6. Juni in Kiel. An der Kundgebung gegen Ausbeutung wirkten folgende Initiativen mit: Perspektive Solidarität (PSK) , Runder Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel, TKKG Turboklimakampfgruppe Kiel, der Chefduzen Stammtisch und der Jour Fixe der Gewerkschaftslinken aus Hamburg. Auf dem mit Absperrband ausgewiesenen Platz sah ich auch noch mit Postern und Fahnen die Gruppe Omas gegen rechts, die DKP, die SDAJ, die Antifaschistische Aktion und IGM.
Zentrale Forderung der Kundgebung: “Die Folgen der Pandemie dürfen nicht auf dem Rücken der lohnabhängigen Bevölkerung ausgetragen werden.” Dieses Thema wurde in Wortbeiträgen vielfältig und interessant aufgeblättert. Es ging unter anderem um moderne Sklaverei auf manchen Großschlachthöfen, Kritik an den Corona-Hilfen und um den Personalmangel in Krankenhäusern.
Nach Angabe der Veranstalter beteiligten sich 150 Personen an der Kundgebung. Innerhalb des abgebänderten Bereichs durften sich 50 Personen aufhalten. Mein Eindruck: Nur wenige Passanten blieben länger zum Zuhören stehen. Aber es kann schon sein, dass im Laufe der zweistündigen Kundgebung 100 Leute am Asmus-Bremer-Platz vorbei liefen und wenigstens kurz aufmerksam stehen blieben.
Arbeitsmigranten aus Rumänien, Bulgarien, Polen
Ein zentrales Thema waren die menschenfeindlichen Arbeitsbedingungen in den Großschlachthöfen, vor allem bei Tönnies in Kellinghusen. Osteuropäische Wanderarbeiter, vor allem Rumänen, arbeiten dort 12 bis 16 Stunden am Tag, sechs Tage die Woche, bei Kühlschranktemperaturen. Sie sind untergebracht in Mehrbettzimmern. Die Bedingungen sind katastrophal. Möglich wird diese Ausbeutung durch das Werkvertragssystem. Ursprünglich sind Werkverträge Aufträge für Arbeiten, die nicht zum Kerngeschäft gehören, beispielsweise wenn ein Hotel die Heizungswartung oder die Gestaltung der Website als Werkvertrag an ein externes Unternehmen vergibt. Es war nicht im Sinne des Erfinders, dass ein Schlachthof sein eigentlichen Geschäft, das Schlachten, an Subunternehmer auslagert. Diesen Missstand will die Bundesregierung künftig beenden.
Dazu kommt das Wohlstandsgefälle zwischen den armen EU-Ländern und Deutschland, das Menschen aus diesen Ländern dazu bewegt, hier Arbeit aufzunehmen. Und noch ein Punkt wurde erwähnt: Betriebe würden nur sehr selten kontrolliert. Die Personalkürzungen in den Aufsichtsbehörden hätten zu der Situation geführt, dass ein Betrieb statistisch nur alle 47 Jahre eine Kontrolle zu befürchten hat.
Corona und die Arbeitswelt
- An den Corona-Hilfen des Bundes wurde kritisiert, dass Aktiengesellschaften mit Milliarden gerettet werden, während für Arme keine Einmalhilfe bei CDU/CSU durchgesetzt werden konnte. Positiv wurde dagegen der Pflegebonus von 1,500 Euro gesehen.
- Ein Vertreter der Gewerkschaft NGG bezeichnete die Gastronomie als eine wirklich gebeutelte Branche.
- Lange Arbeitstage und Personalmangel in den Kliniken waren ebenfalls Thema.
Kapitalismuskritik und Turnschuh-Sale
“Die Krise heißt Kapitalismus”, dieser Gedanke zog sich als eine Art Leitidee durch die Wortbeiträge, die unter roten Fahnen verkündet wurden. Währenddessen wanderten die Passant*innen die Holstenstraße rauf und runter, nur wenige blieben länger stehen. Nach etwa einer Stunde kam der Würstchenverkäufer und warf den Grill an, der Geruch von Bratwürsten durchzog den Asmus-Bremer-Platz. Das war etwas skurril, weil wir gerade von der Misere in Großschlachtereien gehört hatten. Eine Menschenschlange entlang des Platzes entpuppte sich bei genauem Hinsehen als Kund*innen eines Geschäfts für Sportschuhe. Ich fragte mich, warum diese Kundgebung am Ende wenig Interesse weckte, obwohl hier echte Missstände genannt wurden. Lag es an den roten Fahnen?
Weiterlesen?
https://taz.de/Corona-Ausbrueche-in-Schlachthoefen/!5687259/
Dieser Artikel ist deshalb so gut, weil er ALLE Begleitumstände um die Demo beleuchtet. Warum wird über Menschen geschimpft, die durch Fleischverarbeitung reich geworden sind, anstatt eine Veränderung des Steuersystems zu fordern? Vermeintliche Radikalität?