Dr. Gianluca Grimalda vom Kieler Institut für Weltwirtschaft

Kiel: Institut für Weltwirtschaft fordert Flugreise von Mitarbeiter

Dem Forscher Dr. Gianluca Grimalda droht die Entlassung aus dem Kieler Institut für Weltwirtschaft, weil er sich weigert, mit dem Flugzeug von seiner Feldarbeit in Papua-Neuguinea zurückzukehren. Er möchte stattdessen auf dem Land- und Seeweg reisen und ist bereit, für die Zeit der Reise unbezahlten Urlaub zu nehmen. Eine Gruppe namens Scientist Rebellion setzt sich für den Wissenschaftler ein. Hier ihre Pressemitteilung vom 4.10. 2023:

Am 28. September hat das Direktorium des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) seinen Mitarbeiter Dr. Gianluca Grimalda offiziell abgemahnt und aufgefordert, von einer Feldforschung in Papua-Neuguinea (PNG) per Flugzeug nach Kiel zurückzukehren. Andernfalls wird ihm gekündigt. Dr. Grimalda weigert sich, dieser Aufforderung nachzukommen und begründet dies mit den hohen Umweltbelastungen, die das Fliegen im Vergleich zu Reisen auf dem Land- und Seeweg mit sich bringt. Das IfW begründet seine Entscheidung mit der am 10. September auslaufenden Genehmigung für den Auslandsaufenthalt. Dr. Grimalda wendet ein, dass sich die Dauer seiner Feldforschung aufgrund erheblicher Sicherheitsbedrohungen und logistischer Hindernisse um zwei Monate verlängert hat.

Dr. Gianluca Grimalda ist Senior Researcher am IfW Kiel. Während seines sechsmonatigen Forschungsaufenthalts in Bougainville, PNG, untersuchte er die sozialen Auswirkungen des Klimawandels. Er ist ein engagierter Umweltaktivist, der versucht, die Klimaauswirkungen seiner Forschung zu minimieren und plant mit Frachtschiffen, Fähren, Zügen und Bussen nach Europa zurückzukehren, so wie er es bereits bei seiner Hinfahrt durchgeführt hat. Das würde etwa 50 Tage dauern und die Emissionen um das Zehnfache reduzieren – von 4.000 kg Treibhausgasen (Flug) auf 400 kg durch langsames Reisen (siehe [1]).

“Da ich nicht lehre und Arbeitsbesprechungen online abgehalten werden können, ist meine Anwesenheit in Kiel nicht erforderlich”, sagt Dr. Grimalda. “Ich kann effektiv arbeiten, während ich auf Reisen bin. Auch habe ich angeboten, so lange unbezahlten Urlaub zu nehmen, wie es das IfW für angemessen hält. Das Institut hat mein Angebot jedoch abgelehnt und die Zahlung meines September-Gehalts fristlos einbehalten.”

“Es ist außergewöhnlich, dass ein Forschungsinstitut damit droht, einen Forscher zu entlassen, weil er seine Arbeit zu gewissenhaft ausführt und vermeidet, während des Klimanotstands zu fliegen”, sagt Julia Steinberger, Professorin für gesellschaftliche Herausforderungen des Klimawandels an der Universität Lausanne und Hauptautorin des jüngsten Berichts des Weltklimarats IPCC. “Das IfW Kiel scheint sich vor allem für Gianlucas frühere Teilnahme am zivilen Ungehorsam gegen den Klimawandel mit der Scientist Rebellion zu rächen”, schließt sie.

Unterstützende Materialien:[1] Dokumentation der Treibhausgasauswirkungen von Reisen, aufgeschlüsselt nach Verkehrsmitteln: https://t.co/ZVVtS1927D[2] Text von Dr. Grimalda, in dem er seine Beweggründe erläutert: https://t.co/TxTYJkyz7c [3] Tweet, der die Feldarbeit in Bougainville dokumentiert (mit Fotos): https://twitter.com/GGrimalda/status/1670440361226031106 [4] Tweet, der die CO2-arme Hinreise von Deutschland nach Bougainville dokumentiert (mit Fotos): https://twitter.com/GGrimalda/status/1626344390196068352[5] Wissenschaftliche Belege für die Überschreitung von 6 der 9 planetaren Grenzen: https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.adh2458[6] Wissenschaftliche Belege dafür, dass mehrere Ökosysteme kurz vor dem Zusammenbruch stehen: https://www.science.org/doi/10.1126/science.abn7950 [7] Szenarienbewertung der Hamburger Klima-Zukunftsprognose, die zu dem Schluss kommt, dass das Ziel, den Temperaturanstieg auf 1,5°C (gegenüber dem vorindustriellen Niveau) zu begrenzen, nicht mehr erreichbar ist: https://www.cliccs.uni-hamburg.de/de/results/hamburg-climate-futures-outlook.html

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4 Gedanken zu „Kiel: Institut für Weltwirtschaft fordert Flugreise von Mitarbeiter“

  1. Leider argumentieren einige gern, dass eine:r allein „den Klimawandel“ auch nicht stoppen kann. Allerdings haben ALLE die Verpflichtung unterstützt, möglichst das 1,5 Grad Ziel einzuhalten! Das gelingt uns allerdings nicht, wenn wir CO2 wie gewohnt und vor allem ohne Not in die Atmosphäre vergeuden. Jede:r muss seinen Beitrag leisten, so viel fossile Brennstoffe zu vermeiden! Dr. Grimalda übernimmt Verantwortung und das sollte der IfW Präsident hoch schätzen. Die jetzige Entscheidung ist ein Desaster und kein Vorbild für Klimaschutz in Schleswig-Holstein.

  2. Man sollte eben stark aufpassen, bevor man dummerweise grüne Weltuntergangs-Ideologen wie diesen Forscher einstellt. Sich dann auch noch zu erdreisten, dem Arbeitgeber “Angebote” bezüglich einer angeordneten Rückreise zu machen, ist wirklich die “cherry on top”.

    1. Hallo Kenshi, dieser Forscher weist doch auf ein ernstes Problem hin: sogar in der Klimaforschung wird viel geflogen. Aber es wäre wohl überzeugender gewesen, wenn er seine Reisepläne vorher schon mit dem Arbeitgeber abgestimmt hätten.

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