Die neue Förderrichtlinie, die im Wirtschaftsausschuss einstimmig beschlossen wurde, sieht eine Kürzung der finanziellen Mittel für die Kieler Kreativzentren vor. Bürgermeisterin Renate Treutel (Grüne) betonte, dass die Anpassung nicht wegen Schwierigkeiten bei den Kreativzentren erfolgt, sonden weil Kiel den Haushalt konsolidieren muss. In Zukunft sollen investive Förderungen für Baumaßnahmen nicht mehr über die Richtlinie geregelt werden. „Ausgaben zum Zweck der Sanierung und Umbau sind gemäß dieser Richtlinie nicht zuwendungsfähig.“ Es gab ein Treffen der Bürgermeisterin mit den Vorständen der Kreativzentren, die traurig sind, dass „weniger Geld im Pott ist“.
Können Imker und Künstlerinnen auch bauen?
Christina Schubert (SPD) bezweifelte den Nutzen von investiven Förderungen. Es ist bekannt, dass die SPD Bauvorhaben lieber direkt von der Stadt organisieren lassen würde. Gesine Stück, ehemals Kreis-Vorsitzende der SPD hielt die Kreativen für manchmal überfordert mit millionenteuren Bauprojekten. Als die SPD dieses Thema lancierte, sprach ich mit Friederike Kopp von der Alten Mu, die mir versicherte, alle Verzögerungen beim Bauantrag hätten an der Verwaltung gelegen.
Die Förderung von Baumaßnahmen geriet wieder in den Fokus der Politik, als es anscheinend Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung von Fördermittel im Anscharcampus gab. Die Verwaltung setzte schon zugesagte Förderung wieder aus. Diese Angelegenheit ist noch nicht geklärt.
Ratsfrau Constance Prange (CDU) kritisierte die Dauerförderung generell. Dagegen wurde im Ausschuss argumentiert, dass viele Kreativzentren nicht-kommerzielle Angebote machen, wie beispielsweise die kostenlosen Kurse von Open Campus. Die Frage, ob die Zentren „sich nicht irgendwann mal selbst tragen können“, muss da klar mit Nein beantwortet werden.
Was ist der Beitrag von Kreativzentren?
Allseits gelobt wurde die Kieler Kreativ- und Gründerszene und auch die alte Richtlinie, die seit 10 Jahren den Prozess begleitet. Einrichtungen wie die Alte Mu, der Anscharpark, Open Campus oder das Waterkant Festival können dazu beitragen, dass junge Leute nach dem Studium in Kiel bleiben. Bewiesen ist dieser Zusammenhang zwar nicht, aber die sogenannten weichen Standortfaktoren machen bestimmt einen Unterschied, ob eine Stadt als lebenswert wahrgenommen wird. Vom Co-working Space über Bildungs- und Freizeitangebote bis zum veganen Mittagstisch leisten die Kreativzentren einen wertvollen Beitrag zur Stadtkultur.
Beitragsbild: Haus 1 im Anscharpark
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KN online: Stadt kürzt Fördermittel für alle Kreativzentren in Kiel
Seit Jahren verfolgen Projekte wie Anscharpark oder die ALTE MU dasselbe Muster: Mittel werden vor allem in teure Bauvorhaben und beratungsintensive Strukturen gesteckt, statt bei den kreativen Köpfen anzukommen. Die Verzögerungen sind hausgemacht, die Gelder versickern in undurchsichtigen Netzwerken – strukturelle Probleme, die von den Projektverantwortlichen verschleiert werden.
Genau hier setzt Landry & Bennett in ihrer Studie zur Creative City an: Eine wirklich kreative Stadt muss Lateralität, Integrität und Experimentierfreude ermöglichen – sie braucht Räume, in denen Menschen scheitern dürfen, ohne Renditedruck, und in denen Kreative, Gründer:innen und die Zivilgesellschaft Informationen austauschen können.
Landrys Vier-Stufen-Strategie zeigt, dass Kultur nur dann zur urbanen Transformationskraft wird, wenn Governance, Gemeinwohl, Beteiligung und Risikoakzeptanz zusammenspielen. Das, was in Kiel passiert: Top-down-Entscheidungen, die nicht wirklich aus der Praxis kommen, und Beratung durch Personen ohne nachweisliche Erfahrung mit Startups oder Gründungsszenen. Resultat: Ausbeutung, statt Inkubation – und keine Räume für echte Experimente.
Die politische Reaktion darauf – Kürzungen, Umstrukturierungen im Wirtschaftsausschuss – trifft genau die, die ohnehin kaum gefördert wurden, während die eigentlichen Probleme: fehlende Transparenz, falsche Governance, unpassende Beratungsstrukturen unvermindert bestehen bleiben.
Vielversprechende Gegenbeispiele wie Opencampus oder die Kreativwerft zeigen: Es geht anders – mit klarer Wirkung, messbaren Ergebnissen und tatsächlicher Unterstützung für Gründer:innen und Künstler:innen.
Besonders deutlich wird das Scheitern kreativer Förderung in der ALTEN MU. Was einst als selbstverwalteter Möglichkeitsraum für Künstler:innen, soziale Projekte und kreative Köpfe gegründet wurde, ist heute zunehmend ein Ort der Kontrolle, Spaltung und Verwahrlosung.
Statt Mitgestaltung herrscht dort eine monopolartige Verwaltungsstruktur, getragen von einer GmbH und einer e.G., die Projekte gegeneinander ausspielen, kritische Stimmen verdrängen und keine gelebte Gemeinschaft mehr ermöglichen. Plena wurden abgeschafft, Beteiligung verkommt zur Formsache, und selbst gemeinnützige Strukturen wie der ursprüngliche Verein wurden entmachtet.
Kreative, die hier aktiv sind, berichten von Angst, mangelnder Sicherheit, internen Konflikten und repressiven Tendenzen. Die Räume sind nicht nur baulich heruntergekommen, sondern auch ideell entleert – ein kreatives Zentrum ohne kreative Freiheit.
Fördermittel werden dort nicht in kollektive Infrastruktur oder neue Ideen investiert, sondern in Verwaltung, Eigeninteressen und symbolische Außenwirkung. Wer experimentieren, gründen oder gestalten will, findet in der ALTEN MU kaum noch den nötigen Rückhalt.
Wer die Idee der kreativen Stadt ernst nimmt, muss diesen Realitäten ins Auge sehen: Kiel fördert gerade nicht Kreative – sondern eine Blase aus Projektbürokratie und Selbsterhalt.
Danke für deinen Kommentar. Gerade beim Anscharpark sind die Verantwortlichkeiten wirklich etwas verwirrend. Die Alte Mu war wohl lange eine Graswurzelbewegung, aber professionalisiert sich zunehmend, wird Bauherrin und dadurch verändert sich der ursprüngliche Charakter. Dass es so schlimm ist, wie du es darstellst, macht sehr betroffen.