Seit Dezember 2014 ist die Halb-Inderin Ragni Mahajan (38) Pastorin in der Evangelischen Gemeinde Gaarden und dort zuständig für die Sozialkirche St. Matthäus.Ich erlebte sie an einem Vormittag während der Essensausgabe der Tafel. Wir gingen an einem Tisch im Café Feuerherz vorbei, als ein älterer Herr ihre Hände ergriff um sich zu beschweren, dass er bei einer bestimmten Veranstaltung kein Getränk in die Kirche bringen durfte.. Frau Mahajan ließ diese Berührung sehr lange zu, während sie freundlich aber bestimmt mehrmals erklärte, warum man kein Bier zum Bingo bringen darf. Sie ist wirklich eine Pastorin zum Anfassen.
Die Sozialkirche ist eine spezielle Kirche insofern als hier nur noch zu besonderen Gelegenheiten wie Weihnachten Gottesdienste stattfinden. In Kooperation mit der Stadtmission und der Tafel werden hier gespendete Lebensmittel, Haushaltsgegenstände und Kleidung an Bedürftige verteilt. Das Café Feuerherz ist beliebter Treffpunkt (Becher Kaffee für 80 Cent), und die Mitarbeiter haben ein offenes Ohr für alle. Bis zu 200 Menschen kommen pro Tag! Die Idee zu dieser Art von Kirche kam durch Veränderungen im Stadtteil zustande. Es zogen mehr Muslime nach Gaarden, die verbliebenen Christen gingen seltener zum Gottesdienst. Von den drei evangelischen Kirchen war letztendlich eine entbehrlich. Aufgrund der offensichtlichen Not im sozialen Brennpunkt Gaarden und dem christlichen Wunsch zu helfen, enstand die Idee, eine Kirche zum Ort der praktischen Lebenshilfe zu gestalten.
Frau Mahajan möchte, dass Kirche für die Menschen da ist, und findet diesen Gedanken hier in hohem Maße verwirklicht. Neben Andachten und Begräbnissen verbringt Frau Mahajan ihre Arbeitszeit überwiegend im direkten Kontakt mit den Besuchern der Sozialkirche. Sie freut sich über die Dankbarkeit der Menschen oder auch wenn sie Zugang zu verschüchterten Menschen findet, wie neulich als ein Kind, das kein Deutsch sprach , langsam auftaute und sich am Ende an einem Memoryspiel beteiligte. Wegen des Kita-Streiks bevölkern übrigens mehr Kinder als sonst die Kirche.
Zunnehmend kommen Flüchtlinge, vor allem aus Syrien und Eritrea in die Kirche. So ist aus dem Deutsch-Russischen Gesprächskreis mittlerweile ein Internationaler Nachmittag geworden, der gut angenommen wird als Ort der interkulturellen Begegnung.
Die Tafel funktioniert mit einem eingespielten Team aus Ehrenamtlichen, die täglich Essen an bis zu 200 Personen verteilen. Amüsiert bemerkte Frau Mahajan, dass manche Menschen bei ihr eine “Bestellung” abgeben, was angesichts der Logistik dieses Unterfangens nicht umsetzbar ist. Für die Stadtmission arbeiten zwanzig Minijobber. Dazu helfen Ehrenamtliche aus der Kirche bei den kulturellen Veranstaltungen. Zu Öffnungszeiten ist die Sozialkirche ein sehr belebter und auch lauter Ort. Für vertrauliche Gespräche kann man sich in den Andachtsraum zurückziehen.
Manchmal ist Frau Mahajan auch genervt, wenn Leute um Geld betteln. Der Ansatz ihrer Kirche lautet, dass Gespräche und Sachspenden mehr helfen als Geld. Doch auch hier hört sie auf ihr Herz, wie neulich, als ein Trinker ganz zerknirscht war, weil er das Geld, von dem er seiner Frau ein Geburtstagsgeschenk kaufen wollte, versoffen hatte. Als größtes Problem in Gaarden sieht Frau Mahajan übrigens nicht den Alkohol sonder die Einsamkeit. Vor allem ausländische Familien, die dann oft unter den Nachbarn in ihrem Wohnhaus auch nicht gut gelitten sind, leiden unter ihrer Isolation. Gegen die Einsamkeit können die kulturellen Veranstaltungen helfen, die St. Matthäus auch bietet. Da gibt es den Spieletreff, den Bingonachmittag, den Internationalen Gesprächskreis, den Stammtisch für Menschen mit Behinderung oder ein offenes Angebot zum Deutsch üben.
Ragni Mahajan studierte Ev. Theologie in Hamburg und ging dann 2011 als Pastorin nach Pinneberg. Vor fast genau einem halben Jahr wurde sie in ihr neues Amt in Gaarden eingeführt.
Ein Gedanke zu „Ragni Mahajan -Pastorin im sozialen Brennpunkt“