Bericht vom kleinen Diesel-Gipfel

Kiel, Theodor-Heuss-Ring
Kiel, Theodor-Heuss-Ring. Die Rampe links bringt den Verkehr von der B404.

Der Kieler Diesel-Gipfel war kaum angekündigt und gut getarnt als gemeinsame Ortsbeiratssitzung Mitte und Hassee/Vieburg. Dennoch fanden – zusätzlich zu den Ortsbeiratsmitgliedern – etwa 60 Interessierte den Weg durch den Hintereingang des Alten Rathauses zu dieser Veranstaltung, die sich als sehr informativ erwies. Mit Oberbürgermeister Dr. Ulf Kämpfer, dem Leiter des Umweltschutzamts von der Heydt und Peter Bender vom Tiefbauamt war  viel Kompetenz im Saal versammmelt. Unter den Besuchern befanden sich auch Mitglieder vom BUND und NABU, und auch einige direkte AnwohnerInnen des Theodor-Heuss-Rings.

Kommen Fahrverbote auf dem Theodor-Heuss-Ring und wie können sie verhindert werden, das waren die zentralen Fragen.

Stickoxid Hotspot in Kiel

190 Meter Theodor-Heuss-Ring sind hoch-belastet mit Stickoxiden. Fahrverbote sind die drohende Konsequenz, nachdem die Deutsche Umwelthilfe (DUH) geklagt hat. Wenn es nicht durch andere Maßnahmen gelingt, die Belastung deutlich und schnell unter die zugelassenen Richtwerte zu bringen, bleibt nur der Weg des Fahrverbots für alle Diesel-PKWs unterhalb Euro-Norm 6. Zu den ebenfalls hoch-belasteten Straßen zählen die Alte Lübecker Chaussee, die Hamburger Chaussee, die Ringstraße, der Ziegelteich und der Krusenrotter Weg. Hier sind die Grenzwerte allerdings noch nicht erreicht.

Stickoxide belasten die Gesundheit

Warum sind Stickoxide gefährlich? Sie führen zu entzündlichen Reaktionen,  schädigen die Schleimhäute, verstärken Allergene und verengen die Luftwege, um nur einige der gefählichen Wirkungen zu nennen. Besonders schädlich ist das Reizgas für Kinder, Senioren und Kranke. Für Wohngebiete gelten strengere Grenzwerte als für den Arbeitsplatz, weil davon ausgegangen wird, dass sich Menschen 24 Stunden an ihrem Wohnort befinden, Babys und Rentner zum Beispiel. Am Arbeitsplatz wird dagegen von gesunden Erwachsenen ausgegangen, die dort nur acht Stunden verbringen. Die Zahl ist umstritten, aber es könnten 30.000 vorzeitige Todesfälle in der EU auf Stickoxide zurückgehen.

Der dritte kommunale Diesel-Gipfel

OB Dr. Ulf Kämpfer kam gerade vom dritten Diesel-Gipfel auf Bundesebene und war sehr desillusioniert. “ Auf allen Dieselgipfeln haben OBs auf die Verantwortung der Automobilindustrie gedrängt. Aber das perlt an der Bundesregierung einfach ab. “ Kämpfer findet, dass eine Hardware-Nachrüstung der Dieselfahrzeuge, die die versprochenen Abgaswerte auf der Straße nicht einhalten, die beste Lösung wäre. Er zitierte ein Gutachten, nachdem die Hardware-Nachrüstung 1.500 Euro pro PKW kosten würden. Momentansieht es aber nicht danach aus, dass die Bundespolitik die Automobilindustrie in die Pflicht nehmen wird.

Was kann die Stadt kurzfristig machen, um die Stickoxidbelastung zu reduzieren?

  • Schadstoffbarrieren wie Tunnel über die Straße , eine Emmissionsschutzwand oder Einbau von nicht zu öffnenden Fenstern bei den betroffenen Häusern.
  • Tempolimits
  • Fahrverbote

Zur Emissionsschutzwand: Hier muss geprüft werden, ob die Feuerwehr dann noch durchkommt. Die Wirkung ist außerdem begrenzt und umstritten. Es ist noch nicht klar, ob die Wand durchsichtig wäre oder ob die Anwohner auf eine Wand gucken würden.

Tempolimits: Sie verhindern Staus. Aber ob langsamer fahren zu weniger Stickoxiden führt, ist noch nicht getestet worden.

Fahrverbote: Es würde sich um Fahrverbote auf dem Theodor-Heuss-Ring für Diesel PKWs unter Euronorm 6 handeln. Entweder nur für Fahrzeuge, die von Westen kommen oder in beide Richtungen. Diese Fahrverbote würden dazu führen, dass AutofahrerInnen auf Alternativrouten ausweichen. Das hätte auf diese Routen massive Auswirkungen .Auf der Alten Lübecker Chaussee würden vorraussichtlich schnell ebenfalls die Grenzwerte überschritten, worauf diese Straße auch gesperrt werden müsste. Aus dem Publikum kam die Frage, ob man nicht auch die Ersatzrouten gleich sperren könne, um diesen Dominoeffekt zu verhindern. Bender erklärte, das ginge nicht aus verkehrsrechtlichen Gründen. Straßen dürfen nur aus bestimmten Gründen gesperrt werden.

Fahrverbote würden also die Umwelt nicht schützen. Oberbürgermeister Ulf Kämpfer findet allerdings, dass die Klage der DUH den Druck auf alle Beteiligten erhöht. Wünschenswert wäre eine Stadt mit insgesamt weniger Autos, so sieht es auch Ulf Kämpfer. Viele langfristige Maßnahmen zielen deshalb darauf, die Leute vom Auto zu entwöhnen.

Was kann langfristig zu Verbesserung der Luft getan werden?

  • Hybridbusse
  • mehr Elektrofahrzeuge
  • bessere Fahrradwege
  • attraktiverer ÖPNV
  • mehr Car-Sharing
  • Landstromanschluss für Schiffe

Ein Mann aus dem Publikum sagte treffend, dass Elektrofahrzeuge, die mit fossiler Energie geladen werden, keineswegs emissionsfrei sind, aber die Emissionen fallen außerhalb der Stadt an, insofern wäre es schon ein Beitrag zur Entlastung des Theodor-Heuss-Rings.

Kiel will einen Landstromanschluss am Norwegenkai einrichten. Aber Ulf Kämpfer wies darauf hin, dass die Reeder an Bord geholt werden müssen. Landstrom rechnet sich wirtschaftlich meistens nicht, kann aber das Image der Schiffe aufbessern.

Zuletzt noch eine schlechte und eine gute Nachricht

Durch die A21, die sich langsam auf Kiel zu bewegt, wird sich das schiere Verkehrsvolumen noch einmal erhöhen. Prognose: ein Plus von 25 Prozent. Das Problem ist ja nicht nur, dass Dieselfahrzeuge zuviel Stickoxide ausstoßen. Das Problem ist auch die Menge der Fahrzeuge. ( Zum Thema Auswirkungen der A21 auf Kiel gibt es einen sehr lesenswerten Blog: https://www.bielenbergkoppel.de/ )

Positiv ist dagegen die Tatsache, dass die Stickoxid-Belastungen in den letzten 10 Jahren in ganz Deutschland leicht gesunken sind. Man weiß nicht, woran es liegt. Klar ist aber auch: am Theodor-Heuss-Ring, Kiels Hauptverkehrsader, muss es schnell besser werden, denn die Anwohner haben ein Recht auf gesunde Luft.

3 Gedanken zu „Bericht vom kleinen Diesel-Gipfel“

  1. Zu Tempolimits: In Graz gibt es viele Tempolimits und es gab massiven Senkungen der Stickoxide. Das ist bewiesen. Das sieht das Umweltbundesamt und die DUH genau so. Tempolimits sind sehr viel mehr erforscht als “Emissionsschutzwände”, oder “Luftstaubsauger” oder neue Asphalte. Auf all diese Maßnahmen setzt man in Kiel, nur bei dem, was bewiesen ist, schüttelt man den Kopf.

    Zu Fahrverboten: Es gibt auch Umweltzonen. Da gibt es keine Alternativrouten mehr.

    Von der Darstellung scheint mir eher große Inkompetenz vorgeherrscht zu haben. Elekromobilität stellt keine echte Lösung dar. Wann soll die denn kommen? Es geht um Lösungen sofort. Lasst uns dieses Jahr noch Tempolimits in Kiel ausprobieren. Sollten sie in Kiel als einziger Ort der Welt nicht helfen, kann man sie ja auflösen. Man hat aber wohl eher Angst, dass sie wirksam wären.

    1. Ich verstehe auch nicht , warum Tempolimits nicht einmal versucht werden. Eine Woche lang Tempo 40 auf dem THR westlich des Barkauer Kreuzes und dann die Ergebnisse auswerten. Das wäre viel einfacher als Schutzwand oder Tunnel! …. Umweltzonen sind nicht so einfach einzurichten. Kiek mal hier: https://www.verkehrsrundschau.de/nachrichten/wiesbaden-darf-umweltzone-einrichten-1104758.html ….. Mir fällt immer wieder die Angst der Politiker vor dem Zorn der Autofahrer auf. Die Angst istwahrscheinlich auch berechtigt.

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