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Mutiges Kieler Parkraumkonzept ist Vergangenheit

Der mutige Entwurf für ein Kieler Parkraumkonzept vom November 2021 ist erst einmal vom Tisch. Baudezernentin Doris Grondke legt nun eine abgeschwächte und weitgehend inhaltsleere neue Version vor.

Das „Mobiltätskonzept ruhender KfZ-Verkehr 2035“ ist nur noch ein Schatten des ursprünglich vorgelegten Konzept-Entwurfs, in dem tatsächlich Parkraumverknappung vorgesehen war. Der jetzt überarbeitete Entwurf rückt von konkreten Forderungen ab. Stattdessen soll ein „Prozess der Kommunikation und Beteiligung“ mit offenem Ausgang und Schritt für Schritt den Parkraum neu ordnen. So steht es im Antrag, der morgen im Bauausschuss debattiert wird .

Den Anfang machen folgende Bereiche:

  • das Französische Viertel inklusive Wilhelmplatz
  • Bereich Anna-Pogwisch-Platz, Kehden-/Küterstraße
  • Gaarden

Im neuen abgespeckten Konzept fehlen zentrale Punkte des ursprünglichen Entwurfs. Vom Verbot des Gehweg-Parkens oder höherer Parkgebühren ist nicht mehr die Rede.

Die Kritik in den Medien ließ nicht lange auf sich warten: der Ökologische ‘Verkehrsclub (VCD), der NABU Kiel, sogar die Kieler Nachrichten kommentierten das neue Konzept mit Enttäuschung.

Kristian Blasel schrieb in den Kieler Nachrichten am 29. September: „Aber dieser Konflikt wird eines Tages sowieso ausgetragen werden müssen. Statt sofort einzugreifen und auf die Kraft der Argumente zu setzen, ducken sich Oberbürgermeister Ulf Kämpfer und seine Dezernentin Doris Grondke mit diesem Papier wenige Monate vor der Kommunalwahl in der zentralen Parkfrage weg.“ Zur Parksituation im Kiel: maximal mutlose Verwaltung

Hartmut Rudolphi vom Nabu Kiel äußerte sich enttäuscht von der verpassten Chance, den Autoverkehr zu reduzieren. „Hinzu kommt, dass dem Autoverkehr mit Straßen und Parkplätzen ein Großteil der städtischen Fläche eingeräumt wird und der Platz für Grünflächen und als lebenswerter Raum bzw. Naherholung für die Bevölkerung fehlt. Kiel muss die Wohnquartiere endlich zu lebenswerten Stadtteilen umbauen. Insbesondere für Menschen mit geringen Einkommen sowie Menschen mit eingeschränkter Mobilität sind Erholungsmöglichkeiten direkt vor der Haustür ein wesentlicher Teil für ein soziales Miteinander und Lebensqualität. Autos tragen zudem durch Lärm und der Abgase zur Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Menschen bei, in autofreien Stadtgebieten leben die Menschen wesentlich gesünder. Das alles wird den Kielerinnen und Kielern mit dem neuen Mobilitätskonzept weiterhin verwehrt, weil die Straßen im Wesentlichen für den Autoverkehr ausgerichtet werden.

Auch der VCD kritisiert das neue Konzept, weil es die Zahl der PKW nicht reduziert und nicht genug für die Sicherheit von Kindern und mobilitätseingeschränkten Menschen vorsieht. „Eine Trendwende bei der Anzahl der PKW in Kiel kann nur durch eine flächendeckende Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung auf allen städtischen Flächen erreicht werden. Dafür muss in Wohngebieten grundsätzlich Bewohnerparken eingeführt werden und die Parkgebühren angepasst werden.“ Außerdem fordert der VCD, dass das Gehweh-Parken sofort überall dort aufgehoben wird, wo es besondere Gefahrdungen gibt.

Parkraum in Kiel: neues Konzept

In Kiel wie auch in anderen Großstädten nimmt die Zahl der PKW zu, nicht aber der Parkraum. Der daraus resultierende Parkdruck führt zu teilweise regelwidrigem und rücksichtslosem Parkverhalten: die Autos stehen auf Gehwegen, an Kreuzungen. So geht es nicht weiter. Die Verwaltung sieht es auch nicht als ihre Aufgabe, für Parkplätze zu sorgen: „Es besteht kein Anrecht auf einen Parkplatz im öffentlichen Raum, weshalb es auch nicht Aufgabe der Stadt sein kann, diesen bedarfsorientiert und wohnungsnah bereitzustellen.“ Im Gegenteil: Kiel will eine klimafreundliche Stadt sein, die auch an die Belange von Kindern, Radfahrern, Fußgängern und von Lärm geplagten Anwohnern denkt. Eine Möglichkeit, den MIV (motorisierten Individualverkehr) zurückzudrängen, ist die Parkraumverknappung. Diesen Weg will die Verwaltung gehen.

In einem Konzeptpapier (Mobilitätskonzept Ruhender Verkehr, Link siehe unten) stellt die Verwaltung ihre Vorstellung von einer gerechten Aufteilung des öffentlichen Raums dar. Grundlage für dieses Papier sind vorangegangene Beschlüsse wie der „Green City Plan“ oder der „Masterplan Mobilität“. Zur Vorarbeit zählt eine umfangreiche Untersuchung des Kieler Parkraums durch das Gutachterbüro IKS Mobilitätsplanung. Außerdem flossen die Ergebnisse einer Befragung zum Thema Mobilität und Parken in das Konzept ein.

Weniger Parkplätze, teureres Parken

Im Ergebnis werden Parkplätze weggenommen und die Preise erhöht. Die Hoffnung ist, dass durch diese Maßnahmen die Parkhäuser mehr genutzt werden. Oder ganz auf das Auto verzichtet wird. Die wichtigsten Punkte:

  • Rücknahme des Gehweg-Parkens
  • Einrichtung von Lieferzonen
  • Im Innenstadtbereich keine kostenlosen Parkplätze mehr
  • Auch die Gebühren für Anwohnerparkplätze sollen angehoben werden.
  • Möglicherweise Staffelung der Preise für Bewohner-Parkausweise gemäß Art des PKW
  • Mehr Parkraum für Elektroautos
  • allmählicher Abbau von existierenden Parkplätzen

Als Trostpflaster stellt die Stadt das nächtliche Parken auf den Parkplätzen von Schulen, Supermärkten und Baumärkten in Aussicht. Interessanterweise fehlen große Möbelzentren in dieser Aufzählung: Möbel Höffner hat bekanntlich schon abgewunken.

Gefördert werden soll dagegen die alternative Mobilität durch folgende Maßnahmen:

  • Ausbau des Radwegenetzes
  • Verbesserung der Barrierefreiheit
  • Mehr Carsharing
  • Bessere Fahrradabstellanlagen
  • Park&Ride-Flächen mit bewachten oder abschließbaren Fahrrad-Abstellanlagen

Weniger Parkraum, mehr Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum

Für den einzelnen Autofahrer wird das Leben ungemütlicher, sollte dieses Konzept umgesetzt werden. Weniger parkende Autos auf den Straßen würde aber gleichzeitig mehr Raum für Kinder, Fahrradfahrer und Fußgänger bedeuten. Ehemalige Parkplätze könnten begrünt werden, mit Sitzbänken und eventuell Spielgeräten ausgestattet werden.

Das Signal ist klar: für den MIV soll das Leben ungemütlicher werden, um auch anderen Nutzern des öffentlichen Raums gerecht zu werden. Für Radfahrer und Fußgänger würde das Leben dagegen angenehmer. Und wenn die Kieler ihre Autos partout nicht ins Parkhaus bringen wollen, sondern am Ende ganz auf das eigene Auto verzichten, würde sich sogar die Stadtluft verbessern.

Weiterlesen?

Die Weberstraße und das Gehweg-Parken

https://www.kiel.de/de/umwelt_verkehr/verkehrswege/verkehrsentwicklung/mobilitaetskonzept_ruhender_verkehr.php

Können Parkflächen zeitlich erweitert werden?

Mit der Schaffung von temporären Parkflächen beschäftigte sich die Ratsversammlung am 20. Februar und beschloss mehrheitlich einen Prüfantrag. Die Verwaltung soll bis Mai prüfen, ob die großen Parkplätze des Einzelhandels , die Parkhäuser und städtischen Parkflächen rund um die Uhr geöffnet sein könnten.

Florian Weigel (CDU) sagte, Menschen würden noch lange Auto fahren. Gleichzeitig sind große Supermarkt-Parkplätze nach 18 Uhr leer. “ Es ist nicht sinnvoll, so riesige Parkflächen frei zu halten, damit einige Leute zeitweise parken können.” Auch Schulhöfe könnten außerhalb der Schulzeiten frei gegeben werden.

Durch die Digitalisierung ergeben sich Kontrollmöglicheiten, die Missbrauch von Parkplätzen verhindern. Eine Schranke könnte etwa nur mit App zu öffnen sein. Die App könnte dann die Halter von PKW die zu lange etwa auf dem Parkplatz des Schuldirektors stehen, identifizieren.

Manchmal fahren Leute 20 Minuten um den Block auf der Suche nach einem Parkplatz. Diese Suchverkehre schaden den Menschen und dem Klima, wurde argumentiert. Mehr Parkplätze würden wenigstens kurzfristig die Straßen von parkenden Autos entlasten.

In der Debatte wurde jedoch kritisch gesehen, dass die Gesamtzahl der Parkplätze steigen würde. Ist das das richtige Signal, wenn wir eine Verkehrswende wollen?

In der Diskussion wurde auch eingeworfen, dass Park & Ride Plätze ebenfalls das Angebot an Parkplätzen insgesamt erhöhen. Andererseits meinte Rainer Kreuzt (CDU), dass P&R-Pätze an der Peripherie dazu dienen können, den Pendelverkehr aus der Innenstadt heraus zu halten.

Arne Langniß (Grüne) sieht die Idee, Schulhöfe und Parkplätze des Einzelhandels zu öffnen als ganz im Trend, weil hier Ressourcen geteilt werden.

In den letzten zehn Jahren sind 15.000 Fahrzeuge dazu gekommen. Das ist der Grund, warum der Kampf um den Parkplatz heftiger geworden ist.

Weiterlesen:

Impressionen von einem Kieler Parking Day

KN online: So will die Stadt mehr Parkraum schaffen