Marthas Insel Kiel

Angespannter Wohnungsmarkt

Es komme nicht nur auf Sozialwohnungen an, sagte Florian Weigel (CDU) in der Diskussion über den Wohnungsmarkt in der letzten Ratsversammlung. Auch junge Familien, die keinen Anspruch auf geförderten Wohnraum haben, brauchen Wohnraum. Sie würden Kiel gerade „massenhaft verlassen“. Dabei könnte es auch eine Rolle spielen, dass in Kiel keine Einfamilienhäuser mehr gebaut werden dürfen, die gerade bei Familien sehr beliebt sind.

Marcel Schmidt (SSW) fasste die Problematik mit den Worten zusammen: „Der Kieler Wohnungsmarkt ist nicht in der Lage, bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen.“

Wohnungsmarkt leidet nicht nur unter Baukosten

Woran liegt es, dass nicht schnell mehr gebaut wird? Die Gründe, die in der Diskussion genannt wurden, sind vielfältig.

Da sind zum einen die Baupreissteigerungen. Sie ergeben sich aus steigenden Materialkosten, aber auch aus 20.000 Einzelnormen. Oberbürgermeister Ulf Kämper sprach von Kostensteigerungen von 25% innerhalb eines Jahres. „Wir laufen auf eine Abbruchkante zu“, so der Oberbürgermeister.

Trotz Einwanderung herrscht Fachkräftemangel.

Manchmal drängen Kommunen auch darauf, dass die Gebäude schön anzusehen sind.

Moderne Baumaterialien und Dämmstoffe halten eventuell nicht so lange wie Holz und Stein. Deshalb müssen sich neue Gebäude in kürzerer Zeit amortisieren.

Seit der Coronakrise gibt es nicht nur in Kiel sondern weltweit Lieferkettenprobleme. Handwerksbetriebe tun sich deshalb schwer mit Preisgarantien.

Nachverdichtung ist unbeliebt, vor allem immer dann, wenn es im eigenen Hof geschehen soll. Die Verwaltung hat von geplanten Nachverdichtungen abgesehen, wenn es Proteste gab.

Die Kieler Bevölkerung hängt an ihren Grünflächen. Gerwin Stöcken: „Ich möchte nicht wissen, was hier los wäre, wenn wir im Grüngürtel bauen würden.“

Trend zum Single-Haushalt

Die gefühlte Wohnungsnot ist auch ein Verteilungsproblem. Immer mehr Single-Haushalte bedeuten auch, dass die einzelne Person mehr Quadratmeter in Anspruch nimmt, als sie es im Familienverband tun würde. Alte Menschen, die in ihren großen Häusern oder Wohnungen weiter wohnen, nachdem ihre Kinder ausgezogen sind, können oder wollen oft aus finanziellen Gründen nicht umziehen, weil die neue kleine Wohnung meistens teurer als die alte große ist. Perspektivisch hätten Mehrgenerationenhäuser viele Vorteile, sind aber weit davon entfernt, eine signifikante Rolle zu spielen.

Sozialdezernent Gerwin Stöcken verteidigte die Verwaltung. Es wies darauf hin , dass in den Jahren 2011 – 2017 wenig gebaut worden war. Die Sozialwohnungen , die aus der Bindung fielen, wurden nicht ersetzt, denn zu der Zeit ging man von einer sinkenden Bevölkerungszahl aus. Die Prognose war, dass für Städte ein Rückbau anstehen würde. Bekanntlich kam es anders. Auch in den letzten drei Jahren sind 1.053 Sozialwohnungen aus der Bindung gefallen. Diese Lücke wurde noch nicht geschlossen.

Immer noch wohnen 5.000 Geflüchtete in Kiel in Unterkünften. Zur Zeit machten 2.500 Flüchtlinge aus der Ukraine Druck auf den Wohnungsmarkt, berichtete der Sozialdezernent.

Es wird viel gebaut….noch

Bei allen Problemen hat es auch Erfolge auf dem Wohnungsmarkt gegeben:

  • Seit 2017 sind gemäß Stadtrat Stöcken über 4.000 Wohungen entstanden. (siehe Sozialbericht S.33)
  • Weitere 2.000 Wohnungen sind im Bau.
  • Bebauungspläne für weitere 7.000 Wohneinheiten sind in der Mache.
  • Die KiWog (Kieler Wohungsbaugesellschaft) baut und übernimmt Wohnungen. Bis Ende des Jahres wird sie 350 Wohnungen im Bestand haben.
  • Kiel hat 20 Wohnheime für Studierende. In einigen Monaten sind auch die Wohnheime auf Marthas Insel fertig.
  • Bei größeren Bauvorhaben wird meistens eine Quote von 30 Prozent sozial geförderter Wohnraum durchgesetzt.

Aktuelle Notlagen auf dem Wohnungsmarkt

Etwa 900 Personen haben ihre Wohnung verloren, weil sie die Miete nicht zahlen konnten, berichtete der Sozialdezernent. Sie bekommen auf dem Wohnungsmarkt nach einer Zwangsräumung kaum eine zweite Chance.

Sozialdezernent Stöcken wies auch auf das Problem der Armutswanderung hin. Unionsbürger und -bürgerinnen dürfen legal nach Deutschland einwandern, um hier nach Arbeit zu suchen. Sie haben zuerst keinen Anspruch auf Hilfe. Stöcken nannte sie die „Ärmsten der Armen“. Eine Möglichkeit, diese Armutseinwanderung zu verhindern, wäre eine Einschränkung der EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit. „Das ist ein sehr vermintes Gelände“, sagte Stöcken zu diesem Thema.

Gespräche mit Bauarbeitern

Seit Jahren unterhalte ich mich mit Bauarbeitern, wenn ich an einer Baustelle vorbei komme. Auf städtischen Baustellen sieht man noch deutsche Bauarbeiter, aber auf privaten Baustellen begegnen mir ausschließlich Menschen aus Süd-Ost-Europa. Sie kommen aus Rumänien, Bulgarien, Mazedonien, Kosovo, Kroatien, Serbien oder der Türkei. Manchmal arbeiten Männer aus vielen verschiedenen Ländern auf einer Baustelle, aber irgendwie scheint die Kommunikation zu funktionieren.

Manchmal frage ich mich, ob nicht die Bautätigkeit an sich die Wohnungsnot verschärft. Denn viele Einwanderer kommen nach Deutschland, weil sie auf dem Bau Arbeit finden, teilweise direkt von den Bauunternehmen in ihrer Heimat angeworben werden. Im ersten Jahr leben die zugewanderten Bauarbeiter häufig in Monteurs-Unterkünften, die oft nicht besser als Matratzenlager sind, oder sie leben in Containern auf dem Bau, man denke an das rumänische Containerdorf auf der Höffner-Baustelle. Aber irgendwann finden sie ein überteuertes Zimmer in einer Zweck-WG und holen ihre Familien nach. Dadurch kommt es zu so katastrophalen Überbelegungen wie im (jetzt nicht mehr bewohnten) Kirchenweg 34. Und mit Glück erhält die Familie irgendwann eine Sozialwohnung. Vielleicht eine, die der Papa selber gebaut hat. So schafft die Bautätigkeit teilweise und zeitversetzt die eigene Nachfrage. Von 2002 bis 2012 schrumpfte die Bevölkerung in Deutschland und dieser Trend hätte die Lage auf dem Wohnungsmarkt entspannt, wenn es nicht in Folge zu einer starken Zuwanderung gekommen wäre. Die meisten Ausländer in Deutschland sind übrigens keine Geflüchteten sondern kommen ganz legal, um hier zu arbeiten: Ausländer in Deutschland nach Herkunftsland

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