Vortrag von Rolf Fischer

Kiel in den 70er Jahren

Kiel in den 70er Jahren, das war das Thema eines Vortrags von Rolf Fischer am 10. August im Zukunftslabor „raum-x“ in der Kundenhalle der Kieler Nachrichten. Rolf Fischer ist Vorsitzender der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte und Autor der Biografie „Kiel & die 70er: Günther Bantzer und der Beginn unserer Gegenwart“. Etwa 50 Personen besuchten den Vortrag und viele beteiligten sich an der lebhaften Diskussion im Anschluss.

Die 70er Jahre waren eine Zeit rasanter Veränderung in Kiel. Die 1968 angestoßenen Veränderungen in der Gesellschaft wirkten sich auch in Kiel aus. War Kiel in den 50er Jahren noch „die aufgeräumteste Stadt Deutschlands“, kamen nach 68 andere Themen auf das Stadtpflaster: Frauen, Frieden, Anti-Atom, Ökologie.

Rolf Fischer beschrieb die Veränderungen, die der Oberbürgermeister Günther Bantzer ab 1965 in Kiel auf den Weg brachte, mit drei Stichworten: Demokratisierung, Neuausrichtung von öffentlichen Plätzen und Internationalisierung.

Ortsbeiräte sind quasi eine Kieler Erfindung

Ortsbeiräte sind die untersten Gremien im politischen Prozess: Hier werden alle großen Projekte vorgestellt und interessierte Bürgerinnen und Bürger dürfen mitdiskutieren. Kiel hat noch heute die größte Dichte an Ortsbeiräten. Der Beginn dieser Institution liegt in den 70er Jahren.

Oberbürgermeister Günther Bantzer pflegte einen neuen Politikstil, so berichtet es Rolf Fischer. Er diskutierte mit Protestierenden, suchte den Dialog.

Der öffentliche Raum als Ort der Kommunikation

Zentrale Plätze von Kiel waren damals nicht weiter gestaltet. Es waren Freiflächen, auf denen Autos abgestellt werden konnte. Etwa auf dem Rathausplatz und dem Alten Markt. Dass Plätze auch Orte der zwischenmenschlichen Begegnung sein können, war eine progressive neue Vorstellung. Die Pavillons auf dem Alten Markt entstanden 1972. Der Rathausplatz wurde 1972 umgestaltet. Zur Kieler Woche 1968 entstand der Europaplatz mit seinen Steinwellen. Auch die Fußgängerzone war Ausdruck eines neuen Verständnis des öffentlichen Raums als Ort der Kommunikation. Ein mutiger Neubau war der Glaskasten am Theater. Kiel bekam zwei neue Museen: das Schifffahrtsmuseum und den Warleberger Hof. Gegen viel politischen Widerstand wurde die erste Gemeinschaftsschule in Friedrichsort aufgebaut. Schon 1965 wurde der neue Stadtteil Mettenhof gebaut. Rolf Fischer beendete seinen Vortrag mit drei Wünsche:

  • mehr urbane Utopie
  • mehr Orientierung durch die Politik
  • schnelle Umsetzung erster Schritte

Braucht Kiel eine Utopie, und wenn ja, wie viele?

In der Diskussion wurde schnell klar, dass es zur Zeit keine einheitliche Utopie gibt. Unterschiedliche Gruppen haben unterschiedliche Vorstellungen, wobei die Politik eher als wenig visionär empfunden wurde. Sehr interessant war der leidenschaftliche Einwurf einer Architektin, die sich eine Individualisierung der Architektur wünscht. In den letzten Jahren wären Gebäude entstanden, die irgendwo in Deutschland stehen könnten und es wahrscheinlich auch tun (Hampton by Hilton!). „Wir setzen nur Briefmarken hin“, sagte sie. Sie bezeichnete ausgerechnet die 70er Jahre als den Zeitpunkt, wo die Wirtschaft die Politik übernahm. Interessanter Gedanke!

Der „raum-x“ ist eine Foto-Ausstellung und ein Zukunftslabor, wo du deine kreativen Vorstellungen in Bezug auf Kieler Plätze zu Papier bringen darfst. Verantwortlich für das Projekt ist eine Intitiative mit dem netten Namen „C20: Institut für transformative Utopie“. Homepage: https://c-20.de/

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2019: Networking für C20

Über Rolf Fischer

2 Gedanken zu „Kiel in den 70er Jahren“

  1. Ich habe drei Gedanken. Die „Briefmarke“ Hampton by Hilton ist ein Jahrzehnte lang umstrittenes Projekt, was zuletzt von allen Fachgremien abgelehnt wurde und dann ganz schnell gebaut wurde. Die Wirtschaft hat also die Politik übernommen. Die Ortsbeirat führen keinesfalls die Menschen an die Politik. Die Fahrradstreifen in der Preetzer Straße sind toll. Sie sind jahrelang vom Ortsbeirat abgelehnt worden und jetzt einfach schnell gemalt worden und werden nun Radfahrer anlocken. Die Gestaltung des alten Marktes ist furchtbar. Beton und Glas statt grün und Sitzgelegenheiten. Die Chance des Abrisses ist vor einigen Jahren vertan. Und dann mein Beispiel von katzheide, das Herrn Fischer offenbar nicht gefiel

    1. Bei der „Briefmarke“ Hampton by Hilton hat sich die Wirtschaft durchgesetzt, das sehe ich auch so!….Ich hatte mich gefreut dass du Katzheide erwähnt hast. Da hatten die Bürger die bessere „Vision“!

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