„Ist Kiel schön genug – oder geht da noch mehr?“ Diese Frage stellte ich Marcel Schmidt (61), dem Kandidaten des SSW. Seine Antwort: „Da ist noch Luft nach oben.“ Besonders angetan ist er vom Holstenfleet und er begrüßt die geplante Aufhübschung der Holstenstraße. Auf seiner Wunschliste steht ein Umbau des Neuen Rathauses zu einem Kulturzentrum nach dem Vorbild des „Dock 1“ in Aarhus. Auch der derzeit als Parkplatz genutzte Innenhof könnte seiner Vorstellung nach zu einem begrünten Aufenthaltsort umgestaltet werden. Die Kieler Kulturszene lobt er ausdrücklich – sie sei ein Schatz, den es zu bewahren gelte, damit Kiel als lebenswerter Wohnort wahrgenommen werde.
Zwar kann ein Oberbürgermeister nur das umsetzen, was ihm die Ratsversammlung aufträgt, doch die Gestaltungsmöglichkeiten sind groß. Umso spannender ist die Frage, welche Themen Marcel Schmidt für dieses Amt besonders am Herzen liegen. Seine Schwerpunkte sind:
- bezahlbarer Wohnraum
- eine funktionierende Verwaltung
- der Stadtteil Gaarden
- Minderheitenpolitik
Wohnungsbau: Weniger Vorschriften, mehr bezahlbarer Wohnraum
Die Quote von 30 Prozent sozial geförderter Wohnungen bei größeren Neubauprojekten in Kiel findet Schmidt gut. Doch er sieht darüber hinaus Bedarf für bezahlbare Wohnungen für Menschen mit geringem Einkommen, die keinen Anspruch auf eine Sozialwohnung haben. Es sei eine Frage der Verhandlung mit Investoren, zwischen Sozial- und Luxuswohnungen auch bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
Kritisch sieht er die Vielzahl an Vorschriften, die laut ihm das Bauen erschweren. Der Wunsch nach autofreien Stadtteilen schrecke private Bauträger ab, die fürchten, ihre Grundstücke nicht verkaufen zu können, wenn es wenig Parkplätze gibt. Auch hohe ökologische Standards würden die Baukosten in die Höhe treiben.
Die Nachverdichtung im Bestand befürwortet Schmidt grundsätzlich, sieht aber auch Risiken – sie kann die Infrastruktur überlasten und reicht nicht aus, um den Bedarf an bezahlbaren Wohnraum zu generieren. Stattdessen plädiert er für neue Baugebiete am Stadtrand, etwa in Suchsdorf-West. Dort könnten Kitas, Schulen, Parkhäuser und Geschäfte von Anfang an mitgeplant werden.
Verwaltung: Digitalisierung als Schlüssel
Für die Verwaltung wünscht sich Schmidt eine umfassende Digitalisierung – das sei der effektivste Weg, Personalkosten zu senken. Auch die Ortsbeiräte sollten besser ausgestattet werden. Teilweise tagten sie noch in Räumen ohne WLAN, was für ihn nicht zeitgemäß ist.
Gaarden: Präsenz zeigen und Hilfe anbieten
Als ehemaliger Polizist kennt Schmidt die Herausforderungen in Gaarden. Er setzt sich dafür ein, dass der Kommunale Ordnungsdienst (KOD) einen eigenen Standort auf dem Ostufer erhält – derzeit müssen die Mitarbeitenden für Schreibarbeiten und Lagerung konfiszierter Waren stets ans Westufer pendeln.
Zudem befürwortet er eine Verstärkung der Sozialarbeit auf der Straße sowie einen Drogenkonsumraum und einen Aufenthaltsraum für Suchtkranke auf dem Ostufer.
Die Rattenproblematik bleibt auch für ihn ein bis jetzt ungelöstes Dauerthema. Wenn die neue Kampagne der Stadt nicht greifen sollte, wäre es Zeit, die bisherigen Konzepte zur Mülltrennung zu hinterfragen.
Minderheiten: Sichtbarkeit und Würdigung
Der SSW vertritt traditionell die dänischsprachige Minderheit in Deutschland. Doch Marcel Schmidt denkt weiter: Auch queere Menschen und Menschen mit Migrationsgeschichte sollen stärker in den Fokus rücken. Ein Herzensprojekt von ihm wäre eine Ausstellung zur Geschichte der Menschen mit Migrationshintergrund auf den Kieler Werften.
Erfahrung und Perspektive
Marcel Schmidt bringt vielfältige Erfahrungen mit: Als ehemaliger Streifenpolizist kennt er die Stadt aus erster Hand, als Wasserschutzpolizist auch vom Wasser aus. In seiner Zeit als Leiter der Pressestelle sammelte er Führungserfahrung, und seit elf Jahren ist er als Ratsherr Teil der Kieler Ratsversammlung. Der SSW, obwohl eine kleine Fraktion, konnte bei der letzten Kommunalwahl seinen Stimmenanteil auf 8,2 Prozent mehr als verdoppeln.
Stadtbahn: ja, aber…
Zum Abschluss unseres Gesprächs im Café Andresen sprachen wir über das derzeit wohl umstrittenste Thema: die Stadtbahn. Marcel Schmidt steht dem Projekt grundsätzlich positiv gegenüber, betont aber: „Man muss die Menschen mitnehmen.“ Deshalb unterstützen er und seine Partei einen Bürgerentscheid.