kran nach kurzer Zeit wieder. Zwei Aktivisten weigerten sich, vom Kran herunterzuklettern. Sie wurden von den Höhenrettern der Bundespolizei in Zusammenarbeit mit den Höhenrettern der Feuerwehr von dem Kran abgeseilt. Auch diese fünf Personen wurden vorübergehend in Gewahrsam genommen.

Der Kreuzfahrer konnte um 21:50 Uhr seinen Liegeplatz in Richtung Kopenhagen verlassen. Er wurde von mehreren Booten der Wasserschutzpolizei bis zur Strander Bucht begleitet.

Verletzt wurde bei dem Einsatz glücklicher Weise niemand. Die 46 Aktivisten wurden noch im Verlauf der Nacht wieder aus dem Gewahrsam entlassen. 12 kamen kurz darauf einem Platzverweis nicht nach und mussten erneut in Gewahrsam genommen werden.

Gegen die Aktivisten wurden Strafverfahren wegen des Verdachts der Nötigung, des Widerstandes und des Hausfriedensbruchs eingeleitet.

Um 04:00 Uhr war der Einsatz beendet.

Ende der Pressemitteilung