Vieburger Gehölz im November

Vieburger Gehölz – ein alter Wald ist in Gefahr

Das Vieburger Gehölz im Süden von Kiel ist ein sehr alter Waldstandort. Es war früher Teil des Eisenwaldes, auf altsächsisch Isarnho genannt. Dieser Wald erstreckte sich seit Menschengedenken von der Schlei über Kiel bis nach Lübeck. Die Bezeichnung Eisenwald stammt aus dem Mittelalter und bezieht sich wahrscheinlich auf die Undurchdringlichkeit dieses Waldes, “Eisen” also wie in “eiserner Wille” oder “eiserne Lady”. Möglicherweise bezieht sich der Name aber auch auf die Eisenverhüttung, die es hier auch gab.

Der Eisenwald in der Geschichte

Bis etwa Mitte des ersten Jahrtausends nach Christi wohnten Germanen im Eisenwald. Man muss sich das wohl so vorstellen, dass sie ihre Hütten auf Lichtungen und kleinen Rodungen bauten. Zwischen 400 und 500 nach Christi zogen die Germanen weg, und die ganze Gegend war erst einmal so ziemlich menschenleer. Der Wald wuchs und wurde wieder dichter. Im 10. Jahrhundert zogen dann wieder Menschen in den Eisenwald: Wikinger aus dem Norden und Sachsen aus dem Osten. Aus dieser Zeit stammt die Bezeichnung Isarnho, was als Eisenwald oder eiserne Höhe übersetzt werden kann. In dieser Zeit wurde der Eisenwald wahrscheinlich auch Rückzuggebiet für Heiden, die im christianisierten Umland nicht mehr ihre Religion leben durften. Übrigens hat dieser Wald die Menschen auch schon in der damaligen Zeit beeindruckt. So schreibt der mittelalterliche Chronist Helmold von Bosau, der den Wald aus eigener Anschauung kannte, im 12. Jahrhundert von “seiner unermesslichen und fast undurchdringlichen Einsamkeit” und von “riesigen Urwaldstämmen”.

Warum ist historischer alter Wald besonders wertvoll?

Als historisch alten Wald bezeichnet man Waldstandorte, die seit mindestens 100 Jahren bestehen und auf historischen Karten nachgewiesen werden können. Das ist zumindest die Definition in Deutschland. Es muss sich nicht um Urwald handeln, und es müssen nicht einmal besonders große und alte Bäume vorhanden sein. Es geht vielmehr um den Standort. Standorte, an denen sich schon lange Wald befindet, sind besonders bedeutsam für die Biodiversität. Das liegt am Ausbreitungsverhalten von typischen Waldpflanzen. Sie vermehren sich meistens nicht über Samen sondern über Wurzeln und Ableger, breiten sich also nur langsam aus. Selbst wenn sie sich über Samen vermehren, sind es Waldameisen, die die Samen weiter transportieren. Die Ameisen bewegen sich ebenfalls kaum in der Fläche.

Eine andere Geschichte sind die gewachsenen Lebensgemeinschaften von Pflanzen und Tieren, die sich über hunderte oder sogar tausende von Jahren gebildet haben. Sie können nicht an einem anderen Ort wieder hergestellt werden. Sogar manche Tiere, die theoretisch mobil sind, weisen eine große Verbundenheit mit einem bestimmten Ort auf. Beispiel: Fledermäuse, die gerne über Generationen die gleichen Schlafplätze besiedeln. Es hat mich einigermaßen schockiert zu lesen, dass es zwei Jahrhunderte braucht, bis junge Wälder wieder von typischen Waldpflanzen besiedelt werden. Wenn man dann noch lernt, dass viele Waldpflanzen ausschließlich in historischen alten Wäldern vorkommen, erscheinen diese Wälder umso schützenswerter.

Wie alt ist der Waldstandort Vieburger Gehölz?

Auf der Kiel Seite stand früher : “ Das knapp 70 ha große Vieburger Gehölz ist ein sehr alter Waldstandort. Es gehörte wahrscheinlich zum großen Isarnho (Eisenwald), einem Wald, der sich von der Schlei bis nach Kiel und von hieraus weiter nach Lübeck erstreckte.” Dieser Passus wurde leider entfernt. Ich sprach mit Forstwirtschaftsmeister Bronnmann (Kiels Forstverwaltung), um mehr zu erfahren. Gehörte das Vieburger Gehölz nun zum Eisenwald oder nicht, warum nur wahrscheinlich? Herr Bronnmann sagte, das Vieburger Gehölz wäre auf jeden Fall in Karten aus dem 18. Jahrhundert belegt. Also ist dieser Standort ein historisch alter Wald nach der deutschen Definition. Der Standort war auch auf jeden Fall Teil des Eisenwaldes. Allerdings lässt sich nicht völlig ausschließen, dass gerade dieser Teil des Eisenwaldes im Laufe der Jahrhunderte einmal abgeholzt wurde. Da fehlen einfach die Nachweise. Man kann also nur sagen, dass das Vieburger Gehölz wahrscheinlich in ungebrochener Kontinuität Teil des Eisenwaldes war und somit bestünde an diesem Standort wahrscheinlich seit Menschengedenken Wald.

Ausblick

A21 nach Kiel

Leider planen Bund und Land ein Autobahnkreuz an der jetzigen B404 nördlich der Bahnstrecke. Diese Betonorgie würde einen kleinen Teil des Vieburger Gehölzes zerstören. Der zerstörte Bereich wäre größer als die Karte zeigt, weil für solche Arbeiten auch umfangreiche Behelfsstraßen gebaut werden. Der Ausdruck Betonorgie ist nicht übertrieben. Das Vieburger Gehölz ist Teil des Kieler Grüngürtels, der mittlerweile ziemlich durchlöchert ist.

Vieburger Gehölz als Erholungsgebiet.

Dieser Wald am Rande der Stadt ist ein beliebtes Erholungsgebiet für die Kieler*innen. Der Wald besteht aus Buchen-, Eichen- und Ahornbäumen, weniger Birken, Fichten und Tannen. Es ist ein lichter Laub-Misch-Wald, angenehm zum spazieren gehen. Auch das Waldhaus für Veranstaltungen und ein Waldkindergarten fanden hier Platz. Das Vieburger Gehölz ist aus vielen Gründen – Naturschutz, Klimaschutz, Stadtklima, Naherholung und nicht zuletzt aus Respekt für die Historie des Ortes – schützenswert.

Kaffee Trinken vor dem Waldhaus
Kaffee Trinken vor dem Waldhaus

Weiterlesen: http://www.geschichtsverein-bordesholm.de/J01_3_Benesch_Isarnho.pdf

Wilfried Stichmann: Kennzeichen und Wert alter Wälder

Monika Wulf: Historisch alte Wälder – Definition, Sachstand und Ziele

Beide Artikel hier: https://www.wald-und-holz.nrw.de/fileadmin/Publikationen/Schriftenreihe/Schriftenreihe_Sonderheft_Kennzeichen_Wert_historische_Waelder.pdf

Wer sich ein Bild vom Leben der alten Germanen machen möchte, dem sei dieser Film empfohlen: https://www.youtube.com/watch?v=rft-8jKZ3gA

Ein Gedanke zu „Vieburger Gehölz – ein alter Wald ist in Gefahr“

  1. Hallo ich finde es sehr bedauerlich, wenn die Stdt Kiel einen Teil des Viehburger Gehölz kaputt machen will. Ist es notwendig, Wald durch Beton und Asphalt zu zerstören.
    Da in anderen Ländern sehr viel Wald, durch Brände und Abholzung , zerstört wird, müßten wir doch unsere Wälder schützen und pflegen, als sie zu zerstören. Denn wenn es auf der Welt keine Wälder mehr geben sollte, wird es auch kein Sauerstoff oder wenig Sauerstoff geben.
    Folgen sind bekannt. Ich würde es befürworten, das Geld für diese Baumaßnahmen lieber für Aufvorstung und mehr Anbau von Wälder, sinnvoll zu investieren.
    Gruß mo

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