Es gab letztes Jahr die Möglichkeit, eine Stellungnahme bezüglich des Bundesverkehrswegeplans einzureichen. In leicht gekürzter Form folgt hier der Text, den ich im April 2016 einreichte. Mein Appell am Ende des Textes ist zugegebenermaßen etwas unrealistisch.
Sehr geehrte Damen und Herren,
in meiner Stellungnahme richte ich mich erstens generell gegen den Bau von weiteren Autobahnen und zweitens beziehe ich auf die noch nicht gebaute A21 Stolpe-Kiel und beispielhaft auf die Auswirkung dieses Autobahnabschnitts auf die Lebenswirklichkeit in Löptin an der B404.
Die Verkehrsplanung soll die Lebensqualität verbessern, und zwar nicht nur für die Leute, die auf den Straßen fahren, sondern auch für die Leute , die an diesen Straßen wohnen. Autobahnen schneiden gleich reißenden Flüssen die anliegenden Dörfer von ihrem Umfeld ab.
Beispiel Löptin, das Dorf , in dem ich wohne. Die im Abstand von einem Kilometer an Löptin vorbeiführende B404 soll zur A21 ausgebaut werden. Löptin ist vom Abschnitt A21 Stolpe- Kiel betroffen.
Jetzt gehe ich 20 Minuten zu meiner Bushaltestelle, um nach Kiel oder in die andere Richtung zu fahren. Durch die Autobahn soll die Bushaltestelle zwischen Nettelau und Löptin verlegt werden, was für mich ein Fußweg von 40 Minuten bedeuten würde. Das ist unzumutbar. Für die Löptiner, die aus finanziellen, ideellen oder gesundheitlichen Gründen kein Auto haben, bleibt nur der Wegzug aus diesem Dorf. Auch diejenigen, die Auto fahren, machen sich Gedanken, wie es im Alter sein wird.
Die Busverbindung in die andere Richtung, nach Preetz, ist ganz rudimentär und keine praktische Alternative. Man kann also sagen, nachdem die Bushaltestelle durch die Autobahn verlegt wird, kommt man ohne Auto hier nicht mehr weg. Es ist übrigens auch kein Fahrradweg geplant. Ein Vater, der sein Kind mit dem Fahrrad ins nächste Dorf zum Kindergarten bringt, wird auf der Straße fahren müssen.
Es geht aber nicht nur um die Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz. Zur Lebensqualität auf dem Land gehört auch die Erreichbarkeit anderer Ort in der Nähe. Für Löptin spielt beispielsweise traditionell der enge Kontakt zum gegenüberliegenden Ort Nettelsee eine wichtige Rolle. In Nettelsee gibt es den Kindergarten, die Kapelle, den Friedhof, einen für Familienfeste beliebten Gasthof. Jetzt kommt man bequem von Löptin nach Nettelsee mit dem Fahrrad und zur Not zu Fuß. Dann, nach Bau der Autobahn, müsste man einen kilometerlangen Umweg fahren.
Die Befürworter von Autobahnen sagen, das gestiegene Verkehrsvolumen mache sie notwendig. Es stimmt, das Verkehrsvolumen ist spürbar gestiegen. Beispiel Löptin: Als meine Eltern hier 1970 bauten, fuhr ab und an ein Fahrzeug auf dieser Straße. Wir Schulkinder überquerten morgens die B404 , um auf die andere Seite zur Bushaltestelle zu kommen. Eine Fußgängerampel gab es damals noch nicht und war auch nicht notwendig. Ich meine aber, dass man den gestiegenen Verkehr auch mit einem vierspurigen Ausbau der B404 auffangen könnte. Dann könnten Bushaltestellen und Ampeln bleiben, und das wäre eine sehr viel menschlichere Lösung.
Einerseits wird der Bau von Autobahnen mit dem gestiegenen Verkehr gerechtfertigt. Andererseits fördert das Angebot von Autobahnen und damit das Versprechen eines flüssigen Verkehrs auch die Mobilität und konzentriert sie zudem, sodass die angrenzenden Orte einer erheblichen zusätzlichen Lärmbelästigung ausgesetzt sind. Hier hat Löptin jetzt wirklich Pech. Da der Ort einen Kilometer von der geplanten Autobahn entfernt liegt, bekommen wir keine Schallschutzmauer. Dabei ist es jetzt schon laut. Je nachdem wie der Wind steht, kann ich es jetzt schon an manchen Tagen nicht mehr auf meiner Terrasse aushalten.
Löptin ist beispielhaft für die Situation von vielen Dörfern an Autobahnen. Diese unmenschliche Verkehrsführung erschwert das Leben auf dem Land und erzwingt auch eine Motorisierung, wo keine gewünscht wird. Es ist ein wechselwirkender Prozess. In dem Maße, in dem die Motorisierung zunimmt, bilden sich auch Strukturen, die eine Motorisierung erzwingen. In Hinblick auf die Klimaziele dieses Landes und auch der älter werdenden Bevölkerung, wünsche ich mir eine Trendwende, die das Autofahren eher erschwert und dadurch ortsnahe, fußläufig oder mit Fahrrad erreichbare Strukturen wieder entstehen lässt.
Es ist schön, dass ich als Bürgerin dieses Landes Stellung beziehen kann. Ich wünsche mir:
- Keine weiteren Autobahnen.
- Umwidmung aller bestehenden Autobahnen in Bundesstraßen und Rückverlagerung der Bushaltestellen in die Dörfer.
- Verzicht auf den Autobahnabschnitt A21 Stolpe-Kiel.
Ursula Shelton
Hat dies auf gartenfreunde-kiel rebloggt und kommentierte:
Liebe Ursula, danke für diese klaren Gedanken: