Das Coworking-Büro Rockzipfel
verbindet Kinderbetreuung mit Arbeitszeit für die Eltern. Es richtet
sich an Eltern, die keinen Kitaplatz finden oder die ganz bewusst ihr
Kind erst spät oder gar nicht in Fremdbetreuung geben möchten. Was
früher normal war – die Kinder selber erziehen – ist heute ein
neuer Trend und heißt Attachment Parenting. Dazu gleich mehr.
Rockzipfel in einer geräumigen
Wohnung.
Die geräumige Altbauwohnung ganz in
der Nähe des Blücherplatzes hat ein großes Spielzimmer, eine
Küche, einen Büroraum und einen Ruheraum mit Kinderbett und
Matratzen. Wenn niemand ruht, kann der Ruheraum auch zum Telefonieren
genutzt werden. 16 Stunden kosten 100 Euro für Mitglieder und 120
Euro für Nichtmitglieder. Die Mitgliedschaft im Verein Rockzipfel
wird eigentlich gewünscht, weil die Gemeinschaft und nicht der
Service im Mittelpunkt stehen soll. Eine Schnupperwoche ist möglich.
Die Eltern beaufsichtigen abwechselnd die Kinder während die anderen
Eltern am Laptop arbeiten oder die Zeit nutzen , um zu lesen oder
Emails zu beantworten. Von den 16 Stunden sollten etwa vier Stunden
für Kinderbetreuung eingeplant werden. Die Kinder, die zur Zeit das
Angebot nutzen rangieren im Alter von 10 Monaten bis zu fünf Jahren.
Attachment Parenting
Der Rockzipfel sieht sich in der
Tradition des Attachment Parenting. Diese pädagogische Richtung
orientiert sich radikal an den Bedürfnissen des Kindes. Maßgebliche
Bücher sind Benjamin Spocks “Säuglings- und Kinderpflege” von
1946, dann Jean Liedloffs “Auf der Suche nach dem verlorenen Glück”
von 1975 und William Sears “Creative Parenting” von 1982. Der
Begriff Attachment Parenting bürgerte sich erst später ein.
Empfohlen wird , die Babys viel zu tragen, sie bei den Eltern
schlafen zu lassen, und sie erst in den Kindergarten zu schicken,
wenn sie sprechen können. Die Idee ist, dass Kinder, deren Bedürfnis
nach Geborgenheit maximal erfüllt wird, zu seelisch robusten
Erwachsenen werden. Das Attachment Parenting verlangt den Eltern
einiges an Zeit und Geduld ab. Vor allem das Erziehen zu Hause wird
immer schwieriger, da immer mehr Kinder in die Kita gehen und somit
nicht mehr als Spielkameraden in der Nachbarschaft zur Verfügung
stehen. So entstand bei den Gründerinnen des Rockzipfels die Idee,
die Kinder gemeinsam zu betreuen, sodass sie mit anderen Kindern
spielen können und die Eltern gleichzeitig ein wenig arbeiten
können.
Rockzipfel eröffnete im August 2018
Das Gründerteam um Sabrina Theophil und Gina Jaschik recherchierte nach Modellen, wie man Kinder gemeinsam aufwachsen lässt, ohne sie von den Eltern zu trennen. Leitidee war das afrikanische Sprichwort, dass es ein ganzes Dorf braucht, um ein Kind zu erziehen. In Leipzig fanden sie ein Vorbild für das Konzept des Rockzipfels: ein Coworking-Space mit gemeinsamer Kinderbetreuung. Sie lernten, wie man einen Verein gründet und suchten eine Wohnung. Im August 2018 war es dann so weit: der Verein konnte seine Arbeit aufnehmen. Sie erreichten auch eine Finanzhilfe vom Jugendamt von knapp 6.000 Euro für das Jahr 2019, was nicht viel ist im Vergleich zu den Zuwendungen, die Kitas erhalten.
Ausblick und Zukunftssorgen
Da es zur Zeit wenig Nutzer*innen gibt, hat das Büro nur an zwei Tagen in der Woche geöffnet und zwei Ehrenamtliche arbeiten mit, damit die Eltern auf ihre Stunden kommen. Geplant sind aber weitere Öffnungstage. Svenja, mit der ich sprach sagt, der Verein suche dringend Familien, die sich von diesem Konzept angesprochen fühlen. “Die nächsten Monate sind entscheidend für unser Fortbestehen“. Es wäre doch schade, wenn eine so kinderfreundliche Idee keinen Fortbestand in Kiel hätte.
Kontakt:
Rockzipfel Kiel e.V., Esmarchstraße 44, 24105 Kiel, Tel 0431 6966 3835
www.rockzipfel-kiel.de
facebook.com/Rockzipfel.Kiel
Infos über Attachment Parenting: https://de.wikipedia.org/wiki/Attachment_Parenting
www.naturalchild.org
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