Der „Kleingärtnerverein Kiel e. V. von 1897“ (KGV 1897) stellt mit über 2400 Gärten und einer Gesamtfläche von mehr als einer Million Quadratmetern einen der größten Kleingärtnervereine Deutschlands dar. Die Verwaltung dieses riesigen Vereines liegt in den Händen eines kleinen ehrenamtlich arbeitenden Vorstandes, und es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, wieviel Arbeit und Anstrengung eine solche Aufgabe bedeutet.
Im Sommer dieses Jahres schlugen sich einige dieser Anstrengungen in einer Reihe von Artikeln in den „Kieler Nachrichten“ nieder, in denen dem arglosen Leser zunächst vermittelt wurde, die „Ausländer“ unter den Pächtern stellten ein besonders großes Problem für die Arbeit des Vorstandes dar, sodann wurde etwas unspezifischer über die „vielen Rechtsverstöße“ in den Kieler Kleingartenanlagen lamentiert. Allerdings muß man sich dabei die Frage stellen, ob tatsächlich die Achtung der Kieler Kleingärtner gegenüber Recht und Ordnung den Bach heruntergeht, oder ob nicht vielmehr die Kriterien, was als Verstoß und Regelverletzung zu werten ist, allmählich immer weiter verschärft werden.
Vorauseilender Gehorsam
Jedenfalls scheint die Kieler Stadtverwaltung entschlossen zu sein, die bestehenden Regeln mit maximaler Strenge anzuwenden; auf diesem Blog wurde kürzlich über die systematischen Kontrollgänge der Stadt berichtet (hier). Nun reagiert offenbar der Vorstand des KGV 1897 auf diesen Druck seitens der Stadt, indem er seinerseits zusätzliche Kontrollen der Gärten durchführt. Das könnte durchaus sinnvoll sein, um die Vereinsmitglieder besser gegen ungerechtfertigte Beanstandungen seitens der Stadt schützen zu können. Leider scheint aber das Gegenteil einzutreten, soll heißen, der KGV 1897 kontrolliert oftmals noch schärfer als die Stadt, quasi im Sinne eines „vorauseilenden Gehorsams“.
Feldwebelton und Inkompetenz
Es wurde wiederholt berichtet, daß solche Kontrollen – seitens bestimmter Mitglieder des Vorstandes des KGV 1897 wohlgemerkt – mit aggressivem Feldwebelton, teils in Kombination mit fachlicher Inkompetenz, durchgeführt wurden. Ein Gartenpächter berichtete, daß bei ihm gängige Nutzpflanzen (etwa Rauke) und Bodenbedecker als Unkraut eingeordnet wurden. In anderen Fällen erhielten Pächter Mahnbriefe, nachdem sie nur wenige Monate zuvor stark verwahrloste und vermüllte Parzellen übernommen hatten . Siehe auch „Unfreiwillige Archäologen“
Für manche Mißstände wurden Fristen von nur wenigen Wochen gesetzt – die sich aber mit den Sommerferien überschnitten, was fristgerechte Erledigung zusätzlich erschwerte. Die Geschäftsstelle des KGV 1897 war während der Ferien geschlossen, so daß klärende Rückfragen oder Bitten um Aufschub nicht möglich waren. Manche Pächter sind durch die ständigen, oft als ungerechtfertigt empfundenen Vorwürfe und Mahnungen so gestresst, daß sie daran denken, ihren Garten aufzugeben.
Dauerbrenner Heckenschnitt
Die maximal zulässige Höhe der Hecken stellt zuverlässig einen Dauerbrenner für Mahnungen und Meinungsverschiedenheiten dar. Die Kieler Gartenordnung legt sie pauschal auf 1,20 Meter fest, ohne weitere Detailbestimmungen. Früher haben die Pächter also ihre Hecken ein- oder zweimal im Jahr auf diese Höhe heruntergeschnitten, aber sie ließen sie während der Brutsaison, von Anfang März bis Ende September, in Frieden wachsen. Nun soll laut Mitteilung des KGV 1897 gelten, daß die Hecke zu jedem Zeitpunkt die Marke von 1,20 nicht überschreiten darf. Juristisch belesene Pächter haben darauf hingewiesen, daß man sich bei Befolgung dieser Anordnung vermutlich sogar strafbar machen würde. In einem extremen Dürresommer wie dem diesjährigen kommt hinzu, daß man bei rücksichtslosem Rückschnitt Gefahr läuft, die Heckenpflanzen komplett zu töten.
Die Ein-Drittel-Bestimmung
Eine auf das Bundeskleingartengesetz zurückgehende Bestimmung besagt, daß mindestens ein Drittel der Parzellenfläche „kleingärtnerisch“ genutzt werden muß, also für den Anbau von Obst und Gemüse. Früher bestand zwischen der Stadt und den Kieler Vereinen die – ungeschriebene – Abmachung, daß diese Regel jeweils auf eine ganze Anlage, nicht aber auf jeden einzelnen Garten angewendet wird. Neuerdings ignoriert der KGV 1897 aber diesen sanften Ansatz und moniert in vielen Einzelfällen den angeblich zu geringen Gemüse- und Obstanbau. Dieser Vorwurf hat auch schon Parzellen getroffen, deren Anbaufläche objektiv nachweislich weit über einem Drittel liegt.
Entschuldigung vom Vorsitzenden
Axel Zabe ist seit April 2017 Vorsitzender des KGV 1897. Im Gespräch räumt er ein, daß er etwas zu hart vorgegangen sei. Er sagt, er habe sich schon in vielen Anlagen entschuldigt, und hiermit veröffentlichen wir diese Entschuldigung nochmals in schriftlicher Form.
Zabe sagt, er habe sich von der Stadt indirekt unter Druck gesetzt gefühlt, als er erfuhr, daß zwei weitere Mitarbeiter von der Stadt mit Kontrollgängen durch die Kleingärten betraut worden waren. Insgesamt kontrollieren die Ämter mit vier Mitarbeitern die Gärten. Diesen Kontrollen habe er zuvorkommen wollen, indem er selber durchgriff. Der KGV 1897 kontrollierte im Juni 2018 alle zum Verein gehörenden Parzellen; etwa 20 Prozent erhielten Mahnschreiben. Die Kontrollgänge durch die Ämter begannen erst im Juli 2018.
Somit ist die Kieler Stadtverwaltung gewissermaßen als Ursprung des Problems identifiziert, welches dann vom Vorstand des KGV 1897 zusätzlich verschärft wurde. Es erstaunt nicht, daß unter den Pächtern die Überzeugung weit verbreitet ist, die Stadtverwaltung arbeite aktiv daran, die Pächter zu vergraulen und zum Aufgeben zu bewegen. Stattdessen würde man sich wünschen, daß die Bedeutung der Kleingärten für die Attraktivität und Lebensqualität Kiels endlich wahrgenommen und betont würde. Das würde einer Stadt besser anstehen, die sich das Ziel gesetzt hat, „Klimaschutzstadt“ zu sein.
von Abu Timon und UrsulaS
In den 4 Jahren, in dem ich einen Garten in diesem Verein bewirtschafte, wurde es so gehandhabt, dass die Hecken ende Juni in Form geschnitten wurden. Ab 2017 durfte dieser Formschnitt auch schon früher im Jahr durchgeführt werden, wenn keine Vögel drin brüten.
Ein Heckenrückschnitt darf erst ab den 1. Oktober erfolgen.
Beim Hecken Formschnitt werden nur die jungen Triebe zurückgeschnitten. Beim Hecken Rückschritt wird die Hecke in ihrer Höhe korregiert.
Ich wurde letztes Jahr angemahnt meine Hecke auf 1,20 m zurückzuschneiden mit den korrekten Hinweis, dies erst ab den 1. Oktober zu machen.
Liebe Antonia, danke für den Hinweis, dass es zwei Arten von Heckenschnitt gibt. Den Formschnitt und den Heckenrückschnitt. Danke!
Die Drittelregelung bezieht sich IMMER auf die Gesamtfläche und nicht auf die einzelne Parzelle, siehe z.B. http://www.gartenfreunde-orlatal.de/resources/html-Bundesgerichtshof+definiert+Begriff.htm
Das Aktenzeichen des Urteilslautet III ZR 281/03 vom 17. Juni 2004. Online abrufbar hier: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=29606&pos=0&anz=1
Vielen Dank für den Hinweis!
Die Stadt Kiel hat kein Recht, sich als Kontrolleur aufzuspielen. Sie soll sich erst einmal selbst kontrollieren. Vor ein paar Jahren hat sie ein großes Kleingartengelände, auf dem viele Menschen liebevoll ihre Gärten gepflegt hatten und wo sie Erholung von den Strapazen ihres Alltags gefunden hatten, einem Möbelkonzern verkauft, um mehr Steuergelder zu kassieren. Auf diesem
Gelände soll dazu ein sogenannter Möbeldiscounter entstehen. Das ist ein Betrieb, der billige Wegwerfmöbel herstellt, die nicht lange halten. Dafür müssen ständig massenweise Bäume abgeholzt werden, die für den Menschen eine Lebensgrundlage sind, indem sie für ein erträgliches Klima sorgen und Luft zum Atmen herstellen.
Vorher wurde mit großem Werbeaufwand das Ergebnis einer Volksabstimmung manipuliert.
Das ist wirklich schade mit dem Prüner Schlag! Da sind über 300 Kleingärten platt gemacht worden!