Sprachtreff von “Kiel hilft” im Wandel der Zeit

Normalerweise treffen sich dienstags (17-19 Uhr) etwa 40 Personen zum Sprachtreff in der Begegnungsstätte, um Deutsch zu üben. Als ich gestern zu Besuch kam, waren weniger Leute da, weil Ferien sind. Diese Fluktuation ist jedoch kein Problem, denn das Angebot funktioniert nach dem “komm, wann du magst”-Prinzip. Einige Geflüchtete besuchen den Sprachtreff regelmäßig drei mal wöchentlich, andere nur alle paar Wochen einmal. Auch die Helfer*innen können kommen, wie sie Zeit haben. Zum Teil bilden sich dennoch feste Gruppen, ansonsten werden sinnvolle Gruppen spontan zusammengestellt. Das Verhältnis Helfer*innen zu Lernenden ist etwa eins zu fünf.

Der Sprachtreff im Wandel der Zeit

Ilona Pagel, 1. Vorsitzende vom Verein “Kiel hilft” ist die gute Seele der Veranstaltung. Sie kocht Kaffee, schenkt Wasser aus, begrüßt die Ankommenden herzlich, und hat für alle Probleme ein offenes Ohr. Für mich hatte sie gestern auch Zeit, um über Veränderungen in der Flüchtlingshilfe zu sprechen. “Wir ernten jetzt, was wir gesät haben,” sagte sie. Die meisten Geflüchteten, die 2015/16 kamen, sprechen mittlerweile passabel Deutsch, manche sogar sehr gut! Viele machen Ausbildungen oder arbeiten. Jetzt geht es mehr um Probleme bei der Wohungssuche, der Jobsuche und um Hilfe bei Anträgen aller Art. Die juristischen Probleme beschäftigen manche auch weiter. Nicht alle haben schon die “Anerkennung” erhalten, einige wurden abgelehnt. Die Refugee Law Clinic, die eine regelmäßige Sprechstunde in der Begegnungsstätte anbietet, kann hier beraten.

Der Sprachtreff in einem historischen Gebäude

Das alte Backstein-Gebäude mit Eingängen in der Waisenhofstraße und am Kleinen Kuhberg hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Bevor es 2015 eine Flüchtlingsunterkunft wurde, diente es als Turnhalle und Schulmuseum. 2015 wohnten hier etwa 100 Geflüchtete. Seit zwei Jahren nutzt der Verein Kiel hilft das Gebäude. Es war eine große Enttäuschung, als die Turnhalle von der Stadt plötzlich für das Zentrum für Baukultur vorgesehen wurde. Der Verein bekam zum Ausgleich drei große Räume im gleichen Gebäude, die auch sehr schön sind , vor allem nachdem der Verein in Eigenleistung neue Fußböden gelegt hat. Seit März findet der Sprachtreff hier statt. Der neue Eingang ist am Kleinen Kuhberg 14 .

Einige Unterhaltungen mit Flüchtlingen zeigen mir die Vielfalt der Möglichkeiten, hier Deutsch zu üben.

Ich setzte mich zurerst zu zwei syrischen Kurden, die miteinander übten. Der eine strebt schon das Niveau C1 an, das für ein Studium vorausgesetzt wird. Er hat sich an der CAU für den Masterstudiengang “Migration und Diversität” beworben. Heute hilft er seinem Landsmann, der noch nicht so gut Deutsch spricht, bei den Hausaufgaben. Auch diese Variante kommt also vor: Flüchtlinge, die einander helfen. An einem anderen Tisch lesen ein Eriträer und ein Deutscher gemeinsam ein Buch aus der kleinen Bibliothek des Sprachtreffs . Neben der Büchersammlung gibt es übrigens auch eine große Spielesammlung, damit das Lernen nicht zu ernst wird. An einem anderen Tisch übt sich eine größere Gruppe in deutscher Konversation.

Während sich Paare und Gruppen bilden, braucht der blinde Hichan aus Marokkko erst einmal seine Ruhe, um seine Braille-Zeile aufzubauen. Dieses Gerät samt Übersetzungsprogramm kostet etwa 4000 Euro, und Hichan ist dankbar, dass die Versicherung es finanziert hat. Für Blinde ist die Braille-Zeile eine unglaubliche Bereicherung, denn damit ist es möglich, jeden Text aus dem Internet zu lesen. Hichan zeigt mir, wie es geht. Er schließt das Gerät an den Laptop an und wählt einen Text. Ich sehe , wie sich Noppen auf der Braillezeile heben und senken. Der Text wird so abgebildet und kann mit den Fingerkuppen ertastet werden. Hichan würde gerne eine Maßnahme speziell für Blinde finanziert bekommen, was aber nicht möglich ist, weil er noch keine Anerkennung hat. Solange besucht er einen regulären Sprachkurs und macht seine Hausaufgaben mit Hilfe der Braille-Zeile .

Helfen ist eine Bereicherung für alle

Ilona Pagel sagt, zu ihren schönsten Erfahrungen gehören nicht nur die Erfolge der Geflüchteten, sondern auch das Glück der Helfenden. Das ehrenamliche Engagement macht Spaß, ist immer interessant und führt zu neuen Bekanntschaften. In diesem Zusammenhang kann auch die Umbenennung des Vereins gesehen werden. Der Verein hieß ursprünglich “Kiel hilft Flüchtlingen” . In der Flüchtlingskrise 2015/16 war dieser Verein maßgeblich daran beteiligt, die Spenden für die eintreffenden Geflüchteten zu koordinieren. Jetzt heißt der Verein aber “Kiel hilft” , denn es geht nicht nur darum, dass Deutsche den Flüchtlingen helfen. Es geht darum , dass alle allen helfen. Vor allem die Flüchtlinge wollten nicht nur als Empfänger von Hilfe gesehen werden, sondern selber helfen. Zuletzt waren sie zahlreich engagiert bei der Betreuung des Infostandes während der Kieler Woche. Der Verein und mit ihm die Geflüchteten engagieren sich auch für die Aktion “Frühstück für Obdachlose und ihre Vierbeiner “ am Bahnhof.

Infos

Begegnungsstätte “Kiel hilft” Kleiner Kuhberg 14 : Sprachtreff jeden Dienstag, Mittwoch und Freitag von 17 Uhr bis 19 Uhr. Projekte von Kiel hilft

2 Gedanken zu „Sprachtreff von “Kiel hilft” im Wandel der Zeit“

  1. vielen Dank für den Bericht. Natürlich gehört zu unserer Begegnungsstätte nicht nur der offene Sprachtreff sondern auch ein wöchentlicher Nähtreff, eine Fahrradwerkstatt, ein Kochtreff im Stadtteil Gaarden, ab August wird eine Neu-Kielerin ein Kurs “Spanisch für Anfänger” geben. Hier kann sich Jede/er mit seinen Talenten einbringen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert