Kiel und die NS-Zeit

Die Landeshauptstadt Kiel richtet am 27. Januar 2018 um 14 Uhr eine Gedenkveranstaltung aus zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Rathaus, Raatsaal, Fleethörn 9, Kiel. Eintritt frei.

2018 ist nicht nur 100 Jahre Matrosenaufstand, sondern auch 80 Jahre 1938. Gerrit Schirmer vom Kieler Stadtarchiv erklärte mir, warum 1938 ein besonderes schlimmes Jahr während der NS-Diktatur war.

  • 1938 war der vorläufige Höhepunkt einer Aktion, sogenannte Arbeitsscheue in Konzentrationslager zu schicken. Es gab eine Verhaftungswelle , die Bettler, Trinker, auch vorbestrafte Juden traf. Es wurde regelrecht Jagd auf Obdachlose gemacht.
  • Ende Oktober begann die sogenannte Polenaktion. Im ganzen Reich wurden Juden mit polnischer Staatsangehörigkeit an die Grenze zu Polen verlegt. Die polnischen Juden aus Kiel hatten hier Glück im Unglück. Sie kamen zu spät an die Grenze, ihre Pässe wurden nicht mehr anerkannt von polnischer Seite, sodass sie als Staatenlose nach Kiel zurück kehrten. Aus diesem bürokratischen Grund wurden sie später nicht in Konzentrationslager geschickt!
  • In den Novemberprogromen 1938 brennen Synagogen im ganzen Land, Juden werden ermordet und ab dieser Zeit auch systematisch in Konzentrationslager gebracht.

Die Brutalität der NS-Regimes erreichte 1938 also eine neue Dimension.

Die jüdischen Textilkaufleute Metzger

Gerrit Schirmer, der Kieler Referent für Erinnerungskultur hat diese Veranstaltung vorbereitet. Im Zentrum steht eine Lesung von Briefen der jüdischen Familie Metzger. Diese Familie hatte sechs Kinder, von denen die ältesten drei bereits nach Palästina emigriert waren. Die jüngeren Kinder Edith und Adolf befanden sich 1938 noch in Deutschland. Edith bereitete gerade ihre Emigration mach Palästina in einem Ausbildungslager vor, um Hebräisch zu lernen und handwerkliche oder landwirtschaftliche Kenntnisse zu erwerben. Sie gelangte dann aber doch nicht nach Palästina sondern kam mit einem der letzten Kindertransporte nach England. Der jüngste Sohn Adolf lebte mit den Eltern in der Waisenhofstraße. Die Eltern waren Textilkaufleute. Die Briefe von den Eltern an ihre Kinder in Palästina sind erhalten geblieben. Sie zeigen den Kieler Alltag im Jahr 1939 und die Notbewältigungsstrategien einer jüdischen Familie, deren Situation immer verzweifelter wurde.

Norbert Aust und Jutta Hagemann lesen aus dieser Korrespondenz. Im Anschluss wird in einer Schweigeminute der Familie Metzger gedacht, direkt an ihren Stolpersteinen in der Waisenhofstr. 34.

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