Das Beitragsbild ist eine Luftaufnahme der Schilkseer Steilküste 1991 auf einer Postkarte. So war es einmal. Auf der Wiese vor der Siedlung sind an der Steilküste zwei Wege zu erkennen, nachdem es nach den Abbrüchen 1989 eine Rückverlegung gab. Das große Gebüsch auf der Landseite des Weges ist heute weitgehend abgebrochen, aber noch zu erkennen, der aktuelle Weg (der fünfte seit Bau der Siedlung) verläuft inzwischen im Bild links davon.
Ein Gastbeitrag von Kaja Engel.
Es sei vorab gesagt: Dieser Bericht ist nicht neutral. Er stammt von einer Betroffenen, und um die Perspektive zu verdeutlichen, ist er in der Ich-Form geschrieben. Sachliche Abwägung der Argumente ist mir allerdings ein Anliegen, denn ohne sie wird die Situation der Siedlung auf der Steilküste in Schilksee-Süd wohl kaum auf eine nachhaltige Weise gelöst werden. Emotionale Beteiligung ist trotzdem nicht von der Hand zu weisen; immerhin geht es um mein Elternhaus, in dem ich aufgewachsen bin und in das ich 2013 mit meiner Familie eingezogen bin.
Ich war ein Kind, als meine Eltern in den Siebzigern die Gelegenheit bekamen, in Schilksee Süd zu bauen. Wohlgemerkt, wir waren keine Bonzen. Meine Eltern standen mit Anfang Dreißig in der Frühphase ihres Berufslebens. Beide waren als Flüchtlingskinder über Umwege nach Kiel gelangt und hier zu passionierten Seglern geworden. Ein Zuhause in Meeresnähe war für sie ein Lebenstraum und ein großes Projekt.
Beginnende Sorgen nach der Schneekatastrophe
Die abbrechende Steilküste ängstigte sie nicht sehr; es wurde ihnen versichert, die Abbrüche gingen so langsam vonstatten, dass noch über Jahrhunderte keine Gefahr davon ausginge. Und sie seien dort ja in einer geschlossenen Siedlung im Schutz der Stadt.
Kurz danach fand die Schneekatastrophe statt. Für uns Kinder am Ort ein großes Abenteuer mit bizarren Szenerien an der zugefrorenen Förde. Die Erwachsenen waren etwas besorgter, aber der Jahrhundertwinter galt als einmaliges Ereignis und den Begriff
„Klimawandel“ kannte noch keiner. Wenig später, um 1980, merkten die Erwachsenen allerdings auf, als die Molen vom Olympiazentrum aus verlängert werden sollten, um die nördlichen Ortsteile zu schützen. Es war klar, dass dies den Druck bei Ostwind südwärts lenken würde, so dass das Wasser umso mehr auf Schilksee-Süd einwirkte. Zwar war auch von einer Verlängerung der Molen bis zum Jugendheim die Rede, doch wurde in Dänemark die Steinfischerei verboten und damit fiel die Materialquelle für die Findlinge aus. Trotz Protesten wurden also die Molen in ihrer heutigen Gestalt gebaut und inzwischen ist die „Lee-Erosion“ an ihrem Ende deutlich zu erkennen.
Es folgten Jahre, in denen die Besorgnis der Anwohner mit dem Meeresspiegel stieg, Wege zurückverlegt und Strandzugänge aufgegeben wurden und das Thema dennoch auf allen Ebenen immer wieder abgewiesen wurde. Die letzte größere Diskussion gab es 2019. Dort erfuhren wir zum hundertsten Male, die Steilküste sei als Sandlieferant für Falckenstein wichtig und als Lebensraum für die Uferschwalbe und Maßnahmen an der einen Stelle zögen stets Auswirkungen anderswo nach sich.
Ganze Siedlung auf der Kippe
Es wird jedoch immer klarer, dass in Schilksee-Süd nicht nur ein paar Häuser auf der Kippe stehen sondern eine ganze Siedlung, in den Siebzigern von der Stadt geplant und mit aller dazugehörigen Infrastruktur errichtet. Vor den Häusern verlaufen die
Abwasserleitungen hin zum Pumpenhäuschen am Stubbek. Die Stadt als Besitzerin des Geländes an der Küste und Trägerin der Infrastruktur müsste die Initiative für Maßnahmen zum Siedlungsschutz ergreifen, die Genehmigungen müsste dann das Land erteilen.
2019 wurde bezüglich weiterer Planungen auf das Verfahren „Strategie Ostseeküste 2100“ verwiesen, in dem die Kieler Uni gemeinsam mit der TU Harburg umfassende Untersuchungen zur Entwicklung der Ostseeküste unter den Maßgaben des Klimawandels anstellt. Ergebnisse seien für 2024 zu erwarten. Allerdings erfolgt auch diese Untersuchung unter der Voraussetzung, dass Steilküsten geopfert werden sollten, es wird also nur die reine Küstenentwicklung mit ihrer natürlichen Dynamik untersucht. Als Beispiel wurde Stohl ausgewählt; dort ist auf der Steilküste aber keine Siedlung errichtet, die geschützt werden müsste. Insofern wird dem Wert der Ergebnisse mit Skepsis entgegen gesehen.
In der Ortsbeiratssitzung Schilksee
Die jüngste Sturmflut im Oktober 2023 hat erneut große Schäden nach sich gezogen und wieder ist die Diskussion um die Siedlung in Schilksee-Süd aufgeflammt. Da jetzt auch die nördlichen Ortsteile schwer betroffen sind, liegt es nahe, endlich nach einer Lösung zu
suchen, die ganz Schilksee schützt. Immerhin sagt auch der Umweltminister inzwischen, menschliche Siedlungen seien auf jeden Fall zu schützen.
In der Ortsbeiratssitzung am 8.November stellten sich für die Stadt Andreas von der Heydt (Leiter des Umweltschutzamtes) und Petra Holtappel (Leiterin des Grünflächenamtes) den Fragen der BürgerInnen. Dr. Holger Klink, der Strander Bürgermeister, steuerte zudem informative Erfahrungswerte aus der Nachbargemeinde bei, die in den vergangenen Jahren erfolgreich ein Küstenschutzkonzept erarbeitet und implementiert hat. Deutlich wurde, dass konkrete Vorschläge wie eine Verlängerung der Molen wenig hilfreich seien. Jegliche Maßnahmen müssten zunächst auf ihre Nebenwirkungen an anderer Stelle geprüft werden, dann müssten diese gegenüber dem Wert der Maßnahme abgewogen werden und erst am Ende dieser Prozesse könnten Entscheidungen stehen. Dass dabei dann vielleicht doch die Verlängerung der Molen herauskommen könnte, ist möglich, aber zunächst müssten eben alle Konsequenzen geprüft werden.
Ein wenig Zuversicht für Schilksee-Süd
Das Ergebnis der Sitzung war nicht neu: Die Stadt wartet auf die Ergebnisse des Strategieverfahrens, um auf ihrer Basis Vorschläge für den Umgang mit der Situation in Schilksee zu erarbeiten. Es wird Aufgabe der BürgerInnen und des Ortsbeirates sein, auf die politische Willensbildung einzuwirken, damit das absehbare Problem auf die Tagesordnung gesetzt wird. Noch ist der Abstand der Siedlung zur Steilküste so groß, dass die Gefahr für Schilksee-Süd nicht allzu unmittelbar ist. Es ist aber auch klar, dass die Vorplanungen und Begutachtungen Zeit in Anspruch nehmen werden. Angesichts der
Vorgeschichte ist die Vertrauensbasis erschüttert, aber ein wenig Zuversicht ist zu erkennen.
Am Rande bemerkt: Auf der Strecke blieb in der Sitzung leider die Frage eines Strandzuganges für Schilksee-Süd. Nach dem Verlust der Eisentreppe ist der Strand nur noch kletternd zu erreichen und dies wird wohl vorerst so bleiben, denn der Handlungsbedarf in den nördlichen Ortsteilen ist vorerst größer.
Eine Überraschung bot der Bericht der KN über die Sitzung und begleitende Umstände: Tatsächlich deutet sich ein Umdenken auf der Ebene der Stadt an. OB Dr. Kämpfer wird zitiert mit den folgenden Worten: „Wir drängen jetzt darauf, dass das Land neu auf die
Situation in Schilksee schaut. Erste Gespräche hat die Stadt mit dem Umweltminister geführt.“
In einer der ersten Ortsbeiratssitzungen 2024 in Schilksee will der OB persönlich nach Schilksee kommen. Wenn das Engagement der Stadt für den Ortsteil dann tatsächlich Fahrt aufnähme, wäre das eine Wendung, über die sich die Schilkseer sehr freuen würden!
Von Kaja Engel
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