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Corona: Wege aus dem Shutdown

In einer Videokonferenz am Mittwoch legten die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsiden*innen fest, auf welche Weise die Beschränkungen im öffentlichen Leben gelockert werden können. Diese Lockerung ist möglich, weil die Infektionskurve erfreulich flach verläuft. Die Länder setzen die neuen Regeln um.

So sieht es für Schleswig-Holstein in groben Zügen aus:

  • Die Kontaktsperren bleiben bestehen!
  • Ab 20. April dürfen kleine Geschäfte öffnen – unter Auflagen!
  • Schulen werden schrittweise geöffnet.
  • Ab nächster Woche dürfen zunächst die Abschlussjahrgänge an prüfungsfreien Tagen zum Unterricht in die Schulen.
  • Ab 4. Mai sollen die vierten Klassen wieder zur Schule gehen.
  • Kitas bleiben grundsätzlich weiter geschlossen, allerdings wird die Notbetreuung etwas ausgeweitet.
  • Ebenfalls weiterhin geschlossen bleiben Hotels und Restaurants.
  • In seiner Pressekonferenz am Donnerstag nannte Ministerpräsident Daniel Günther den Besuch der Zweitwohnungen perspektivisch als wahrscheinlich ersten Lockerungsschritt im Bereich Tourismus, aber ohne hierfür ein Datum zu nennen.
  • Großveranstaltungen bleiben mindestens bis einschließlich 31. August untersagt.

“Wie der Regierungschef betonte, werde das Kabinett nun zeitnah die neuen Regelungen für den echten Norden konkretisieren. Diese sollen dann vorerst bis zum 4. Mai gelten, ein nächstes Gespräch der Länderchefs mit der Bundeskanzlerin ist für den 30. April vorgesehen. “ Quelle: https://www.schleswig-holstein.de/DE/Landesregierung/I/_startseite/Artikel2020/II/200415_videokonferenz_mpk.html

(Das Foto zeigt einen der zahlreichen kleinen Läden in der Holtenauer Straße. Beispiel maramara )

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Mobilitätsrat fordert weitere Öffnungen von Fahrbahnen für Fußgänger

Pressemitteilung Mobilitätsrat Kiel
Der Mobilitätsrat unterstützt die Forderung des VCD, während der Kontaktbeschränkungen Fußgängerinnen und Fußgängern mehr Platz in der Stadt zu geben. “Die Öffnung der Kiellinie ist ein guter Start, die Sperrung muss aber über Ostern hinaus weitergehen. Außerdem müssen weitere Straßen folgen”, so Kirsten Kock, Sprecherin des Mobilitätsrats.  Wer jetzt notwendige Wege zurückzulegen hat – zur Arbeit, um Einkäufe zu erledigen oder um anderen zu helfen – sollte diese wenn möglich zu Fuß oder mit dem Fahrrad machen. Denn damit wird in den öffentlichen Verkehrsmitteln Platz für jene frei, die diese benötigen. Und im Unterschied zum Auto ist das Fahrrad platzsparend und verursacht keine gesundheitsschädlichen Schadstoffe.


Viele Gehwege verfügen jedoch nicht einmal über die Mindestbreite von 2,50 Meter. Ein bis zwei Meter Abstand einzuhalten, ist auf vielen Kieler Gehwegen unmöglich. „Auf vielen Straßen wird den parkenden Autos mehr Platz eingeräumt, als den Bürgerinnen und Bürgern, die zu Fuß gehen“, so Frederik Meißner vom Mobilitätsrat Kiel. Wo möglich, sollte daher das Gehwegparken aufgehoben werden und vor allem unsere Wohnstraßen als verkehrsberuhigte Bereiche ausgewiesen werden. Das schafft den notwendigen Platz und erlaubt es Fußgängerinnen und Fußgängern, auf der Straße zu laufen, um genug Abstand einhalten zu können. In Wien wird dieser Ansatz nun umgesetzt, Kiel sollte dem folgen.


Auch zahlreiche Radwege sind zu schmal. Gerade für Familien mit Kindern sind kurze Radfahrten derzeit eine der wenigen Möglichkeiten, dass Kinder an die frische Luft kommen und sich bewegen können. “Dort, wo Radwege nicht breit genug sind oder der Bürgersteig zu schmal ist, damit sich Fußgänger und Radfahrer mit Sicherheitsabstand begegnen können, müssen gesicherte Radspuren auf der Fahrbahn eingerichtet werden”, fordert Kirsten Kock.


Was der Mobilitätsrat fordert, machen bereits viele Städte vor: Bogota hat seit Beginn der Coronakrise über 100 Kilometer Straßen in temporäre Radwege umgewandelt. Auch Berlin, Wien, Leipzig machen schnell Platz für Fußgänger und Radfahrer. „Es ist absehbar, dass wir noch auf längere Zeit Abstand zu einander halten müssen. In einer außergewöhnlichen Situation sind daher auch außergewöhnliche Maßnahmen nötig. Die Städte müssen schnell kreativ werden, um die Mobilität aller zu gewährleisten“, stellt Frederik Meißner fest.

Der Mobilitätsrat Kiel ist ein Bündnis aus Initiativen und Verbänden, die in Kiel für die Mobilitätswende und eine lebenswerte Stadt eintreten. Mobilität in Kiel und dem Umland muss nachhaltig, klimaneutral und sozial gerecht werden, um damit den notwendigen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Bei Maßnahmen im Bereich Mobilität müssen immer Mensch und Umwelt im Vordergrund stehen.

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Zapata: Ein Buchladen trotzt der Corona-Krise

Wie geht es Unternehmen in der Corona-Krise? Hier das Beispiel des Kieler Buchladens Zapata.

Inhaber Harald Mücke sagt, es wäre schon ein komisches Gefühl, Krisenprofiteur zu sein. Aber tatsächlich hat sein kleiner Buchladen am Wilhelmplatz in der Corona-Krise neue Kund*innen gewonnen. Das ist erstaunlich, da der Trend für kleine Buchläden eher in die umgekehrte Richtung geht: in den letzten zehn Jahren sind Hunderte von Buchläden untergegangen. Das müsste nicht sein, denn wegen der Buchpreisbindung sind die kleinen unabhängigen Buchläden nicht teurer als Hugendubel oder Thalia.

Warum neue Kundschaft gerade jetzt? Vermutlich wird mehr gelesen. Einige Leute sagen aber auch bei ihrer Bestellung, sie wollten den stationären Buchhandel unterstützen.

Lieferservice Zapata

Bis letzte Woche war es möglich, bestellte Bücher persönlich an der Tür abzuholen. Ab jetzt werden die Bücher nach Hause gebracht. Zapata hat glücklicherweise die Unterstützung von jungen Leuten, die gerade nichts zu tun haben und es sich zur Aufgabe gemacht haben, die Kieler*innen mit Lesestoff zu versorgen . Meisten wird mit dem Fahrrad ausgeliefert, aber bei einer größeren Bestellung auch mit dem Auto. Übrigens: wer außer einem Buch auch noch andere Sachen braucht, kann das bei der telefonischen Bestellung angeben. Die Fahrradkuriere können dann auch gerne noch etwas aus einer Drogerie oder einem Supermarkt auf dem Weg besorgen. Bezahlt wird normalerweise bar an der Tür. Die Kuriere freuen sich über einen kleinen Obulus. Natürlich geht auch eine Bestellung per Post und auf Rechnung.

Für Bestellungen steht das komplette Sortiment des Buchgroßhandels Libri zur Verfügung. Also deutlich mehr als im Laden vorrätig. Meistens kann am nächsten Tag ausgeliefert werden. Das ist oft schneller als bei Amazon, dem großen Konkurrenten des Buchhandels.

Buchladen mit alternativem Ansatz

Zapata besteht seit etwa 50 Jahren an verschiedenen Standorten und unter verschiedenen Namen. Die Anfänge verlieren sich etwas im Nebel der Kieler “Frühgeschichte”. Der jetzige Inhaber Harald Mücke ist seit 15 Jahren dabei. Ursprünglich war der Buchladen entstanden aus dem Bedürfnis, linke Texte anzubieten, die es anderswo nicht zu kaufen gab. Zu diesem immer noch vorhandenen links-alternativen Sortiment gesellten sich aber in den letzten Jahren auch Krimis, Romane, eine kleine aber feine Kinder- und Jugendbuchauswahl, DVDs und CDs. Nicht ins Regal kommen dagegen Texte mit rassistischen, sexistischen oder rechten Tendenzen.

Wenn es so gut weiter geht, wird Zapata keinen Zuschuss beantragen. “Wir haben bis jetzt keine Umsatzeinbußen”, sagt Inhaber Harald Mücke . Diese glückliche Situation verdankt er auch seinem Ladenteam und den solidarischen Leser*innen.

Info:

www.zapata-buch.de

(Foto von Svenja Zuleger)

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Sonne am Corona-Himmel

Kieler Solidarität mit Afrin

Corona: Lockerung zu Ostern

Grundsätzlich wünscht die Landesregierung immer noch möglichst wenig Kontakte – auch zu Ostern. Gestattet sind jedoch Familienfeste zu Ostern unter bestimmten Bedingungen, die das Kabinett am 8. April beschloss:

  • Nicht mehr als zehn Personen
  • Kinder, Eltern, Ehegatten, Geschiedene, eingetragene Lebenspartner, Geschwister
  • Im öffentlichen Raum weiterhin mindestens 1,5 Meter Abstand

Zu diesem Zweck wurden auch die Einreise-Beschränkungen aus anderen Bundesländern gelockert. “Zu Reisen nach Schleswig-Holstein wurde bezüglich Familienzusammenkünften in § 2 der Verordnung ein Absatz (3a) eingefügt, welcher regelt, dass die Beschränkungen nicht für Reisen zu oder für Zusammenkommen von Ehegatten, Geschiedenen, eingetragene Lebenspartnern, Lebensgefährten, Geschwistern und in gerader Linie Verwandten gelten.”

Gesundheitsminister Heiner Garg appelliert weiterhin an die Bevölkerung, vorsichtig zu sein und gefährdete Personen zu schützen. “Dabei ist es besonders wichtig, unser aller übergeordnetes Ziel im Auge zu behalten: Kontakte reduzieren. Die Verbreitung des Virus bremsen. Nicht notwendige Reisen unterlassen, Großeltern und andere besonders gefährdete Gruppen möglichst nicht besuchen. Damit schützen wir unsere Liebsten.

Man kann sagen, Familienfeste sind eigentlich nicht erwünscht, stehen aber nicht unter Strafe.

Weiterlesen: Pressemitteilung der Landesregierung

Corona-Update vom 6. April

Absperrung an der Steilküste in Schilksee-Süd

Eine Anwohnerin übt sich in Sarkasmus: “Ein großer Tag für Schilksee – trotz Beanspruchung durch die Corona-Krise ergreift die Stadt Maßnahmen zur Küstensicherung”, und sandte mir ein Foto vom gesperrten Wanderweg auf dem Kliff. So sind zumindest die Spaziergänger*innen in Sicherheit. Echte Hilfe für die Küste in Schilksee-Süd sind die Absperrungen allerdings nicht. Vielmehr ein Zeichen von Hilflosigkeit , nachdem der Sturm letztens wieder mächtig viel von der Küste abgebrochen hat.

Zwischen der letzten Häuserreihe und der Abbruchkante liegen nur etwa 60 Meter! Das Beitragsfoto zeigt die Brisanz der Lage. Die Küste bricht im Tempo von 0,70 Metern im Jahr ab. Man kann sich ausrechnen, wann das Kliff im ersten Vorgarten endet. Allerdings ist diese Rate des Abbruchs nicht linear, weder räumlich noch zeitlich. Besonders schnell vollzieht sich die Küstenerosion an der Stelle, an der der Wellenbrecher endet, mit der Schilksee-Nord seine Küste schützt. Lee-Erosion ist der Fachbegriff. Auch das Wetter spielt eine Rolle. Diese 0,70 Meter sind somit ein Durchschnittswert, der nach einer Sturmflut schnell übertroffen wird. Da brechen dann auch schon mal 2 Meter ab.

Natur, Häuser, Versorgungsleitungen gefährdet

Am stärksten betroffen ist die Straße Fallreep. Das Grünflächenamt berechnete für diese Stelle einen Rückgang von durchschnittlich 0.82 Meter pro Jahr seit 1991. Von der Uferkante bis zur Gründstücksgrenze des ufernahesten Hauses sind es aktuell 55 Meter. Bei gleichbleibendem Küstenrückgang würde die Uferkante in 67 Jahren die Grundstücksgrenze erreichen. Zwischen der Bebauung und der Küste liegen Versorgungsleitungen. Sie wären schon vorher gefährdet.

Auch die Natur an der Steilküste verdient eine Erwähnung. Schöne Buchen und Eichen, eine reiche Tierwelt, vor allem eine Reiherkolonie und Seeschwalben. In den Brombeerbüschen wimmelt es von Vögeln. Das Kieler Umweltamt schreibt über die Steilküste von Schilksee: “Die vegetationsarme, trockenwarme Steilküste ist ökologisch besonders wertvoll. Neben Kiels einziger Uferschwalbenkolonie kommen hier zum Teil stark gefährdete Wildbienen und Wespen sowie seltene Pflanzen wie Gemeiner Dost und Wundklee vor.” https://www.kiel.de/de/umwelt_verkehr/umwelt_naturschutz/_dokumente_faltblaetter_kieler_naturschutzgebiete/Faltblatt-HeischerTal.pdf

Die Steilküste von Schilksee in der Politik

Die Kieler Selbstverwaltung behandelte dieses Thema wiederholt. In ihrem Beschluss vom 22. August 2018 (Drucksache 0175/2019) fordert sie Maßnahmen um die Steilküste vor Beschädigungen zu schützen. Gleichzeitig fordert sie aber auch ein integriertes Konzept, das gleichermaßen die Interessen von Strande und Falckenstein berücksichtig. Das wird schwierig sein, denn der Abtrag in Schilksee-Süd wird wahrscheinlich am Strand von Falckenstein angelagert. Das ist wohl der Grund, warum die Ratsversammlung keine konkreten Maßnahmen vorschlägt. Mein Eindruck von den Debatten in der Ratsversammlung und in den Ausschüssen: Man sieht das Problem, aber will sich lieber nicht zu konkret damit befassen.

Heute fragt man sich, wieso es überhaupt eine Baugenehmigung für diese Siedlung geben konnte. Tatsächlich wurden die Häuser in den 70er Jahren gebaut, als die Küste noch in sicher scheinender Entfernung lag. Die flächenschonende und verkehrsberuhigte Bebauung galt damals als besonders fortschrittlich. Heute steht Schilksee-Süd wortwörtlich nah am Abgrund. Mit dieser Küstendynamik hatte man nicht gerechnet. Sie wird durch den Klimawandel wahrscheinlich beschleunigt.

Foto: Schilksee-Süd an der Küste. An der engsten Stelle liegen etwa 55 Meter zwischen Bebauung und Uferkante.

Weiterlesen:

Debatte in der Ratsversammlung auf Video 3: https://www.kiel.de/de/politik_verwaltung/ratsversammlung/ratssitzungen_video/22_08_2019.php

Bröckelnde Steilküste in Schilksee-Süd

Straßenportrait: Skipperweg und Umgebung

KN: Bericht über eine Expertenrunde 2019

Corona: Update vom 6. April

Kiels Oberbürgermeister Ulf Kämpfer macht vorsichtig Hoffnung auf eine Lockerung des Shutdowns nach Ostern. Seiner Meinung nach wäre diese Lockerung verhältnismäßig. Grund sind die Zahlen bei den Infektionen. Stand gestern 9 Uhr sind 116 Menschen in Kiel an Covid-19 (Corona) erkrankt. Die Zahl der Infektionen , die seit Beginn der Pandemie gemeldet wurden, beläuft sich auf 160. Davon sind 44 Personen wieder genesen. Zur Zeit befinden sich 394 Personen in häuslicher Quarantäne. Ein Patient ist gestorben.

Die Rate der Ansteckung verläuft nicht mehr exponentiell. Vom 2. auf den 3. April gab es zehn neue bestätigte Ansteckungen, vom 3. auf den 4. April ebenfalls zehn, vom 4. auf den 5. April waren es nur drei. In der letzten Woche lag die Zuwachsrate nur noch bei 7. Prozent. Grundlage sind die Zahlen des Sozialministeriums von Schleswig-Holstein. Aufgrund dieser Abflachung der Kurve beginnt Oberbürgermeister Ulf Kämpfer die Diskussion um eine Lockerung der Maßnahmen. Spielplätze, Cafés, Geschäfte könnten aus seiner Sicht bei Wahrung von Abstand und Hygiene möglicherweise bald nach Ostern oder im Mai wieder eröffnen. Er würde es auch begrüßen, wenn die Kitas und Schulen Schritt für Schritt wieder den Betrieb aufnehmen könnten.

Weil dieses Statement von Oberbürgermeister Kämpfer nur auf seinem Facebook-Account veröffentlicht wurde, hier der ganze Text:

Seit vier Wochen haben wir nun Beschränkungen des öffentlichen Lebens, seit zwei Wochen einen regelrechten „Shutdown“.

Unternehmen bangen um ihre Existenz, Kranke und Ältere dürfen nicht besucht werden, das öffentliche Leben ist fast ganz zum Erliegen gekommen. Für uns alle ist es unbequem, für viele richtig hart.

Wie ist die Lage in Kiel, und mit welcher Strategie können wir uns unseren Alltag zurückerobern?

Stand heute haben wir in Kiel insgesamt bislang 160 Infizierte. Abzüglich der bereits Genesenen sind es noch 116 Erkrankte. 18 Kieler*innen werden derzeit im Krankenhaus behandelt, ein Patient ist bislang gestorben, 394 Menschen befinden sich in Quarantäne. Von 100.000 Kieler*innen sind 65 infiziert, damit liegen wir leicht über dem SH-Durchschnitt (55) und deutlich unter dem Durchschnitt in Deutschland (110).

Mit diesen Zahlen kommt unser Gesundheitssystem noch gut klar. Wie sorgen wir dafür, dass das so bleibt?

Interessant ist die Entwicklung der letzten zwei Wochen:
Zwar steigt die Zahl der Infizierten noch immer stetig an, aber die Dynamik lässt nach: in der letzten Woche stieg die Zahl von 100 auf 160, in der Woche davon von 39 auf 100, die Zuwächse in absoluten Zahlen sind also fast identisch. Optimistischer stimmen die prozentualen Zuwachsraten: Lag die durchschnittliche tägliche Zuwachsrate in der vorletzten Woche noch bei 14,2 %, hat sie sich in der letzten Woche mit ca. 7 % mehr als halbiert! Die Hoffnung ist, dass wir in den nächsten zwei Wochen mindestens eine weitere Halbierung hinbekommen auf ca. 3 % oder niedriger.

Wenn (WENN!) wir das schaffen, dann könnten wir ab dem 20. April oder spätestens ab Anfang Mai die derzeitigen Beschränkungen nach und nach abbauen, immer vorausgesetzt, dass bei dann möglicherweise wieder steigenden Infektionszahlen die Überlastung der Krankenhäuser sicher verhindert wird.

Um zu entscheiden, was gelockert werden kann und was beschränkt bleiben muss, hilft das juristische Prinzip der Verhältnismäßigkeit: Welche Beschränkungen sind wirklich erforderlich oder könnten auch durch „mildere Mittel“ abgelöst werden? Welche Beschränkungen sind nicht mehr angemessen, weil Kosten und Nutzen in keinem vernünftigen Verhältnis (mehr) stehen?

Beschränkungen der Lebensqualität und der Wirtschaft, die besonders gravierend sind, die aber für die Infektionsverhinderung weniger bedeutsam sind, sollten zuerst aufgehoben werden, Dinge mit hohem Infektionsrisiko und nicht zentraler Bedeutung für unseren Alltag (z.B. Freizeitveranstaltungen mit tausenden Menschen auf engem Raum) müssen noch länger untersagt bleiben. Dazwischen gibt es viele Zweifelsfälle, über die wir in den nächsten Wochen intensiv diskutieren müssen.

Aus meiner Sicht bedeutet das: Spielplätze, Strände und Parks, Sportboothäfen, Cafes, Restaurants und Geschäfte könnten relativ bald wieder geöffnet werden, wenn durch gesicherten Abstand und Hygiene das Ansteckungsrisiko in Schach gehalten wird.

Wichtig wäre, Kitas und Schulen schnell (ggf. schrittweise) wieder zu öffnen, weil Betreuung und Bildung gerade für Kinder aus benachteiligten Familien besonders wichtig sind und die Eltern dann wieder zur Arbeit gehen könnten – unter welchen Bedingungen das zu verantworten ist, ist sicher eine der schwierigsten Fragen, für die wir guten Rat der Expert*innen brauchen. Dasselbe gilt für die Aufhebung des strengen Kontaktverbotes, das einerseits eine der stärksten Freiheitsbeschränkungen und andererseits eine der wichtigsten Eindämmungsmaßnahmen ist.

Schwierig ist es auch bei Konzerten, Kino, Theater, Sportevents: Für die Veranstalter ist es natürlich eine existenzielle Notlage, wenn diese Aktivitäten noch länger untersagt bleiben, aber die Ansteckungsgefahr ist erheblich und die Einbußen an Lebensqualität vergleichsweise gering. Hier wird gelten müssen: Better safe than sorry – verbunden mit finanziellen Rettungsschirmen.

In der Summe wird die allmähliche Rückkehr des Alltags gewiss die Ansteckungsgefahren erhöhen. Deshalb wird es notwendig sein, an anderer Stelle mehr zu tun oder besser zu werden.

Es braucht einen Strauß weiterer Maßnahmen, die unseren Alltag nicht so stark beeinträchtigen, aber mithelfen, schweren Erkrankungen und Todesfälle niedrig zu halten:

– Weiterer Ausbau der Testkapazitäten und noch schnelleres Ermitteln und Isolieren von Infizierten und Verdachtsfällen

– Freiwilliges Verwenden von Mund- und Nasenschutz und der neuen Tracking-App, mit der Kontaktpersonen von Infizierten schnell informiert werden können

– Beschaffung ausreichender Schutzausrüstungen (Masken etc.) für Krankenhäuser, Arztpraxen, Alten- und Pflegeheime

– Ermittlung von immunisierten Menschen durch Antikörpertests

– Die Verbesserung der medizinischen Behandlungsmöglichkeiten aufgrund der gegenwärtigen weltweiten Erfahrungen und Forschungen, evt. Einsatz von existierenden Medikamenten auch bei Covid-19-Patienten

All das macht deutlich:
Es besteht Grund zu vorsichtigem Optimismus; wie schnell wir Beschränkungen aufheben können, hängt von vielen unsicheren Faktoren ab, besonders aber von unserer Bereitschaft, weiter unseren individuellen Beitrag zur Eindämmung der Infektionen zu leisten.

Es gibt nicht den einen, glasklaren Weg aus der Krise. Expertenrat ist wichtig, aber in den nächsten Wochen müssen wir als Gesellschaft auch eine politische Diskussion führen, welches der beste Weg ist. Dieser Post ist mein kleiner Beitrag dazu.

Was meint Ihr dazu?” Ende des Zitats.

(Foto: Susanne Jutzeler)

Weiterlesen:

https://www.facebook.com/ulf.kaempfer

https://www.kn-online.de/Kiel/Corona-in-Kiel-Ulf-Kaempfer-fordert-Debatte-ueber-Lockerung-der-Einschraenkungen

Sonne am Corona Himmel

Sonne am Corona Himmel

Gastbeitrag. Man kann derzeit schon in eine depressive Gemütslage kommen bei all den Meldungen über die derzeitige Stimmung in den Medien. Schön ist immer noch der Einkauf auf dem Wochenmarkt. Die Menschen wissen das beste aus der Zeit zu machen und verhalten sich entsprechend der vorgegebenen Regeln.

Das Schöne ist der autofreie Wochenmarkt. Um größere Abstände zwischen den Ständen zu erreichen, sind die freien Parkplätze entfernt worden. Das hat das Ende es ewigen Hupens um das Wetteifern um den begehrten Parkplatz zur Folge. Wo auch immer, eine Ruhe, eine Entschleunigung ist zu vernehmen.Beim Radeln die Holstenstraße hoch sah ich dieses Schild. Stellt doch ein Schelm eine Verbindung zwischen knapper gewordenen Hygiene Artikeln und dem Trend der Privatisierung im Gesundheitswesen her und bekennt sich dann auch noch zur Occupy Kiel Bewegung. Sehr viel Wahres dran.

Der nächste Sonnenstrahl trifft das geschlossene Primark Gebäude. Sicher sind derzeit fast alle Geschäfte in der Holstenstraße geschlossen, aber diese Schließung gibt besonders den Herstellern und der sozialen Umgebung in den Urspungsländern Hoffnung. Vielleicht besinnt sich auch dieser Konzern auf seine Verantwortung, ein erneutes Aufflammen der Krise nach Lockerung der Maßnahmen durch globale Gerechtigkeit zu verhindern, dieser Konzern hat die Möglichkeiten dazu.

Ein bewundernswertes soziales Engagement ist vor der (Kaiser-) Treppe des Bahnhofes zu beobachten: Eine Suppenküche von Edeka Ristow aus Mönkeberg versorgt hungernde Menschen. Und endlich keine Frage nach dem Bedürftigkeits-Beschied mehr. Der Einzige , der nach dem Preis der Speisung fragt, wird mit den Worten: „was es dir wert ist“ bedient.

Ich finde, wir brauchen Gedanken über den Wert von Lebensmitteln und das Wort „Lebensmittel“ einmal ganz langsam und ruhig aussprechen. Wenn wir die Praxis in Orten wie Kampen auf Sylt, Ischgl in Österreich und dem Fürstentum Monaco,in denen große Mengen der hochwertigsten Lebensmittel immer noch vernichtet werden mit den auf tragische Weise geschlossenen Tafeln vergleichen, in denen immer noch Speisen gegen Bedürftigkeits Bescheid abgegeben werden, so komme ich zu dem Schluß, das Lebensmittel IM DURCHSCHNITT kostenfrei sind.

Der Markt bestimmt ganz sicher den Preis nicht, nur die Konzerne mit Werbung und Preis-Manipulation durch Vernichtung setzen ihren maximalen Profit durch. „No need for gread or hunger“, dichtete mal ein berühmter Komponist. Auch hier gilt es, aus der Krise zu lernen und uns bereits jetzt auf ein künftiges Verhalten zugunsten der uns von der Erde nur überlassen Lebensmittel-Produktion ein zustellen.

Keine beatmungsgeräte?
Keine Beatmungsgeräte, Krankenhäuser privatisiert: Zusammenhang?

Alle diese Beobachtungen können, wenn es denn ein erfreuliches Leben nach der Krise gibt, zum Denken und Verändertem Handeln Anlaß sein, wenn der Einzelne möchte

von Ulrich Hühn

Kieler Helden: Versorgung in der Coronakrise

Die Initiative Kieler Helden hat sich vorgenommen, Personen, die zur Zeit wegen der Coronakrise nicht einkaufen können, mit Lebensmitteln und Dingen des täglichen Lebens zu versorgen – ein Unterfangen mit einer nicht ganz einfachen Logistik. Morgen wird die Website wahrscheinlich freigeschaltet für die ersten Bestellungen. Freiwillige können sich schon seit einigen Tagen registrieren, 160 haben das schon getan (Stand heute nachmittag).

Die Initiator*innen sind Leute, die einen Schreibtisch im Co-Working Büro Fleet 7 gemietet haben. Sie arbeiten im Marketing, im Public Relations, in der Informatik oder in der Politik. Heute liegt das Projekt in den letzten Zügen. Der Stapellauf ist für morgen, den 1. April geplant, sagt die Sprecherin Theresa Leinkauf.

Wie bestellt man auf Kieler Helden?

Die Bestellung läuft wie in einem Online-Shop. Man sieht eine Liste mit Artikeln und maximalen Preisen. Die Artikelangaben werden einfach gehalten, 500 Gramm Spagetti oder Kilo Bananen. Es wird also keine Möglichkeit geben, eine bestimmte Marke zu wählen. Rückgaberecht gibt es auch nicht. Aber dafür wird kostenlos geliefert – von den Freiwilligen. Die Ware wird im kooperierenden Einzelhandel eingepackt.

Wie wird bezahlt?

Wie in einem Online-Shop mit Konto- oder Kreditkarte. Die Initiative bastelt aber auch an einer Möglichkeit, auf Rechnung zu bestellen, weil viele Senior*innen mit den technischen Anforderungen der Online-Bezahlung nicht klar kommen oder kein Vertrauen haben. Bei Bezahlung auf Rechnung müsste aber ein Lieferschein unterschrieben werden, was wegen der Kontaktsperre gerade vermieden werden soll. Aus dem gleichen Grund wird keine Barzahlung möglich sein. Es soll anderseits auch möglich sein, für andere zu bestellen, etwa wenn du betagte Verwandte in Kiel hast, die nicht selber bestellen können.

Knotenpunkt der Logistik ist der Hörnparkplatz

Die Bestellungen werden von den kooperierenden Einzelhandelsunternehmen eingepackt und zur Logistikzentrale auf dem Hörn-Parkplatz (Nähe Hörnbad) gebracht. Von dort holen sich die Freiwilligen die Pakete und stellen sie den Empfänger*innen vor die Tür. Die Pakete werden nach Postleitzahlen vorsortiert . Gerne können auch Freiwillige mit Fahrrad , besser noch Lastenfahrrad hier mitmachen. Ein eigenes Auto ist natürlich noch praktischer.

Das könnte ein große Sache werden, die wirklich hilfreich ist für Menschen, die aufgrund ihres Alters, einer Vorerkrankung, wegen Quarantäne oder aus Gründen gerade nicht für sich selber einkaufen können.

Weiterlesen: https://www.kielerhelden.de/

Versorgungszaun für Obdachlose

Corona-Update 29.März

Am Freitag erreichte die gemeldete Anzahl an Corona-Infektionen die Zahl 100. Das sind etwa doppelt so viele als vor einer Woche und 26 mehr als am Vortag. Todesfälle wegen Corona gab es noch nicht in Kiel. Wie viele Infizierte mittlerweile wieder geheilt sind, wird statistisch nicht erfasst.

Als ich am Freitag Nachmittag in der Kieler Innenstadt unterwegs war, zeigte sich mir eine fast ausgestorbene Stadt. Alle Cafés und Restaurants geschlossen, wenig Menschen unterwegs. Vor einer Eisdiele beobachtete ich dann doch eine Menschenschlange. Insgesamt hat sich das öffentliche Leben aber von der Straße weitgehend zurückgezogen.

Für Aufregung sorgte eine positiv getestete Mitarbeiterin der Frühchen-Station am Städtischen Krankenhaus. Wegen diesem Vorfall wurde die Geburtshilfe vorübergehend geschlossen. Ein Krisenstab ermittelte Kontaktpersonen, die zum Glück negativ getestet wurden. Am Montag Nachmittag wird die Geburtshilfe wieder öffnen dürfen. KN-Bericht.

Eine Initiative namens Kieler Helden, bei der selbstverständlich auch Frauen mitmachen dürfen, befindet sich im Aufbau. Es geht darum, dass die Held*innen für Leute einkaufen gehen, die das zur Zeit nicht selber können. Zielgruppe sind Personen, die unter Quarantäne stehen oder zu einer Risikogruppe gehören oder als medizinisches Personal keine Zeit zum Einkaufen haben. Wer gerne als Helfer*in mitmachen möchte, kann sich jetzt schon melden: www.kielerhelden.de. Eingekauft wird beim Kieler Einzelhandel, dafür wird zur Zeit eine komplizierte Logistik aufgebaut. Ganz unkompliziert läuft dagegen in vielen Fällen die Nachbarschaftshilfe unter Leuten, die sich kennen.

Versorgungszaun für Obdachlose

(Nachtrag von 27. März: Die Spendensammlung an der Hörnbrücke wurde im Auftrag der Stadt beendet. )

Zur Zeit verwandelt sich der Zaun an der Hörnbrücke zu einer Spendensammlung für Obdachlose: der Versorgungszaun. Als ich heute um etwa 12 Uhr vorbeischaute, bot sich mir folgendes Bild: Vor dem Zaun lagen Plastiksäcke und Tüten, teils waren sie auch am Zaun festgebunden. In einem steten Strom brachten Leuten Spenden oder nahmen sie mit. Die Obdachlosen nehmen dieses Angebot an.

Das Foto zeigt zwar eine eher menschenleere Szene, das lag aber daran, dass ich keine Obdachlosen fotografieren wollte. Die Frau auf dem Foto ist eine Freiwillige, die hier regulierend eingreift. Sie achtet darauf, dass alles ordentlich aussieht, sortiert verschimmelte Lebensmittel aus und schickt Leute, die Kleidung bringen, wieder fort.

Im Gespräch mit dieser Freiwilligen und einigen Obdachlosen verschaffte ich mir einen Eindruck, welche Art von Spenden erwünscht sind:

  • An erster Stelle stehen Hygiene-Artikel. Die Obdachlosen freuen sich sehr über Duschgel, Creme, Zahnbürste, Zahnpasta, und nehmen auch gerne eine Rolle Klopapier.
  • An zweiter Stelle stehen Lebensmittel, die direkt gegessen werden können, vor allem Obst, aber auch Brötchen oder Weißbrot .
  • Dosensuppen werden gerne genommen! Ich lernte, dass sich viele Obdachlose auf dem Campingkocher etwas warm machen.

Kleidung soll nicht mehr gebracht werden. Auch eher ungünstig sind Butter und Aufschnitt und alle Artikel, für die man einen Kühlschrank bräuchte.

Dank der freiwilligen “Ordner” sieht alles tagsüber sehr geregelt aus. Nachts würden dann die Junkies kommen, und danach würde es wie ein Schlachtfeld aussehen. Da waren sich meine Gesprächspartner*innen einig, ich selber habe es nicht überprüft.

Auf dem Weg durch Kiel sprach ich mit einigen Bettlern, die von dieser Spendensammelstelle nichts wussten. Erzählt es weiter! Wichtig ist aber, sich klar zu machen, dass Obdachlose und Bettler*innen noch andere Bedürfnisse haben, für die sie Geld brauchen.

Das Ordnungsamt duldet diesen Versorgungszaun. In der Corona-Krise, wo die Tafeln geschlossen haben und weniger Menschen unterwegs sind, die mal etwas Kleingeld in den Hut werfen würden, kann diese spontan entstandene Spendenaktion die Not lindern.