Neulich machte ich den walk’n talk durch das alte Industriegebiet von Friedrichsort mit und kann diese Führung wärmstens empfehlen. Und zwar aus mehreren Gründen: Stadtführer Björn Peterson steckt mit seiner Sachkunde und Begeisterung an. Außerdem bekommt man ohne triftigen Grund sonst keinen Zugang zu diesem eingezäunten Areal. Und letztlich wird dieser faszinierende Teil von Kiel nicht mehr für immer so bleiben wie jetzt, denn die meisten der alten Hallen werden wohl von den neuen Investoren abgerissen werden. Also nutzt die Chance, einen Spaziergang durch Kiels Industriegeschichte zu machen, solange es möglich ist.
Das Industriegebiet in Friedrichsort heißt jetzt StrandOrt
Vor 120 Jahren ließen sich hier die ersten Fabriken nieder. Auf dem Rundgang sieht man viele Backsteinhallen, die 100 Jahre oder mehr auf dem Buckel haben. Einige stehen unter Denkmalschutz. Die ältesten stammen aus der wilhelminischen Zeit, einige andere aus den 20er und 30er Jahren des vergangenen Jahrhundert. „Das wäre ein prima Filmkulisse“, sagt eine Frau aus der Gruppe. Sogar für einen Historienfilm, dachte ich, denn stellenweise wandelt man in einem Ambiente von wie vor 100 Jahren. Es wundert fast, dass keine Pferdedroschke um die Ecke kommt.
Etwa 30 Hallen stehen auf dem 34 Hektar großen Gebiet. In einigen wird noch bzw wieder gearbeitet, etwa in der StrandFabrik oder bei Stahlbau Gebr. Friedrich. Insgesamt sind hier noch 15 Unternehmen mit 374 Angestellten tätig. Viele Hallen stehen jedoch leer. Zum Vergleich: Im Zweiten Weltkrieg stellten 6.000 Menschen hier Munition und Stahl her.
Strandfabrik: Startups in alter Halle
Halle 6 wurde 1905 errichtet, und ist heute unter dem Namen StrandFabrik ein Kreativzentrum für Startups. Etwa 500 Menschen arbeiten hier: sie bauen Autos um oder experimentieren mit Algen oder stellen Yogamatten aus Neopren-Anzügen her.
Zu den kuriosen Gebäuden gehört ein runder Bunker, der heute entfestigt und mit Fenstern versehen ist.
Leider ist das ganze Areal von Überflutung gefährdet, denn der Meeresspiegel wird mit Sicherheit ansteigen.
Die LHKiel erwarb dieses Gelände 2020 und modernisiert es aktuell, um anschließend Investoren zu suchen. Sichtbar ist zur Zeit die Arbeit an den Gleisen. Sie werden nicht nur erneuert sondern auch umverlegt. Diese privaten Schienen sollen das Areal mit der Bundesbahn verbinden.
Nach anderthalb Stunden ist der kurzweilige und informative Rundgang beendet und hat Lust auf mehr gemacht. Auf jeden Fall möchte ich die StrandFabrik bald besuchen.
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