Widerhaken, ein Mitgliederladen in der Kieler Innenstadt

33 Jahre Widerhaken

Der Widerhaken, ein Naturkostmarkt für biologische Nahrungsmittel und Kosmetik, existiert seit 33 Jahren in der Kieler Innenstadt. Ein gutes Thema für diesen Blog, dachte ich. Zu meiner Überraschung bedurfte es einiger Überredungskunst meinerseits, bevor der Geschäftsführer bereit war, mit mir zu sprechen. Denn diese Institution hat vor 25 Jahren die Entscheidung getroffen, keine Öffentlichkeitsarbeit zu machen. Daran soll auch im Jubiläumsjahr nicht gerüttelt werden, zumal es einen Aufnahmestopp gibt, und man niemanden enttäuschen möchte. Mein Argument für ein Gespräch überzeugte dann aber doch: In Kiel floriert ein ganzes Netzwerk an größeren und kleineren alternativen Initiativen, die zum Teil gar nicht auf sich aufmerksam machen. Sie sind aber ein nicht unwichtiger Teil von Kiel und darüber sollte auch berichtet werden.

Der Naturkostmarkt liegt in einem Innenhof. Auf drei Räume verteilt wird ein Komplett-Angebot an ökologischen Lebensmitteln und Kosmetik bereitgestellt. Rote Linsen, Milchreis, Naturreis und viele andere Trockenwaren sogar unverpackt. Eine Apparatur mit Tonnen und angehängten Schaufeln lädt zum Selber-Abpacken ein.

Regionale Naturkost für einen begrenzten Kundenstamm

Der Widerhaken ist ein reiner Mitgliederladen mit zur Zeit circa 700 Mitgliedern. Der Co-Eigentümer und Geschäftsführer Christian Eilers (64) versucht punktgenau einzukaufen, und das gelingt bei einem festen Kundenstamm besser als in einem Laden mit Laufkundschaft. Es sagt über seinen Alltag: „Es ist immer noch anarchisch, jeder Tag ist anders, aber doch ganz gut planbar.“

Der Widerhaken bezieht die Lebensmittel zum Teil direkt von Erzeugern aus der Region. „Zum Beispiel Hof Seekamp in Löptin, die bauen für uns Kartoffeln an.“

Eine Ausweitung ist nicht angedacht, das geben die Räumlichkeiten nicht her. In der Corona-Zeit wurde sogar das Lager zum Verkaufsraum umgestaltet, seitdem ist Lagerhaltung eigentlich nicht mehr möglich. Die Begrenzung der Mitgliederzahl ist auch deshalb geboten, weil das Vertrauen besonders wichtig ist, denn hier wiegen die Leute ihre Ware selber ab.

Der Mitgliedsbeitrag von zur Zeit 16 Euro im Monat für jeden Erwachsenen deckt die Fixkosten wie etwa Miete und Versicherung. Die Waren können deshalb vergleichsweise günstig kalkuliert werden . Der Mitgliedsbeitrag ist zudem ein Anreiz, möglichst viel hier zu kaufen, damit es sich rentiert.

Ich beobachte einen Mann mit Kind, der Großeinkauf macht, und komme mit ihm ins Gespräch. Er kauft alles hier, und beginnt, mir vorzurechnen, warum sich das lohnt. Eine Großpackung Müsli kostet zwei Euro weniger als in einem bekannten Bioladen, die Erdbeeren kosten nur 4,50 Euro für 500 Gramm, und so weiter. Und es schmeckt, sagt der Sohn.

Widerhaken: die Historie

Angefangen hat alles im Dezember 1989. Nach einem Jahr des Aufbaus war der Laden existenzfähig. Damals fiel schon der Entschluss, den Mitgliederstand bei etwa 700 einpendeln zu lassen.

Die Corona-Pandemie war eine anstrengende Zeit, berichtet Christian, der seit der Gründung dabei ist. Er empfand diese Periode als stärkste Zensur, was Ideologie betraf, weil es gravierende Unterschiede in der Einschätzung der Pandemie gab. Einige Kunden waren Impfskeptiker, wollten keine Masken tragen. Es kam zu Szenen mit Geschrei im Laden.

Die derzeitige Inflation und die Lieferketten-Engpässe sieht er noch relativ gelassen.

Für Christian geht es langsam in Richtung Rente. Er sagt, er hat sich keine goldene Nase verdient, aber es war eine erfüllende Tätigkeit, und es besteht Hoffnung, dass das Geschäft in der Familie bleibt!

Von der Optik her strahlt der Widerhaken den Charme der Hippie-Bewegung aus, liebenswert anarchisch und mit vielen lustigen Bastel-Einfällen. Besonders gefiel mir dieses Sieb am Türknauf in Form eines Corona-Virus, daneben die Flaschen am Schrubber zum Hände-Desinfizieren!

Einkaufsgemeinschaft Widerhaken

Auf die nächsten 33 Jahre!

Adresse und Zeitpunkt der internen Jubiläumsfeier werden an dieser Stelle nicht bekannt gegeben, aus oben genannten Gründen.

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2 Gedanken zu „33 Jahre Widerhaken“

  1. Ein sehr guter und wichtiger Artikel, denn das Thema , Lebensmitteln allen und günstig zugänglich zu machen ist wichtig. Ich habe jemals den Zugang zu diesem System verpasst, kann aber die Gedanken der nicht Veröffentlichung verstehen. So gibt es Schutz gegen Vollpfosten. Es gibt eine große Gemeinschaft von Reste Rettern und hervorragenden Einkaufsmöglichkeiten, sodass die drei großen Discounter ketten mit ihrem Alibi Bio Ecken wirklich überflüssig sind

    1. Ich finde es auch toll, dass diese Einkaufsgemeinschaft so gut läuft, und das schon seit 33 Jahren! Es gibt noch mindestens zwei weitere ähnliche Läden in Kiel, ist ein gutes System.

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