Südspange stoppen!

Die Südspange und die Bielenbergkoppel

Das Bündnis Vorfahrt für den Klimagürtel lud zu einer Begehung der Bielenbergkoppel ein. Dieses Kleingartengebiet mit etwa 300 Gärten auf ca 205.000 Quadratmetern würde von Autobahnkreuz, Südspange und Nebenstrecke weitgehend zerstört werden. Weil viele Bürger*innen und im Übrigen auch Politiker*innen dieses biologisch besonders wertvolle Stück Erde nicht kennen, wollten die Aktivist*innen ganz konkret und sinnlich zeigen, welche Auswirkungen der Straßenbau hätte.

Zum Bündnis Vorfahrt für den Klimagürtel gehören fast alle Gruppierungen, die in Kiel Bezug zum Klima- oder Naturschutz haben: Greenpeace Kiel, Fridays for Future Kiel, Scientists for Future Kiel, Students for Future Kiel, People for Future Kiel, BUND Kreisgruppe Kiel, VCD, Waldhaus Kiel, extinction rebellion, Projekt Prüner Park, Bürgerinitiative Klimanotstand Kiel, bielenbergkoppel.de, TKKG, cradle to cradle ev, NABU Kiel.

Wir spazierten über den Eidertalwanderweg , durch den BUND-Garten und einen Teil der Kleingartenanlage Bielenbergkoppel. Die Gärten und Wege waren geputzt für die Presse, überall hingen Poster, Banner, Schilder mit Aufschriften gegen die Südspange. Es fielen allerdings auch die zahlreichen verwilderten Gärten auf. Während es in anderen Teilen von Kiel mittlerweile in manchen Vereinen Wartelisten gibt, hielt sich der Andrang hier in der Bielenbergkoppel in Grenzen. Das mag auch daran liegen, dass der eventuelle Bau der Südspange wie ein Damoklesschwert über den Gärten hängt.

Die Bielenbergkoppel ist Teil des Kieler Grüngürtels und ein wichtiger Teil der Biotopvernetzung! Christian Herold vom BUND erklärte uns die Zusammenhänge: Dachse, Abendsegler, Singvögel, Insekten ziehen durch diesen Gürtel. Fledermäuse aus dem Vieburger Gehölz kommen hier zum Jagen her. Für Singvögel ist die Bielenbergkoppel Teil des großräumigen Wechsels vom Eidertal bis zur Ostseeküste und nach Skandinavien.

Die Karte zeigt, wie die Straßen verlaufen könnten.

An verschiedenen Stationen hatten die Aktivist*innen Markierungen angebracht um den Straßenverlauf zu zeigen. Besonders eindrucksvoll: Die ca 28 Meter breite Brücke über den Eidertalwanderweg hatten sie mit Stäben und schwarzer Plane andeutungsweise nachgebaut, um die Dimension dieses Bauwerks aufzuzeigen. Während wir dort standen, kamen uns zahlreiche Radfahrer*innen entgegen, denn der Eidertalwanderweg ist ein beliebter stadtnaher Wanderweg. Sie schlossen sich mit Interesse den Erläuterungen der Expert*innen an.

Nachbildung der Brücke: 28 Meter breit!

Die Nebenstrecke zur Südspange würde direkt auf dem Eidertalwanderweg verlaufen und in die Flintbeker Straße münden. Wie eine so schmale Straße wie die Flintbeker einen Busverkehr in beide Richtungen bewältigen soll, ist noch nicht ganz klar.

Christian Herold von der BUND-Kreisgruppe erklärte uns den Artenreichtum von einer Anlage wie dieser mit teils bestellten und teils verwilderten Gärten und auch Naturbäumen, von denen einige sehr groß sind. Die Bäume fallen wirklich auf. Auf dem Rundgang sprachen wir mit einem Gärtner namens Lindenberg, der eine 200 Jahre alte Eiche auf seiner Doppelparzelle stehen hat. Auf der Gemeinschaftswiese steht ein alter stattlicher Walnussbaum. Der BUND-Naturgarten hat eine Sondererlaubnis, auf seinen 5.000 Quadratmetern auch Naturbäume wachsen zu lassen. Alte Bäume bieten mit iheren Baumhöhlen Unterschlupf und Brutmöglichkeiten für zahlreiche Tierarten. Manche Vögel und Insekten brauchen die hohen Wipfel der Habitatbäume, so nennt man die stattlichen alten Bäume. Christian Herold sagte, auf Grund des Klimawandels wird es zunehmend schwieriger, Bäume groß zu ziehen. Insofern sind die vorhandenen großen Bäume besonders erhaltenswert.

Die Straßenbauplane für den Kieler Süden sehen als eine Variante die sogenannte Südspange vor, eine Schnellstraße, die von der B404/ A21 nach Osten führt und in die B76 mündet. Geplant und eventuell gebaut wird sie von einer staatlichen Gmbh, der DEGES. (Allerdings haben die Kieler Verwaltung und Selbstverwaltung Möglichkeiten der Einflussnahme. ) Auch der Bau der Nebenstrecke für Busse und langsamere Verkehrsteilnehmer würde durch die Bielenbergkoppel führen. Zum jetzigen Zeitpunkt hat die DEGES lediglich mit Kartierungen angefangen und eine weitere Variantenprüfung in Auftrag gegeben. Der Protest gegen die Südspange kann jetzt noch Wirkung zeigen.

Die Forderung des Bündnis Vorfahrt für den Klimagürtel ist einfach und klar: Die A21 soll bei Wellsee enden und dort in die B404 auslaufen. Niklas Hielscher vom Bündnis sagte, zu alternativen Vorschlägen, beispielsweise Ausbau des Wellseedamms, äußert sich das Bündnis nicht. Da herrsche das Sankt Florians Prinzip, denn kein Stadtteil möchte eine Belastung bei sich zu Hause.

Die Zerstörung der Bielenbergkoppel hätte auch einen direkten Einfluss auf die Lebensqualität in Kiel. Es würde lauter und wärmer werden. Als wir auf dem Eidertalwanderweg standen, wurde uns bewusst, dass es jetzt sehr ruhig ist. Die Bäume schlucken den Lärm der B404. Mit dem Bau der Südspange würde der Lärm viel näher an bebaute Gebiete kommen. Die Bielenbergkoppel ist außerdem Teil der Kaltluftschneise von Kiel. Sie bringt frische Luft und Kühlung in die Stadt, was gerade in Zeiten des Klimawandels besonders wichtig ist. Asphalt statt Gärten und Bäume machen die Stadt spürbar heißer. Eine Straße unterbricht den Luftaustausch, in etwa so wie die Heißluftsperre am Eingang zu Kaufhäusern.

Übrigens, wer mal wie ich an einer Autobahnbaustelle gewohnt hat, weiß aus eigener Anschauung, welche unglaublichen Erdbewegungen mit so einem Bauwerk verbunden sind. Auch an Stellen, die am Ende nicht asphaltiert sind, ist die Landschaft hinterher völlig umgestaltet und die verschiedenen Erdschichten vermischt.

Zum Abschluss noch einige Aussagen von Gärtner*innen, die wir antrafen:

Heidrun Kusserow, Leiterin des BUND-Gartens: “Die Südspange ist völlig sinnlos, wenn der Ostring II nicht gebaut wird.” Zur Erläuterung: Die Südspange sollte ursprünglich den Verkehr in einen Ostring II leiten, der den Ostring I entlasten sollte. Dieser Ostring II steht zwar noch im Bundesverkehrswegeplan , hat aber nicht den Status des vordringlichen Bedarfs und würde sehr teuer werden. Der Bau des Ostring II ist also wirklich ganz unwahrscheinlich.

Herr Lindenberg trauerte, weil die Stadt ihn zwang 60 Naturbäume auf seinen Parzellen zu fällen. Einzig die 200-jährige Eiche durfte stehen bleiben.

Eine Gärtnerin bewirtschaftet ihrem Garten mit ihrer Schwester in dritter Generation. “Wir haben die schönste Kindheit hier gehabt, konnten herumstöbern und Höhlen bauen. Für Oma, die 93 wurde, war der Garten Fluchtpunkt.”

Ich lernte aus den Gesprächen: Der Kieler Grüngürtel dient der Biotopvernetzung und ist Lebensraum für zahlreiche Tierarten. Für die Menschen ist er Naherholungsgebiet. Er dient als CO2-Senke und nimmt Starkregen auf. Und für uns Menschen ist die Natur generell Grundlage für unser Überleben, und das nicht nur in Zeiten des Klimawandels. Ich persönlich empfinde gerade die Bielenbergkoppel als einen besonders schönen Ort, wobei ich etwas Wildheit gerne mag.

Weiterlesen:

Südspange und A21-Anbindung

Bielenbergkoppel, Schöner als die Südspange Kiel

4 Gedanken zu „Die Südspange und die Bielenbergkoppel“

  1. Für den “zweiten Ostring” gelten zwei Optionen: entweder wird er auf der Trasse der noch im Bau befindlichen Regionalbahnstrecke gebaut, die in 6 Jahren den Verkehr in die Probstei aufnehmen soll, oder er wird den weiten Umweg entlang Schwentinental machen, daß er a.) keine Entlastung für den Schwerlast verkehr mehr bringen und b.) von den dortigen Anwohnern ebenfalls abgelehnt wird. Entschuldigt bitte diesen Bandwurm Satz, aber ich bin einfach wütend

  2. Der Masterplan 100 % Klimaschutz der Stadt Kiel sieht vor, den Verkehr um 40 % gegenüber 2015 zu senken. Das Ziel gehört unter anderen mit zum Pariser Klimaabkommen, das Deutschland mit unterschrieben hat. Daher ist der Stopp der Südspange und der Erhalt des Grüngürtels für Kiel unglaublich wichtig.

    Danke Ursula für diesen tollen Artikel!!!

  3. Schöner Exklusiv-Bericht 🙂

    Nur eine kleine Ergänzung: Die Position des Bündnisses ist explizit nicht, “schicksalhaft” steigenden Auto-Verkehr irgendwo anders hin zu verteilen. Also egal ob vom Wellseedamm in den Grüngürtel oder weitläufig um Kiel herum. Das meinte ich mit “Sankt-Florians-Prinzip”, wo ein Problem nur irgendwo anders hinverlagert wird, wo man am besten nicht selbst betroffen ist.
    Es geht stattdessen darum, im Einklang mit Klimaschutzzielen Autoverkehr zu reduzieren und kein Geld mehr dafür auszugeben, Kapazitäten für den Autoverkehr zu erweitern. Sondern massiv in nachhaltige Mobilität zu investieren. Und da ist sicher der Masterplan Mobilität ein guter Aufschlag auf lokaler Ebene.
    Aber für den LKW-Verkehr ist es wichtig, dass Geld aus dem Bundesverkehrswegeplan umgeschichtet wird, um den Schienengüterverkehr wieder voran zu bringen. Statt den LKWs weiter den roten (bzw. grauen) Teppich auszulegen.

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