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Ratsversammlung kümmert sich um subjektive Ängste

In einem interfraktionellen Antrag, dem alle Fraktionen außer der Linken zustimmten, beschloss die Ratsversammlung letzte Woche die Erarbeitung eines kommunalen Sicherheitskonzepts. Dieses Konzept soll die subjektiven Ängste der Kieler*innen mindern.

Objektiv gesehen lebt man in Kiel recht sicher. Das stellte Ratsherr Arend (SPD) an den Anfang seiner Begründung. Trotzdem hätten die Menschen Angst, würden sich sogar zurückziehen. “Das nehmen wir in Gesprächen wahr,” sagte der Ratsherr. Auch Ortsbeiräte würden von Angst-Räumen berichten.

In der Debatte wurden verschiedene Situationen genannt: das Karlstal, das Grüne Herz, freilaufende Hunde in Parks, die Möglichkeit von Terroranschlägen. Die AfD machte sogar mit Stickern beklebte Mülleimer und Ampeln als Quellen der Angst aus.

Auch die sozialen Medien hätten schuld an der ausgemachten Verängstigung von weiten Teilen der Bevölkerung. Denn irgendeinen Grund muss es ja geben, wenn die Leute Angst haben, obwohl die Kriminalstatistik seit Jahren rückläufig ist. Ob die Bevölkerung tatsächlich diese Ängste hat, ist allerdings im Antrag nicht mit Zahlenmaterial belegt.

Ein Gesamtkonzept soll vermeiden, dass es lediglich zu Verlagerungen kommt. Wenn die Trinkerszene von einer Stelle vertrieben wird und sich an anderer Stelle wieder ansiedelt, wäre das (vermeintliche) Problem nur verlagert.

Einzig die Linke positionierte sich gegen diesen Antrag und hielt die Fahne der Vernunft hoch. Ratsfrau Bierwirth bezeichnete es als gefährlich, wenn die Politik sich von gefühlten Ängsten leiten lässt. Das würde Menschen und Räume stigmatisieren. Sie wies außerdem auf die Schwierigkeit hin, subjektive Ängste gegeneinander abzuwägen.

Mein Fazit

Die Diskussion um die subjektiven Ängste erinnerte mich an eine Unterhaltung, die ich vor einigen Jahren mit einem Passanten vor dem Kieler Hauptbahnhof hatte. Er sagte, seine Frau würde wegen der vielen Flüchtlingen gar nicht mehr in die Innenstadt gehen. Sie hätte Angst belästigt zu werden. Ich fragte, ob sie denn mal belästigt worden wäre? Nein, sagte der Mann, dazu wäre es nie gekommen, weil sie ja gar nicht mehr in die Innstadt gehen würde. Diese kleine Unterhaltung hat mir verdeutlicht, wie sich Menschen durch eingebildete Ängste selber einschränken. Sinnvoller wäre es, sich vor echten Gefahren so gut es geht zu schützen und gleichzeitig eine robuste Toleranz gegenüber harmlosen Irritationen zu entwickeln, die natürlich von Mensch zu Mensch verschieden sind.

Das Foto zeigt einen typischen Kieler Abfallbehälter: bunt, kreativ und informativ . Können diese Aufkleber wirklich gefährlich sein?

Antrag

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