Eine BDA Podiumsdiskussion zum Thema Schroeder-Schulen am Mittwoch brachte die anwesenden Politiker sehr in Bedrängnis. Denn die meisten Diskutanten hatten nur Lob und Bewunderung für diesen „Schatz“ der Kieler Architektur.
23 Pavillon-Schulen, von denen 14 unter Denkmalschutz stehen, entstanden in der Nachkriegszeit, als der Architekt Rudof Schroeder Leiter des Kieler Hochbauamts war. Daher der Name Schroeder-Schulen. Es sind Freiluft-Schulen, in denen die Klassenzimmer ebenerdig Zugang nach draußen haben. Die Klassenzimmer sind relativ groß, haben jeweils einen Vorraum und eine kleine Rasenfläche, und sind mit Laubengängen verbunden.
Zur Vorgeschichte: die Schroeder-Schulen in der Ratsversammlung
Die Kieler Pläne für die Schroederschulen sehen einen kompletten Umbau der meisten Schroeder -Schulen vor, Abriss ist nicht ausgeschlossen. Das war der Hintergrund eines Beschlusses in der Kieler Ratsversammlung im Herbst 2020: die Verwaltung soll sich für eine Lockerung des Denkmalschutzes hinsichtlich der Schroeder-Schulen einsetzen. Denn noch hält der Denkmalschutz seine schützende Hand über diesem einzigartigen Ensemble. Einzig die Fraktion „die Fraktion“ enthielt sich, alle anderen Parteien stimmten für die Aufweichung des Denkmalschutzes.
Die Diskussionsrunde
Die Experten auf dem Podium deckten die Bereiche Architektur, Denkmalschutz, Pädagogik und Kunstgeschichte ab:
- Prof. Dr. Klaus Gereon Beuckers, Lehrstuhlinhaber der Kunstgeschichte der CAU
- Dr. Astrid Hansen, Referatsleiterin Denkmalpflege Hamburg
- Markus Kaupert, BDA Architekt aus Lübeck
- Bärbel Lorenzen, Lehrerin an der Gorch-Fock-Schule
- als Moderator Dr. Thomas Welter, Geschäftsführer des BDA Bundesverband
Die Politik war vertreten durch Arne Langniß, baupolitischer Sprecher der Bündnis 90/Grünen in Kiel, und Tobias von der Heide,MdL für die CDU und Mitglied im Bildungsausschuss des schleswig-holsteinischen Landtags.
Sind die Schroeder Schulen noch zeitgemäß?
Ja, mehr denn je. Das wurde in der Diskussion auf vielfältige Weise deutlich. Prof. Beuckers beschrieb die Entstehung der Pavillon-Schulen in einer Zeit als die Seuche Tuberkulose noch nicht heilbar war. Um 1900 baute man Krankenhäuser als luftige voneinander getrennte Gebäude (Kieler Marine Lazarett!) . Auch die Schulen, die nach diesem Vorbild gebaut wurden, zuerst als Holzbaracken, sollten besonders gesund sein. Viel Luft, viel Unterricht im Freien, lange Flure vermeiden. Das war die Idee hinter den ersten Waldschulen oder Freiluftschulen. Daran lehnte sich Rudolf Schroeder bei der Konzeption der Kieler Pavillon-Schulen an. In Zeiten der Pandemie also hochaktuell.
Tobias von der Heide bemängelte, dass die Schroeder-Schulen keine Differizierungsräume böten. Das sahen die Experten entschieden anders. Aus pädagogischer Sicht erlauben gerade die Schroeder-Schulen eine große Flexibilität. Zu Kaiser Wilhelms Zeiten waren die Tische und Bänke noch aneinander geschraubt. Die Schroeder-Schulen haben dagegen große quadratische Räume und es war Programm, dass das Mobiliar nach Belieben umgestellt werden kann.
Aus eigener Erfahrung kann ich von einer Lehrerin an einer Schroeder-Schule berichten, die in der Mitte des Raums einen runden Teppich gelegt hat. Bei ihr gibt es überhaupt keinen Frontalunterricht. Dafür nutzt sie den Vorraum und den Laubengang als erweitertes Klassenzimmer.
Prof Beuckers erwähnte den starken Bewegungsdrang, den manche Kinder in die Schule bringen. „Heute wird das mit Medikamenten behandelt, in den Schroeder-Schulen gibt es dafür die Außenklasse“ .
Der Bericht einer Lehrerin an einer Schroeder-Schule
Bärbel Lorenzen berichtete von der Art, wie die Grünflächen in der Gorch-Fock-Schule genutzt werden. Die Schulwebsite (siehe unten) gibt einen anschaulichen Eindruck vom Lernen im Freien. Frau Lorenzen erinnerte sich an ihre eigene weitgehend unbeaufsichtigte Freizeit, in der sie ohne pädagogische Betüterung auf Bäume kletterte. Heute verbringt ein Kind, das auf eine Ganztagsschule geht, bis zum Abitur 22.000 Stunden auf dem Schulgelände. Da bieten gerade die Schroeder-Schulen eine vielfältige Architektur mit Kontakt zur Natur.
Die Gorch-Fock -Schule hat einen Schulgarten angelegt und viel Unterricht findet draußen statt. Die Klassenräume sind ästhetisch mit traumhaften Fischgräten-Parkett. Gruppenarbeit, Fächer- und Gruppenübergreifendes Lernen, und alles ,was moderne Pädagogik ausmacht , könne sehr gut an dieser Schule verwirklicht werden, so die Lehrerin.
Naturbezug in Zeiten des Klimawandels
Bärbel Lorenzen und andere betonten den Wert der grünen Klassenzimmer und Gärten für die Kinder. Prof. Beuckers sagte, zu den Reformideen der Pavillon-Schulen gehörte auch das haptische Lernen. Nicht nur Denken sondern auch Anfassen und Gestalten waren gewünscht. Gerade in Zeiten des Klimawandels ist es gut für Kinder, die Natur zu erleben und wertzuschätzen. Gesund ist der Aufenthalt mit Garten allenfalls. Leider nutzen nicht alle Lehrkräfte an den Schroeder-Schulen die Grünanlagen, und nicht alle haben Schulgärten.
Können die Schroeder-Schulen energetisch saniert werden?
Tobias von der Heide redete sehr lange von der Notwendigkeit standardisierter Verfahren. Das ist Politsprech für Abriss und Neubau, denn eine andere Standardisierung wird es nicht geben. Allenfalls könnte man – so der Architekt Kaupert – beim Fenstereinbau standardisierte Vorgehen wählen. Ansonsten sind die baulichen Gegebenheiten bei aller Ähnlichkeit doch zu unterschiedlich.
Der Lübecker Architekt Kaupert kann sich gut PV-Anlagen auf den Dächern vorstellen. Die Grünanlagen mit Bäumen bieten Verschattung und sind außerdem Teil der grünen Lunge von Kiel.
Die Denkmalschützerin Astrid Hansen bemerkte außerdem, dass Denkmalschutz per se auch immer Klimaschutz ist. Denn in jedem Gebäude ist „graue Energie“ enthalten, die Energie, die beim Bau aufgewendet wurde. Man darf bei Gebäuden nicht nur auf die Betriebskosten schauen.
Neubau ist auch nicht unbedingt günstiger als Sanierung, so die Meinung der Experten. Die Denkmalschützerin war sich auch sicher, dass es Förderprogramme des Bundes gäbe, die angezapft werden könnten, damit die Sanierung den Haushalt weniger belastet.
Jens Jacobus, Architekt und ehemaliger Leiter des Hochbauamtes der Stadt Kiel, meldete sich aus dem Publikum. Er wies darauf hin, dass es in seiner Zeit nie ausreichende Mittel zur Instandhaltung der Schulen gab, was zu ihrem teilweise schlechten baulichen Zustand heute führte.
Kritik an der Politik
Mehrere Sprecher hielten die politischen Gründe generell für vorgeschoben. Es würde in Wirklichkeit um die Überlegung gehen, wie man den Boden gewinnbringender verwerten könne. Die Pavillon-Schulen sind nämlich ziemlich raumgreifend. Die Experten waren sich auch einig, dass Neubau mit Sicherheit weniger und kompaktere Schulen bedeuten würde. Die anwesenden Politiker Arne Langniß und Tobias von der Heide bestritten, dass es ihnen um Bauland geht.
Dr. Astrid Hansen und auch andere betonten die Einzigartigkeit der Schroeder-Schulen für die Architektur und als Wahrzeichen für Kiel. Wir haben keine „Altstadt“, aber rund um das Stadtzentrum herum gibt es Altes und Bewahrenswertes, von den Jugendstilhäusern bis zu den Pavillon-Schulen. Nicht nur für Kinder, sondern auch für alle Kieler sind die Schroeder-Schulen ein Schatz, das war die Mehrheitsmeinung in dieser Runde.
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