Wenn kein Geld da ist, vertreibt man sich die Zeit mit Pseudoprojekten, die zumindest wenig Geld kosten. Das war mein Eindruck von der letzten Ratsversammlung, in der zwei Anträge beschlossen wurden, die versuchen, nicht existierende Probleme anzugehen. In dem einem Antrag ging es um Nahversorgung in der Stadt, die aber eigentlich fast flächendeckend sehr gut ist. In anderen Antrag ging es um Sauberkeit in der Stadt, die von Gaarden abgesehen, auch sehr gut ist. Klar, alles könnte noch besser sein. Aber wenn man nicht in einem Überwachungsstaat leben will, muss man wohl mit ein wenig Littering leben.
Kiel als 15-Minuten-Stadt.
Wir können neidisch auf Paris sein, sagte Ratsfrau Karla Frieben-Wischer. Und beschrieb, wie Paris zur 15-Minuten-Stadt umgestaltet wird.
Der Antrag heißt: „Kiel als Stadt der nachbarschaftlichen Quartiere entwickeln“.Das Ziel: Kiel soll sich als lebenswerte, offene, inklusive und klimafreundliche Stadt für alle weiterentwickeln.
Eine zentrale Idee in diesem Konzept ist die 15-Minuten-Stadt. Innerhalb von 15 Minuten zu Fuß soll es möglich sein, Kita, Schule, medizinische Versorgung, Beratung, Pflege, Ruheorte sowie Kultur- und Sportangebote zu erreichen.
Um das zu erreichen, beauftragt die Ratsversammlung die Verwaltung „mit der Erarbeitung eines Rahmenkonzepts für die Entwicklung Kiels als Stadt der nachbarschaftlichen Quartiere und mit der Einbeziehung aller Maßnahmen der Stadtentwicklung und des Städtebaus in die Konzeptentwicklung.„
Frau Frieben-Wischer beschrieb korrekt, dass die Stadt in den 50er Jahren vom Auto aus entwickelt wurde. Jetzt sollten die Menschen in den Mittelpunkt der Stadtentwicklung gestellt werden.
Dieser interfraktionelle Antrag wurde mehrheitlich angenommen, wobei die CDU sich enthielt, und AfD und Ansgar Stalder dagegen stimmten.
Die Frage, die sich mir stellte, und die auch schon im letzten Wirtschaftsausschuss thematisiert wurde: Gibt es das nicht schon alles?
Die Anlaufstellen Nachbarschaft (Annas) in den Quartieren haben sich sehr bewährt als Treffpunkt und niederschwelliges Beratungsangebot.
Alle Menschen, die ich kenne, die in Kiel wohnen, können schon jetzt in 15 Minuten bei einem Lebensmittelladen, einer Schule oder einem Spielplatz sein. Dieser Zustand sollte sicher unbedingt erhalten bleiben, aber er muss nicht erst hergestellt werden. Er sollte vielleicht eher als etwas schon Erreichtes gefeiert werden!
In der Diskussion war man sich einig, dass Post- und Bankfilialen nicht wieder in die Stadtteile zurück kommen.
Innerhalb dieser Diskussion gab es noch einen Schlagabtausch zwischen Ansgar Stalder und Oberbürgermeister Ulf Kämpfer. Ratsherr Stalder (dieBasis) fürchtet sich vor der 15-Minuten-Stadt als Freiluftgefängnis. Das ist eine beliebte Idee unter Verschwörungstheoretikern, dass die 15-Minuten-Stadt damit verbunden sei, dass Menschen ihre Stadtteile bald nicht mehr mit dem Auto verlassen dürften. Und diese Vorstellung wird fälschlicherweise mit Klaus Schwab vom World Economic Forum verbunden. OB Ulf Kämpfer erzürnte sich, dass dieser Quatsch von einem Ratsherrn verbreitet wird. Wenn du mehr darüber wissen möchtest, lies diesen Artikel, der beschreibt, wie die Idee der 15-Minuten-Stadt mit Verkehrsbeschränkungen verquickt wurde.
Antrag Sauberes Kiel
Ratsherr Dr. Andreas Ellendt (CDU) beklagte die zunehmende Vermüllung der Stadt und forderte einen Runden Tisch mit Ratsfraktionen, Ämter Entsorgungsunternehmen, Umweltzentren. In der Diskussion wurde betont, dass es um ganz Kiel geht, nicht nur um Gaarden.
Mein Eindruck: Gaarden ist wirklich dreckig. Und in Kleingärten ist das Abladen von Müll in unverpachteten Parzellen ein echtes Problem. Aber ansonsten finde ich die Stadt sehr sauber. Am Tag der Ratsversammlung und unter dem Eindruck der Diskussion machte ich die Probe auf’s Exempel: Ich zählte den Müll auf meinen Weg zum Bus: Die Route: Hinterausgang Rathaus, Europaplatz (das Wasserbecken war müllfrei), mittlere Holstenstraße, Hafenstraße , Andreas-Gayck-Straße, ZOB: Uhrzeit, etwa 18.30. ich fand:
- 1 Flasche
- 5 Servietten
- 1 Bäckertüte
- 1 Plastiktüte
- um die 30 Zigarettenstummel
Überrascht war ich von der hohen Anzahl an Zigarettenstummeln, sie lagen hauptsächlich an den Bushaltestellen an der Andreas-Gayck-Straße. Dennoch: Dafür dass es Abend war und viele Menschen unterwegs waren, ist das wirklich kein großes Müllaufkommen.
Dieser interfraktionelle Antrag wurde einstimmig beschlossen. Aber brauchen wir ihn?
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