Archiv der Kategorie: Allgemein

Vieburger Gehölz – ein alter Wald ist in Gefahr

Das Vieburger Gehölz im Süden von Kiel ist ein sehr alter Waldstandort. Es war früher Teil des Eisenwaldes, auf altsächsisch Isarnho genannt. Dieser Wald erstreckte sich seit Menschengedenken von der Schlei über Kiel bis nach Lübeck. Die Bezeichnung Eisenwald stammt aus dem Mittelalter und bezieht sich wahrscheinlich auf die Undurchdringlichkeit dieses Waldes, “Eisen” also wie in “eiserner Wille” oder “eiserne Lady”. Möglicherweise bezieht sich der Name aber auch auf die Eisenverhüttung, die es hier auch gab.

Der Eisenwald in der Geschichte

Bis etwa Mitte des ersten Jahrtausends nach Christi wohnten Germanen im Eisenwald. Man muss sich das wohl so vorstellen, dass sie ihre Hütten auf Lichtungen und kleinen Rodungen bauten. Zwischen 400 und 500 nach Christi zogen die Germanen weg, und die ganze Gegend war erst einmal so ziemlich menschenleer. Der Wald wuchs und wurde wieder dichter. Im 10. Jahrhundert zogen dann wieder Menschen in den Eisenwald: Wikinger aus dem Norden und Sachsen aus dem Osten. Aus dieser Zeit stammt die Bezeichnung Isarnho, was als Eisenwald oder eiserne Höhe übersetzt werden kann. In dieser Zeit wurde der Eisenwald wahrscheinlich auch Rückzuggebiet für Heiden, die im christianisierten Umland nicht mehr ihre Religion leben durften. Übrigens hat dieser Wald die Menschen auch schon in der damaligen Zeit beeindruckt. So schreibt der mittelalterliche Chronist Helmold von Bosau, der den Wald aus eigener Anschauung kannte, im 12. Jahrhundert von “seiner unermesslichen und fast undurchdringlichen Einsamkeit” und von “riesigen Urwaldstämmen”.

Warum ist historischer alter Wald besonders wertvoll?

Als historisch alten Wald bezeichnet man Waldstandorte, die seit mindestens 100 Jahren bestehen und auf historischen Karten nachgewiesen werden können. Das ist zumindest die Definition in Deutschland. Es muss sich nicht um Urwald handeln, und es müssen nicht einmal besonders große und alte Bäume vorhanden sein. Es geht vielmehr um den Standort. Standorte, an denen sich schon lange Wald befindet, sind besonders bedeutsam für die Biodiversität. Das liegt am Ausbreitungsverhalten von typischen Waldpflanzen. Sie vermehren sich meistens nicht über Samen sondern über Wurzeln und Ableger, breiten sich also nur langsam aus. Selbst wenn sie sich über Samen vermehren, sind es Waldameisen, die die Samen weiter transportieren. Die Ameisen bewegen sich ebenfalls kaum in der Fläche.

Eine andere Geschichte sind die gewachsenen Lebensgemeinschaften von Pflanzen und Tieren, die sich über hunderte oder sogar tausende von Jahren gebildet haben. Sie können nicht an einem anderen Ort wieder hergestellt werden. Sogar manche Tiere, die theoretisch mobil sind, weisen eine große Verbundenheit mit einem bestimmten Ort auf. Beispiel: Fledermäuse, die gerne über Generationen die gleichen Schlafplätze besiedeln. Es hat mich einigermaßen schockiert zu lesen, dass es zwei Jahrhunderte braucht, bis junge Wälder wieder von typischen Waldpflanzen besiedelt werden. Wenn man dann noch lernt, dass viele Waldpflanzen ausschließlich in historischen alten Wäldern vorkommen, erscheinen diese Wälder umso schützenswerter.

Wie alt ist der Waldstandort Vieburger Gehölz?

Auf der Kiel Seite stand früher : “ Das knapp 70 ha große Vieburger Gehölz ist ein sehr alter Waldstandort. Es gehörte wahrscheinlich zum großen Isarnho (Eisenwald), einem Wald, der sich von der Schlei bis nach Kiel und von hieraus weiter nach Lübeck erstreckte.” Dieser Passus wurde leider entfernt. Ich sprach mit Forstwirtschaftsmeister Bronnmann (Kiels Forstverwaltung), um mehr zu erfahren. Gehörte das Vieburger Gehölz nun zum Eisenwald oder nicht, warum nur wahrscheinlich? Herr Bronnmann sagte, das Vieburger Gehölz wäre auf jeden Fall in Karten aus dem 18. Jahrhundert belegt. Also ist dieser Standort ein historisch alter Wald nach der deutschen Definition. Der Standort war auch auf jeden Fall Teil des Eisenwaldes. Allerdings lässt sich nicht völlig ausschließen, dass gerade dieser Teil des Eisenwaldes im Laufe der Jahrhunderte einmal abgeholzt wurde. Da fehlen einfach die Nachweise. Man kann also nur sagen, dass das Vieburger Gehölz wahrscheinlich in ungebrochener Kontinuität Teil des Eisenwaldes war und somit bestünde an diesem Standort wahrscheinlich seit Menschengedenken Wald.

Ausblick trübe

Leider planen Bund und Land ein Autobahnkreuz an der jetzigen B404 nördlich der Bahnstrecke. Diese Betonorgie würde einen kleinen Teil des Vieburger Gehölzes zerstören. Der zerstörte Bereich wäre größer als die Karte zeigt, weil für solche Arbeiten auch umfangreiche Behelfsstraßen gebaut werden. Der Ausdruck Betonorgie ist nicht übertrieben. Das Vieburger Gehölz ist Teil des Kieler Grüngürtels, der mittlerweile ziemlich durchlöchert ist.

Vieburger Gehölz als Erholungsgebiet.

Dieser Wald am Rande der Stadt ist ein beliebtes Erholungsgebiet für die Kieler*innen. Der Wald besteht aus Buchen-, Eichen- und Ahornbäumen, weniger Birken, Fichten und Tannen. Es ist ein lichter Laub-Misch-Wald, angenehm zum spazieren gehen. Auch das Waldhaus für Veranstaltungen und ein Waldkindergarten fanden hier Platz. Das Vieburger Gehölz ist aus vielen Gründen – Naturschutz, Klimaschutz, Stadtklima, Naherholung und nicht zuletzt aus Respekt für die Historie des Ortes – schützenswert.

Kaffee Trinken vor dem Waldhaus
Kaffee Trinken vor dem Waldhaus

Weiterlesen: http://www.geschichtsverein-bordesholm.de/J01_3_Benesch_Isarnho.pdf

Wilfried Stichmann: Kennzeichen und Wert alter Wälder

Monika Wulf: Historisch alte Wälder – Definition, Sachstand und Ziele

Beide Artikel hier: https://www.wald-und-holz.nrw.de/fileadmin/Publikationen/Schriftenreihe/Schriftenreihe_Sonderheft_Kennzeichen_Wert_historische_Waelder.pdf

Wer sich ein Bild vom Leben der alten Germanen machen möchte, dem sei dieser Film empfohlen: https://www.youtube.com/watch?v=rft-8jKZ3gA

Bäume haben in Kiel einen schweren Stand

Einerseits macht sich die Selbstverwaltung stark für mehr Bäume. Andererseits werden bald 26 Bäume entlang des Westrings gefällt.

Ein Baum für jede Straße

Da brachten die „Fraktion“ und die Linke einen lobenswerten Antrag in den Innen- und Umweltausschuss ein: Ein Baum für jede Straße. Das Grünflächenamt antwortete mit einer Einschätzung, die zwar Sympathie für Bäume zeigt, aber in eine andere Richtung argumentiert. Neupflanzungen seien sehr schwierig. Wichtiger und lohnenswerter sei der Erhalt von bestehenden großen Bäumen. “Sehr viel nachhaltiger und zielführender für die Klimaanpassung im städtischen Bereich ist es jedoch, den vorhandenen Bestand großer Bäume zu sichern und zu erhalten. Deren Einfluss auf das Stadtklima, die Erholung und das Stadtbild ist oft sehr viel größer als das Pflanzen von Ausgleichsbäumen, welches im Straßenbereich nur noch mit sehr großem technischem Aufwand möglich ist.”

Höhere Priorität für den Erhalt

Durchgesetzt hat sich dann im Bauauschuss vom 7. November ein Änderungsangtrag von SPD, Grüne, der “Fraktion”, Linke und FDP, in dem es heißt: “Die Landeshauptstadt Kiel wird dem Erhalt der Kieler Bäume und der Neupflanzung eine höhere Priorität als bisher einräumen”. Die Standorte von bestehenden Bäumen sollen aufgewertet werden, damit die Bäume nicht sterben. Jährlich sollen neue Bäume in mindestens zweistelliger Zahl gepflanzt werden. Auch bei Neubauprojekten sollen Bäume stärker in die Abwägung einbezogen werden. Auch in diesem Antrag soll nach Möglichkeit in jeder Kieler Straße ein Baum stehe. Auch Parkplätze kommen als Pflanzorte in Frage. Schließlich soll die Baumschutzverordnung, auch unter Einbeziehung von Naturschutzverbänden überarbeitet werden.

Baumdrama am Westring

Gleichzeitig spielt sich am Westring ein Baumdrama ab. 26 Bäume, darunter stattliche Buchen, dürfen gefällt werden. Wahrscheinlich kreischen schon am Montag die Sägen. Grund ist der geplante Bau von zwei Möbelhäusern (Höffner und Skonto) auf dem angrenzenden Prüner Schlag, einem ehemaligen Kleingartengebiet. Die Kieler Nachrichten nannten als Grund: Die Baumaschinen sollen auf das Gelände fahren können und Gasleitungen müssen verlegt werden. Es stellt sich aber die Frage, warum für die Zuwegung gleich 26 Bäumen gefällt werden müssen. Skeptisch macht auch die Sache mit der Gasleitung. Denn die Bäume werden ja wohl nicht direkt auf einer Gasleitung gepflanzt worden sein. Ob es der Krieger Gruppe als Bauherrin nicht doch eher darum geht, eine freie Sicht vom Westring auf die Möbelhäuser zu schaffen? So wie vor IKEA, wo es früher auch einen Waldstreifen gab.

Warum die Geheimhaltung?

Seltsam auch die Geheimhaltung um dieses Baumthema. Eine Initiative namens Projekt Prüner Park hatte sich an den zuständigen Ortsbeirat Mitte gewandt, mit der Frage, wie viele Bäume gefällt werden würden. Die Antwort: Es wird nicht mitgeteilt. Dieser Blogartikel erklärt es im Detail: Klimanotstand? Möbelmarktzentrum!

Pressemitteilung der Stadt

Mittlerweile gibt es aber von der Stadt eine Pressemitteilung, in der die Zahl von 26 Bäumen genannt wird: “Im August 2021 soll das geplante Möbelmarktzentrum am Prüner Schlag eröffnet werden. Die Krieger Projektentwicklung GmbH bereitet derzeit den Bau der künftigen Einfahrt im Kreuzungsbereich am Westring vor. Dafür werden in der kommenden Woche 26 Bäume im Kreuzungsbereich gefällt. Außerdem laufen vorbereitende Maßnahmen für die Tieferlegung der vorhandenen Gasleitung der Stadtwerke Kiel. Die Umlegung ist für den Zeitraum vom 18. bis 30. November geplant.”

Auf jeden Fall wird das Thema Stadtbegrünung wieder weiter diskutiert werden. Wenigstens in neuen Baugebieten sollte es möglich sein, Bäume und Grünflächen einzuplanen. Damit es nicht aussieht wie im Bäckergang und im Schlossquartier.

(Das Foto zeigt einen Baum am Westring mit Banderole. Gesehen im September. Es könnte einer der Bäume sein, die zur Fällung vorgesehen sind.)

Fridays for Future im Dialog mit der Lokalpolitik

Eine Gruppe von Fridays for Future (FfF) besuchte den Innen- und Umweltausschuss – als Auftakt für einen regelmäßigen Austausch. Am 14. Dezember 2018 fand der erste bedeutsame Klimastreik in Kiel statt, seitdem streiken die Schüler*innen jede Woche. Die Ratsversammlung hat beschlossen, dass der Innen-und Umweltausschuss in einen Dialog mit der Umweltbewegung Fridays for Future tritt.

Die jungen Leute von FfF durften zum Auftakt der Sitzung ihre Forderungen erläutern.

  • Sie halten das aktuelle Klimapaket für absolut nicht ausreichend, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen.
  • Sie hatten gefordert, bis Ende 2019 alle Subventionen in fossile Energie zu streichen.
  • Sie halten eine CO2-Steuer von mindestens 180 Euro , besser 600 Euro pro Tonne CO2 für notwendig.
  • Außerdem ärgern sie sich, dass sie in der Schule Müll trennen und die Putzleute den Müll dann zusammen kippen.
  • Sie wünschen mehr Stadtbegrünung.
  • Alle Ausgaben der Stadt müssen auch ökologisch sein.
  • Schiffe sollten Landstrom abnehmen müssen.
  • Alle Energie sollte erneuerbar sein.
  • Hannah Lüthje sagte, sie persönlich fände eine CO2-Steuer, die an die Bürger zurückgeben wird, sehr gut, weil das den sozialen Ausgleich schaffen würde.

Klimaschutz und Realpolitik

Max Dregelies (SPD) antwortete zunächst zustimmend: “Vieles, was ihr angesprochen habt, teilen die Mitglieder dieses Ausschusses.” Dann wies er aber auf die Realitäten der Kommunalpolitik hin, wo Vieles aus rechtlichen Gründen oder aus finanziellen Gründen nicht möglich sei. So komme eine Kommune nicht an der Straßenverkehrsordnung vorbei. Oder Beispiel Bus: sowohl ein günstiger oder sogar kostenloser Tarif als auch ein besserer Takt koste Geld. “Wenn wir 20 Millionen Euro für kostenlosen ÖPNV ausgeben, müssen wir diskutieren, wo sparen wir. An Schulen? An Fahrradwegen? Wir können keine Steuern erhöhen”. Das 1-Euro-Ticket ist eigentlich auch schon beschlossen, aber es wird nicht umgesetzt, weil das Geld fehlt.

Robert Vollborn (CDU) kritisierte die Windkraft wegen dem Töten von Vögeln. Eine der jungen FfF Frauen sagte, viele mehr Vögel würden an Fensterscheiben sterben. Wenn es um Vogelschutz ginge , sollte man erst einmal Streifen an alle Fensterscheiben kleben, bevor man etwas gegen Windräder sagt.

Von einigen Ratsleuten wurde FfF angegangen, weil sie sehr fordernd auftreten. “Wenn wir nicht fordern, wenn wir nicht Druck ausüben, passiert nichts”, sagte Dorothea Lötzel. Sie erhielt für diese Position auch Unterstützung. Etwa durch Björn Thoroe, der Klimastreiks, Ende Gelände und Extinction Rebellion für wichtig hält, weil es Druck aufbaut.

Für Fridays for Future hat Klimaschutz Priorität, aber nicht für die Kommunalpolitiker*innen

In der Debatte ging es immer wieder um Prioritäten, weil die kommunale Selbstverwaltung auch noch andere Ziele verfolgt als den Klimaschutz. Beispiele sind Bildung, Digitalisierung oder Wohnungsbau. Baudezernentin Grondke wies darauf hin, dass 23 Maßnahmen aus dem Masterplan Klimaschutz vorgezogen werden, wenn die Ratsversammlung zustimmt. Bildung und Wohnungsbau wären jetzt aber ebenfalls wichtig. “Es ist immer ein Abwägungsprozess.”

Vor allem die Bautätigkeit steht sehr im Widerspruch zu den Klimazielen, denn die Häuser, die jetzt gebaut werden, werden in 30 Jahren noch geheizt, wahrscheinlich mit fossilen Brennstoffen.

Klimaschutz und soziale Fürsorge

Neben der Machbarkeit und dem Konflikt mit anderen Zielen, stand auch noch der soziale Aspekt von Klimaschutz in der Debatte. Beispiel : energetische Sanierungen, die auf die Miete umgelegt werden, treffen Mieter*innen unter Umständen hart. Hannah Lüthje (FfF) sprach sich für den Ökobonus aus, dabei wird die CO2-Steuer als Kopfpauschale an die Bürger zurückgegeben, sodass sogar ein Einkommenstransfer stattfindet. Arne Stenger (Grüne) formulierte den großen Zusammenhang sehr schön: “Wir müssen uns erst einmal klar werden, was wir tun müssen, und das dann mit sozialer Fürsorge umsetzen. Eigentlich ist Klimaschutz weltweit gesehen, ein sehr soziales Projekt”. Er sagte, als Industrieland können wir Dämme bauen, und wir können versuchen, Dithmarschen trocken zu pumpen. Aber Bangladesch könne so etwas nicht.

Am Ende verabredeten sich Baudezernentin Doris Grondke mit den FfF-Leuten zu einem weiteren Gespräch . Auch der Dialog mit dem Innen- und Umweltausschuss soll fortgesetzt werden, wenn Fridays for Future das wünschen.

Für den 29. November ist wieder ein großer Klimastreik angesagt.

(Foto: Die große Klimademo vom 20. September 2019)

Lotte Laserstein – die wiederentdeckte Künstlerin

Lotte Laserstein war eine bekannte Künstlerin in der Weimarer Republik, und geriet dann in Vergessenheit, bis sie in den 80er Jahren von englischen Galeristen wiederentdeckt und mit einer großen Ausstellung gewürdigt wurde. Jetzt ist sie in der Kunsthalle zu Kiel zu sehen. Es lohnt sich wirklich sehr!

Sie malte im Stil der “neue Sachlichkeit” Portraits von russischen Flüchtlingen, von Intellektuellen, von modernen Frauen. Oft stand ihre Freundin Traute Rose Modell, auch als Aktmodell. Es entstanden respektvolle, nicht voyeuristische Darstellungen des weiblichen Körpers. Lasersteins technisches Können ist außergewöhnlich.

Sie konnte ihr Leben lang von ihrer Kunst leben. In den 20er und 30er Jahren war eine Malschule ihre Haupteinnahmequelle. Während der NS-Diktatur wurde ihre Malschule geschlossen und sie konnte keine Gemälde mehr verkaufen. Glücklicherweise konnte sie eine Ausstellung in Schweden dazu nutzen, sich selber und viele Werke in Sicherheit zu bringen. In Schweden bestritt sie dann ihren Lebensunterhalt mit Auftragsarbeiten. Sie potraitierte die schwedische Oberschicht. Insgesamt umfasst ihr Werk 10.000 Bilder. Der breiten Öffentlichkeit war sie aber nach ihrer Emigration nicht mehr bekannt – bis zu ihrer Wiederentdeckung.

Es hat mich wirklich gewundert, wie eine so interessante Künstlerin vergessen werden konnte. “Ihre Werke sind weder politisch aufgeladen noch karikierend oder sozial anklagend”, schreibt Alexander Eiling im Ausstellungskatalog Lotte Laserstein. Dieser konservative Stil mag ein Grund gewesen sein. Ein anderer Grund war ihr sozialer Absturz, nachdem sie von den Nazis als Jüdin eingestuft wurde. Es gelang ihr nicht, sich in der Emigration als autonome Künstlerin durchzusetzen, wobei sie nie aufhörte zu malen. Aber ihre Auftragsarbeiten gelten als gefälliger und die Themen waren nicht selbst gewählt.

Vielleicht hatte sie es auch als Frau schwerer in der öffentlichen Wahrnehmung? Für mich wäre diese Erklärung sehr logisch, nachdem ich gerade die Fernsehserie “Die neue Zeit” gesehen habe, in der es um das Bauhaus in der Weimarer Republik geht. Im Mittelpunkt der Serie steht eine Kunststudentin , dargestellt von Anna Maria Mühe. Sie kämpft darum, sich in der Männerwelt der Kunst zu behaupten und sich nicht in das Seminar für Weben und Handarbeiten abdrängen zu lassen. Mein Tipp: Erst in die Ausstellung und dann die Serie sehen.

Ausstellung “Lotte Laserstein: Von Angesicht zu Angesicht”, 21. September 2019 – 19. Januar 2020. http://www.kunsthalle-kiel.de/de/ausstellungen/Laserstein.html

Dieser Artikel könnte dich auch interessieren: Ein persönliches Erlebnis am Tag der November-Pogrome

Internationaler Klimastreik auch in Kiel

Fridays For Future kündigt Aktionstag für den 29.11. an. In Kiel beginnt die Demonstration um 11:56 auf dem Exerzierplatz.

Pressemitteilung:

Nach der Veröffentlichung des Klimapakets der Bundesregierung kündigt Fridays For Future einen weiteren globalen Aktionstag für den 29. November 2019 an.

In einem offenen Brief an die Bundesregierungstellen Aktivistinnen und Aktivisten die Handlungsfähigkeit der Koalition im Angesicht der Dringlichkeit der Klimakrise in Frage und fordern die Bundesregierung auf, das unzureichende Klimapaket grundlegend zu überarbeiten.

“Der CO2-Preis kommt zu spät und in einer lächerlich geringen Höhe, die Erhöhung der Pendlerpauschale ist eine fossile Subvention, die klimaschädlichen Verhalten fördert anstatt es unattraktiver zu machen, der Ausbau der erneuerbaren Energien wird erschwert und der viel zu späte Kohleausstieg wird gar nicht angetastet – dieses Klimapaket verdient seinen Namen nicht”, erklärt Pauline Brünger, Schülerin und Fridays For Future-Aktivistin aus Köln.

Der weltweite Aktionstag findet am Freitag vor Beginn der Weltklimakonferenz in Chile statt.

Gegen Ende des Jahres wird zudem das Gesetzgebungsverfahren für den Kohleausstieg erwartet. Dieses wird – wie auch das Klimapaket – nicht ausreichen, um das Pariser Klimaabkommen einzuhalten.

“Den Kohleausstieg auf 2038 zu verschieben ist ein Schlag ins Gesicht der jungen Generation und der Menschen im globalen Süden, wo bereits jetzt die dramatischen Folgen der Klimakrise zu spüren sind”, ergänzt Nick Heubeck, Student und Fridays For Future-Aktivist aus Bamberg.

Bereits jetzt haben Aktivistinnen und Aktivisten aus über 100 Städten ihre Beteiligung am Aktionstag angekündigt. Neben klassischen Streiks werden sowohl in Deutschland als auch weltweit kreative Proteste erwartet, die den Druck auf die Regierungen erhöhen. Ende der Pressemitteilung.

Mehr Info: https://fridaysforfuture.de/neustartklima/#map

(Das Foto stammt von der großen Klimademo in Kiel am 20. September.)

Textildiscounter Primark eröffnet in Kiel

Die vor 50 Jahren gegründete irische Modekette ist auf Expansionskurs, nun auch in Kiel. Am 6. November um 10 Uhr eröffnet das neu gebaute Kaufhaus Primark. Auf 4,100 Quadratmetern stapeln sich Textilien zu Niedrigstpreisen. Beispiel: T-Shirt für 5 Euro. Nach eigenen Angaben kann Primark so günstig produzieren, weil sie auf Werbung weitgehend verzichten und keine teuren Kleiderbügel verwenden. Die meisten Artikel liegen auf Stapeln, die Größen sind auf Klebestreifen angegeben. Allerdings wird Primark auch für die Arbeitsbedingungen in der Produktion und für seine preisdrückenden Verhandlungen kritisiert.

Toplage am Berliner Platz

Die neue Filiale befindet sich am Berliner Platz, zwischen Bootshafen, Holstenstraße und Andreas-Gayck-Straße, da wo das alte Woolworth-Gebäude stand. Dieser Bereich der Innenstadt erfährt derzeit eine Aufwertung durch den Kleinen Kiel Kanal, der bis Ende des Jahres fertig sein soll.

Primarks Verhaltenskodex

Laut Eigendarstellung hält sich Primark an einen Verhaltenskodex, der Kinderarbeit verbietet, wobei die Kindheit mit 14 endet. Allerdings sind 48 Arbeitsstunden in der Woche vom Verhaltenskodex erlaubt, was schon sehr viel ist. Primark unterhält keine eigenen Fabriken, sondern lässt in Fabriken produzieren, die auch für andere Kunden arbeiten. Nach eigenen Angaben werden die Fabriken sorgfältig ausgewählt. Dass die Bedingungen des Verhaltenskodex nicht immer eingehalten werden, bestätigte Primark in drei Fällen. Eine Recherche der Christlichen Initiative Romero (CIR) hatte über Fabriken berichtet, in denen Arbeiter*innen 80 Wochenstunden arbeiteten und dabei weniger als den gesetzlichen Mindestlohn ihrer Landes verdienten. Die Frankfurter Rundschau berichtete darüber.

Proteste begleiten die Eröffnung

Rund um die Eröffnung des Textildiscounters wird in Kiel demonstriert. ATTAC ruft für den Samstag, 9. November um 14 Uhr zu einer Kundgebung vor der Primark-Filiale auf. “Fast Fashion Kills – Primark verdient, wir alle zahlen den Preis”, ist das Motto. ATTAC nimmt Primark zum Anlass, um generell gegen Textilien als Wegwerf-Artikel zu protestieren. Der günstige Preis ermöglicht einen verschwenderischen Umgang mit Kleidung.

Die BUNDjugend Schleswig-Holstein beklagt die menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen und den hohen Einsatz von Chemikalien in Teilen der Textilindustrie. Sie lädt zu einer Silent Line am Freitag, 8. November um 14 Uhr und am Samstag, 16. November um 12 Uhr ein, jeweils vor der Filiale.

Für den 9. November (16- 18 Uhr) lädt die Grüne Jugend zum Kleidertausch vor Primark ein.

Wenn du nach fairer Mode in Kiel suchst, könnte dich diese Zusammenstellung interessieren: Fairkleidet in Kiel

OB-Wahl entschieden

Mit deutlicher Mehrheit konnte Dr. Ulf Kämpfer, der amtierende Oberbürgermeister von Kiel seine Wiederwahl sichern. Gemäß Zwischenergebnis von 19 Uhr erhielt er 66 Prozent der Stimmen. Er hatte die Unterstützung von SSW, Grüne und FDP und natürlich seiner eigenen Partei SPD. Somit konnte er auch sein Wahlergebnis von 2014 (63 Prozent) steigern.

Für Dr. Andreas Ellendt (CDU) stimmten 20,2 Prozent, für Björn Thoroe 9 Prozent und für Florian Wrobel (die „Partei“) 4,8 Prozent.

Die Wahlbeteiligung fiel mit 38,4 Prozent unter den Wert der letzten OB-Wahl. Damals beteiligten sich 45.8 Prozent der Kieler*innen , womöglich weil die OB-Wahl damals mit dem Bürgerentscheid zum Thema Möbel Kraft gekoppelt war.

Das Endergebnis steht noch aus, insofern können sich diese Zahlen noch etwas ändern.

Burn Candles, not Oil: Klima-Demo auf dem THR

Der Theodor-Heuss-Ring wird allmählich zu einem beliebten Ort für Demonstrationen. Heute riefen Fridays for Future Gaarden und TKKG Turboklimakampfgruppe Kiel zu einem Laternen-Laufen auf dem Theodor-Heuss-Ring auf. Etwa 340 Menschen folgten dem Aufruf . Die Route der Klima-Demo ging vom Vinetaplatz über die Gablenzbrücke zum Theodor-Heuss-Ring und endete gegen 19 30 am Schützenpark.

Um 17 Uhr sammelten sich die Leute mit fantasievollen Laternen, die meisten selbst-gebastelt, auf dem Vinetaplatz in Gaarden. Ich unterhielt mich im Vorfeld mit einigen Leuten, und war erstaunt, dass einige nicht aus politischen Gründen teilnahmen, sondern weil sie die Idee lustig fanden. Anders ein Student der Stadtentwicklung, der die Stadt mit gestalten möchte und zwar in Richtung weniger Verkehr und mehr Klimaschutz. Das entspricht auch der Intention dieser Demonstration.

Als es dunkel wurde, sahen die Laternen schön aus. Die Demonstration verlief friedlich und war auch sehr ruhig, weil es keine Beschallung durch Lautsprecher gab. Die Demonstration stand unter dem Motto: Burn Candles, not Oil. Brennt Kerzen anstatt Erdöl. “ Der Verkehrssektor ist einer der größten CO2-Verursacher, die es gibt. Autos sind durchaus nützlich und viele von uns sind auf sie angewiesen – doch sie schaden dem Klima, der Luftsauberkeit, und sie nehmen unglaublich viel Platz weg, der sich so viel schöner nutzen lässt“, so stand es im Aufruf.

Für den 29. November haben Fridays for Future zu einem erneuten globalen Klimastreik aufgerufen. Zeit und Ort sind für Kiel noch nicht bekannt gegeben. Es darf wohl vermutet werden, dass es wieder über den symbolträchtigen Theodor-Heuss-Ring (B76) gehen wird. Das ist die Straße, die an einer Mess-Stelle bis vor Kurzem die dritt-höchsten Stickoxidwerte in ganz Deutschland hatte.

Dieser Artikel könnte dich auch interessieren: Bericht von der Klima-Demo am 20. September

OB-Wahl: KN-Talk als Stimmungsbild

Heute Abend füllte sich das Audimax anlässlich des KN-Talks mit den Kandidaten zur OB-Wahl. Insgesamt war die Veranstaltung informativ und kurzweilig. Unmöglich 90 Minuten auf einer Seite zusammenzufassen. Deshalb hier nur einige subjektive Wahrnehmungen von mir zu diesem Abend.

Um gleich mit etwas Kritik zu beginnen: Sehr befremdlich fand ich die Aufforderung, durch die Lautstärke des Klatschens Zustimmung für die Kandidaten auszudrücken. Als das Klatschexperiment erklärt wurde, gab es einige laute Unmutsbekundungen aus dem Publikum. Eigentlich haben wir doch das Prinzip der geheimen Wahl. Ich selber löste das Dilemma , indem ich alle Kandidaten mit höflichem Beifall bedachte. Trotzdem war das Experiment interessant und auch überraschend für mich. Ich hatte Ulf Kämpfer für den eindeutigen Favoriten gehalten, aber tatsächlich schien der Applaus für Kämpfer und Andreas Ellendt gleich stark zu sein. Beide erhielten deutlich mehr Applaus als Björn Thoroe und Florian Wrobel. Bin gespannt, ob die KN die Dezibel gemessen hat und das Ergebnis veröffentlicht.

Schlips verschwindet

Ausgerechnet der jüngste Kandidat (Florian Wrobel/ die “Partei”) trug als einziger Schlips. Sonst kamen die Herren im dunklen Anzug mit offenen Kragen (Kämpfer /SPD und Ellendt/CDU) oder im Sweatshirt (Björn Thoroe/ Linke).

Gleiches und Unterschiede

Alle Kandidaten wollen Wohnungen bauen, eine Stadtbahn planen und Kitas und Schulen sanieren. Kämpfer wies darauf hin, dass in den vergangenen Jahren schon 500 Millionen in Schulen und Kitas investiert worden sind. Klimaschutz hat auch Top-Priorität, wobei Klimaschutz an diesem Abend nicht so gründlich behandelt wurde. Es gab aber doch auch Unterschiede in den Zielvorstellungen.

  • Entwicklung des MfG-5 Geländes: Andreas Ellendt meinte, das könnte viel schneller passieren, Florian Wrobel von der Satire-Partei möchte übrigens bald sein Zelt dort aufstellen und dort wohnen.
  • Björn Thoroe schlägt eine Soziale Erhaltungssatzung vor, mit der die Umwandlung von Mietwohnungen zu Eigentumswohnungen genehmigungspflichtig wäre, ebenso Modernisierungen.
  • Björn Thoroe ist dafür, Kreuzfahrtschiffe zur Abnahme von Landstrom zu verpflichten. Kämpfer setzt auf Freiwilligkeit bzw auf mit anderen Häfen abgesprochene Vorgehensweisen, da die Kreuzfahrtschiffe ein Wirtschaftsfaktor für Kiel sind. Florian Wrobel würde die Kreuzfahrtschiffe ganz nach Laboe verlagern.
  • Andreas Ellendt würde den Prüner Schlag zurückkaufen, wenn es eine Gelegenheit dazu gäbe.

Innenstadtentwicklung und Holstenfleet

Andreas Ellendt sieht die lange Bauphase des Holstenfleets als ein Grund für die Probleme der Holstenstraße. Ulf Kämpfer sieht das Holstenfleet dagegen als Teil der Lösung und verweist auf neue Geschäfte, die eröffnet haben oder es demnächst werden, z.B. Primark. Kämpfer findet es auch in Ordnung, wenn es auf der Holstenstraße einen Ein-Euro Shop gibt. Ellendt stellt sich dagegen eher eine Auswahl an Cafés und hochwertigem Einzelhandel wie in der Holtenauer Straße vor. Allerdings ohne zu sagen, wie er das bewerkstelligen würde. Florian Wrobel würde die Innenstadt gerne komplett fluten und zum Venedig des Nordens machen.

Björn Thoroe war der einzige, der sich zur Weiterführung der A21 äußerte. Er möchte die Südspange und das Autobahnkreuz am Vieburger Gehölz verhindern. Ellendt und Kämpfer sagten nichts zu diesem Thema. Schade, dass die Moderator*innen die A21 nicht weiter thematisierten.

Am 27. Oktober können die Kieler*innen ihren Oberbürgermeister wählen. Diesmal in geheimer Wahl und nicht durch Applaus-Abstimmung.

Weitere Artikel zur OB-Wahl: Gespräch mit Björn Thoroe , Kämpfer beginnt Wahlkampagne , Gespräch mit Andreas Ellendt , Florian Wrobel im Gespräch

Neun Umweltverbände fordern Erhalt des Kieler Klimagürtels

Pressemitteilung: Vorfahrt für den Klimagürtel mit dem zukünftigen Kieler Oberbürgermeister –keine Planung der Südspange

Ein breites Bündnis aus 9 Kieler Umweltverbänden und Initiativen fordert die Oberbürgermeisterkandidaten auf, sich eindeutig für den Erhalt des Kieler Grün-und Klimagürtels und damit für den Planungsstopp der Südspange sowie der A21-Nebenstrecke einzusetzen.

Die Kieler Ratsversammlung hat sich bisher um einen Beschluss zu einer konkreten Variante des A21-Anschlusses in Kiel gedrückt. Damit haben Politik und Verwaltung die Verantwortung sowie die Möglichkeiten der aktiven Gestaltung ohne Not dem Bund überlassen. Dass eine Landeshauptstadt bei einem Projekt dieser Größenordnung freiwillig das Heft seiner Gestaltungsmöglichkeiten aus derHand gibt, ist ein politisches No-Go. Der Bund hat sich dann für den Ausbau der A21 bis in die Stadt sowie den Bau der Südspange und Nebenstrecke entschieden.

Die geplante Südspange und Nebenstrecke zur A21 sowie die neuen Autobahnkreuze würden einen schwerwiegenden Eingriff in den Kieler Grüngürtel bedeuten. In Zeiten des Klimawandels ist der Grüngürtel wichtiger denn je als „Klimagürtel“. „In Anbetracht, dass Kiel den Klimanotstand ausgerufen hat, darf die Grüne Lunge Kiels nicht weiter zerschnitten werden“, so Ulrike Hunold von der BUND-Kreisgruppe Kiel. Auch hinsichtlichder Verkehrslenkung macht die Südspange keinen Sinn, denn durch den zusätzlichen Autoverkehr wird es an den bestehenden Engpässen wie z.B. Theodor-Heuss-Ring zu noch mehr Staus kommenals bisher.

„Sozialpolitisch ist die Planung der Südspange und der A21-Nebenstrecke durch Gaarden Süd ebenfalls eine Katastrophe. Bedeutende Kieler Naherholungsgebiete sowie die Wohngebiete Kronsburg und Gaarden Süd würden durch den zusätzlichen Verkehrerheblich belastet und damit entwertet werden. Und die zusätzliche Zerschneidung durch die geplanten Straßen würden das Artensterben in Kiel weiter vorantreiben“, stellt Hartmut Rudolphi vom NABU Kiel fest.

Das Bündnis „Vorfahrt für den Klimagürtel“ fordert daher, die Autobahn bei Kiel-Wellsee enden zu lassen sowie den Grüngürte vollständig zu erhalten. Daher ist die Planung der Südspange sowie der Straße entlang des Eidertal-Wanderweges und durch Gaarden Süd einzustellen. Und zwar jetzt, bevor unnötig Steuergelder für die Planungen verbrannt werden.

Unterzeichnet von: Bürgerinitiative Klimaschutz, Bielenbergkoppel.de, Fridays for Future Kiel, NABU, Greenpeace Kiel, Gaarden autofrei, BUND, VCD und Projekt Prüner Park