Anlässlich der Kontroverse um Gottfried Kuhnt beschäftigte sich der Kieler Bauausschuss am 1. März mit dieser Frage. Die Grünen wünschen sich Kriterien, nach denen Straßen- und Platzbenennungen erfolgen sollen. Dabei stellt sich die Frage, ob Personen überhaupt auf diese Art und Weise geehrt werden sollen. Und wenn ja, wer soll das Vorschlagsrecht haben? Eventuell der Ältestenrat?Sollten Verwandte der zu ehrenden Person vorher konsultiert werden? Hintergrund dieses erfolgreichen Antrags ist der Streit , der unter Historikern über die Benennung eines Platzes nach Gottfried Kuhnt entbrannt war.
Zur Vorgeschichte
Der Ortsbeirat Ravensburg/ Brunswik/ Düsternbrook hatte vorgeschlagen, eine kleine Wiese am Zusammenfluss von Düppelstraße und Forstweg nach dem ersten Justizminister von Schleswig-Holstein zu benennen. Bis dahin hatte dieser Platz keinen Namen, und so wird es wohl bis auf Weiteres auch bleiben, denn erst einmal sollen nun Kriterien für Platz- und Straßennamen entwickelt werden.
Eine städtische Stellungnahme argumentierte gegen die Benennung dieses Platzes nach Gottfried Kuhnt. Zahlreiche andere Stellungnahmen gingen ein. Die Historiker Prof. Uwe Danker und Dr. Jan Schlürmann befürworteten die Ehrung. Die jüdische Gemeinde und Jens Rönnau vom Mahnmal Kielian sprachen sich dagegen aus. Jens Rönnau fand vor allem den Ort ungünstig, denn das ehemalige Gestapo-Hauptquartier befand sich nicht weit entfernt in der Düppelstraße.
Alle scheinen sich einig zu sein, dass Gottfried Kuhnt auf der Seite der Demokratie stand. Kritisch beurteilt wird heute sein Wirken in den sogenannten Gnadenausschüssen. Immer geht es um die Frage, ob man einen Menschen im Kontext seiner Zeit oder aus der Sicht der eigenen Zeit beurteilt.
Die nicht-umstrittenen Fakten zu Gottfried Kuhnt:
- Kuhnt wurd am 25. Juni 1884 geboren.
- 1927 wurde er Präsident des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts mit Sitz in Kiel.
- Er gehörte der linksliberalen demokratischen Partei DDP bis zu ihrer Auflösung 1930 an.
- 1933 wurde er seines Amtes enthoben.
- 1945 bestellte die britische Militärregierung Gottfried Kuhnt erneut zum Präsidenten des OLG.
- 1946 wurde Kuhnt erster Justizminister von Schleswig-Holstein.
- 1946 -1952 erneut Präsident des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts.
Kuhnts Rolle bei den Begnadigungen
Kritisch gesehen wird vor allem seine Beteiligung an Begnadigungen von NS-Verbechern nach dem Krieg. Auch Massenmörder wurden begnadigt.
Professor Danker aus Flensburg sprach im Bauauschuss: “Es ist wirklich heute unvorstellbar.” Aber, so Danker, es gab damals eine Stimmung auf breiter Front für diese Begnadigungen. Bundeskanzler Adenauer, Bundespräsident Heuss, die Mehrzahl der überregionalen Zeitungen, u. a. Die Zeit, Der Spiegel und die Bild-Zeitung seien dafür gewesen. Es gab einen breiten gesellschaftlichen Konsens in diese Richtung. Zum Teil war es der Wunsch, einfach einen Schlussstrich zu ziehen. Danker bezeichnete Gottfried Kuhnt insgesamt als eine mutige Ausnahme unter den Juristen seiner Zeit und der Ehrung wert.
Kulturreferent Rainer Pasternak vertrat im Bauauschuss die gegenteilige Position. Er räumte ein, dass Kuhnt während der NS-Zeit wenig Spielräume hatte. Aber in den Gnadenausschüssen hätte er in bestimmten Fällen mit Nein stimmen können oder gar nicht erst teilnehmen müssen. Pasternak betonte, er stelle nicht die Ehre von Gottfried Kuhnt in Frage, sondern wende sich lediglich gegen eine Ehrung. “ Wir schauen von heute und sehen von einer Ehrung ab”, so fasste Pasternak die Position der Verwaltung zusammen.
Einig sind sich alle, dass Gottfried Kuhnt ein entschiedener Unterstützer der Demokratie war und als einer von eher wenigen unbelasteten Juristen nach dem zweiten Weltkrieg maßgeblich am Aufbau der Justiz in Deutschland beteiligt war.
Dirk Schelje (Grüne) sagte am Ende der Diskussion im Bauauschuss sehr treffend über die Nachkriegszeit: “Damals hat man gedacht, man könne einen Schlussstrich ziehen. Es wird hoffentlich nie einen Schlussstrich geben.” Die Diskussion um einen möglichen Gottfried-Kuhnt-Platz hat Kiel einen lebhaften Geschichtsunterricht beschert.