Nachtrag : In Kiel beginnt eine Großdemo an diesem Tag um 11.55 auf dem Rathausplatz. Dazu ruft Fridays for Future auf.
Aufruf von “Fridays for Future”
Streikt mit uns!
Einmal mehr wird man unsere Stimmen auf den Straßen hören, aber es kann
nicht nur an uns hängen bleiben. Deshalb rufen wir alle Menschen zu
einem weltweiten Klimastreik auf.
Gastbeitrag von Greta Thunberg, Luisa Neubauer und Aktivistinnen von “Fridays for Future”
Die weltweiten Proteste der Schülerinnen, Schüler und Studierenden gegen
die Tatenlosigkeit von Politik, Industrie und Gesellschaft angesichts
des Klimawandels begannen am 20. August 2018. Da verweigerte die damals
15-jährige schwedische Schülerin Greta Thunberg den Unterricht. Weltweit
streiken seither jeden Freitag Kinder und junge Erwachsene. Am 15. März
2019, einem der bisher stärksten Aktionstage, sollen es fast 1,8
Millionen gewesen sein. In Deutschland gehört Luisa Neubauer zum
Organisationsteam der “Fridays for Future”-Aktionen. Nach Meinung der
Bewegung reicht es aber nicht mehr, dass nur die Generation handelt,
deren Zukunft gefährdet ist. Deswegen nun dieser Aufruf an die
Generation, die die Zukunft heute gestaltet.
“Am Freitag gehen wir in großer Zahl in 110 Ländern bei mehr als 1350
Veranstaltungen auf die Straße und fordern, dass Regierungen umgehend
einen sicheren Weg beschreiten, die Erderwärmung unter 1,5 Grad Celsius
zu halten. Wir haben Wochen und Monate damit verbracht, diesen Tag
vorzubereiten. Wir haben zahllose Stunden organisiert und mobilisiert,
in denen wir auch einfach mit unseren Freunden herumhängen oder für die
Schule hätten lernen können.
Wir, Kinder und junge Erwachsene, haben festgestellt, dass wir keine
Wahl haben: Jahre sind mit Gerede vergangen, mit unzähligen
Verhandlungen, mit nutzlosen Vereinbarungen zum Klimawandel. Firmen, die
fossile Brennstoffe fördern, durften jahrzehntelang ungehindert in
unseren Böden schürfen und unsere Zukunft abfackeln. Politiker wussten
seit Jahrzehnten über den Klimawandel Bescheid. Sie haben ihre
Verantwortung für unsere Zukunft bereitwillig Profiteuren überlassen,
deren Suche nach schnellem Geld unsere Existenz bedroht.
Wir haben begriffen: Wenn wir nun nicht damit beginnen, für unsere
Zukunft einzustehen, wird niemand anderes den Anfang machen. Wir selbst
sind die, auf die wir gewartet haben.
Einmal mehr wird man unsere Stimmen auf den Straßen hören, aber es kann nicht nur an uns hängen bleiben.
Wir haben das Gefühl, dass viele Erwachsene noch nicht ganz verstanden
haben, dass wir jungen Leute die Klimakrise nicht alleine aufhalten
können. Tut uns leid, wenn Sie das nicht wahrhaben wollen. Aber das ist
keine Aufgabe für eine einzelne Generation. Das ist eine Aufgabe für die
gesamte Menschheit. Wir jungen Leute können unseren Beitrag für einen
größeren Kampf leisten, und das kann einen großen Unterschied machen.
Aber das funktioniert nur, wenn unser Aufschlag als Aufruf verstanden
wird.
Deswegen ist dies unsere Einladung. Am Freitag, 20. September, werden
wir mit einem weltweiten Streik eine Aktionswoche für das Klima
beginnen. Wir bitten Sie, sich uns anzuschließen. Es gibt in
verschiedenen Teilen der Welt viele verschiedene Pläne für Erwachsene,
sich zusammenzuschließen, Farbe zu bekennen und sich für unser Klima aus
der Komfortzone herauszuwagen. Lasst uns diese Pläne zusammenbringen;
gehen Sie an diesem Tag mit Ihren Nachbarn, Kollegen, Freunden und
Familien auf die Straße, damit unsere Stimmen gehört werden und dies ein
Wendepunkt in der Geschichte wird.
Es geht darum, Linien zu überschreiten – es geht darum zu rebellieren,
wo immer man rebellieren kann. Es geht nicht darum zu sagen, “Yeah, was
die Kids da tun, ist großartig, wäre ich noch jung, würde ich so was von
mitmachen”. Das hilft uns nicht weiter, aber jeder kann und muss
mithelfen.
Während der Französischen Revolution sind Mütter in Scharen für ihre
Kinder auf die Straße gegangen. Heute kämpfen wir Kinder alleine für uns
selbst, während so viele unserer Eltern damit beschäftigt sind zu
diskutieren, ob unsere Noten gut sind, ob wir unsere Ernährung umstellen
sollen oder was im “Game of Thrones”-Finale passiert ist – während
unser Planet brennt.
“Wir zählen auf Sie”
Dieser Moment muss kommen. Der Bericht über den Klimawandel des
Weltklimarates hat deutlich gemacht, was die noch nie dagewesenen
Gefahren einer Erwärmung über 1,5 Grad Celsius bedeutet. Emissionen
müssen rapide sinken, damit wir in unseren Mitt- und Spätzwanzigern in
einer vollkommen anderen Welt leben.
Aber um alles zu verändern, brauchen wir alle. Es ist Zeit für uns alle,
massenhaften Widerstand zu leisten – wir haben gezeigt, dass kollektive
Aktionen funktionieren. Wir müssen den Druck erhöhen, um
sicherzustellen, dass der Wandel passiert. Und wir müssen ihn gemeinsam
beschleunigen.
Dies ist also unsere Chance – schließt euch unseren Klimastreiks und
-aktionen in diesem September an. Die Menschen haben sich schon oft
zusammengetan, um Taten zu fordern und Wandel loszutreten, wenn wir das
in großer Zahl tun, haben wir eine Chance. Wenn uns das wirklich wichtig
ist, müssen wir mehr tun, als zu sagen, dass das wichtig ist. Wir
müssen handeln.
Dies wird nicht der letzte Tag sein, an dem wir auf die Straße ziehen müssen, aber es wird ein neuer Anfang sein.
Wir zählen auf Sie.”
Greta Thunberg (Schweden), Kyra Gantois (Belgien), Luisa Neubauer
(Deutschland), Eslem Demirel (Schweiz), Noga Levy-Rapoport
(Großbritannien), Isra Hirsi (USA), Angela Valenzuela (Chile), Martial
Breton (Frankreich), Nurul Fitrah Marican (Malaysia), Asees Kandhari
(Indien), Jessica Dewhurst (Südafrika), Alexandria Villasenor (USA),
Jonas Kampus (Schweiz), George Bond (Großbritannien), Lena Bühler
(Schweiz), Kallan Benson (USA), Linus Dolder (Schweiz), Beth Irving
(Großbritannien), Zel Whiting (Australien), Marenthe Middelhoff
(Niederlande), Lubna Wasim (Indien), Radhika Castle (Indien), Zhang
Tingwei (Taiwan), Parvez Patel (Indien), Wu Chun-Hei (Taiwan), Anjali
Pant (Indien), Tristan Vanoni (Frankreich), Luca Salis (Deutschland),
Brian Wallang (Indien), Anisha George (Indien), Hiroto Inoue (Japan),
Haven Coleman (USA), Maddy Fernands (USA), Feliquan Charlemagne (USA),
Salomée Levy (USA), Karla Stephan (USA), Anya Sastry (USA), Claudio
Ramirez Betancourt (Chile), Vicente Gamboa Soto (Chile), Julia Weder
(Kanada), Lilly Platt (Niederlande), Balder Claassen (Niederlande),
Kassel Hingee (Japan), Maria Astefanoaei (Japan), Pavol Mulinka
(Slovakei).
Ein Aufruf der Erwachsenen:
Am Freitag den 20. September werden wir auf Bitte der jungen
Menschen, die rund um die Welt Schulstreiks organisieren, unsere
Arbeitsplätze und Wohnungen verlassen, um einen Tag lang Maßnahmen gegen
den Klimawandel zu fordern, die große, existenzielle Bedrohung der
gesamten Menschheit. Es wird ein eintägiger Klima-Streik sein und der
Auftakt zu einer Woche mit Klima-Aktionen auf der ganzen Welt. Wir
hoffen, damit eine Zeitenwende einzuleiten. Und wir hoffen, dass sich
uns viele Menschen anschließen und ihre Büros, Bauernhöfe und Fabriken
verlassen; dass Politiker ihren Wahlkampf unterbrechen und Fußballstars
ihre Spiele; dass sich Schauspieler abschminken und Lehrer ihre Kreide
niederlegen; dass Köche ihre Restaurants schließen und für die
Protestierenden kochen; und dass Rentner ihren Alltagstrott
unterbrechen. Damit unsere führenden Politiker endlich diese Botschaft
hören: Jeden einzelnen Tag verursacht unser Lebensstil eine ökologische
Krise, die eine gesunde, sichere Zukunft auf unserem Planeten unmöglich
macht.
Wir sind uns wohl bewusst, dass dieser Streik und die internationale
Klima-Aktions-Woche alleine am Lauf der Dinge nichts ändern wird. Die
gute Nachricht ist, dass uns die Technologien zur Verfügung stehen, die
wir brauchen – der Preis eines Solarpanels ist in den letzten zehn
Jahren um 90 Prozent gefallen. Und wir wissen, durch welche politischen
Maßnahmen sie wirksam werden: Überall auf dem Planeten sind Formen eines
Green New Deal vorgeschlagen worden, Gesetze, die rasch fossile
Energiequellen durch Energie aus Sonne und Wind ersetzen würden und
dabei für gute Jobs sorgen, die lokale Wirtschaft stabilisieren und die
langfristige Gesundheit von Kommunen unterstützen würden, die weithin
vernachlässigt worden sind. Wir grüßen die Leute – viele von ihnen sind
jung – die hart daran arbeiten, diese Maßnahmen gegen den hartnäckigen
Widerstand der Industrie fossiler Brennstoffe durchzubringen.
Unser Fenster für wirksamen Klimaschutz schließt sich schnell
Dieser globale Aktionstag soll diese Leute unterstützen. Wir hoffen,
dass Gruppen aus allen Bereichen des Umweltschutzes, des
Gesundheitswesens, der Sozial- und Entwicklungshilfe sich anschließen
werden. Aber unsere größte Hoffnung ist, einfach zu zeigen, dass die,
die etwas gegen diese Krise tun und die, die schon jetzt am härtesten
davon betroffen sind, von Millionen von Menschen unterstützt werden, an
denen das wachsende Grauen über unsere ökologische Misere nagt, die sich
aber bisher eher im Hintergrund gehalten haben. Es könnte ein paar
Anläufe brauchen um diese Mengen auf die Straße zu bringen, aber wir
haben nicht viel Zeit. Unser Fenster für wirksamen Klimaschutz schließt
sich schnell.
Wir wissen, dass nicht jeder teilnehmen kann – auf einem Planeten, der
von eklatanter Ungleichheit geprägt ist, kommen viele ohne den Lohn
eines Tages buchstäblich nicht über die Runden, oder sie haben Chefs,
die sie entlassen würden, sollten sie es wagen zu streiken. Andere Jobs
lassen sich schlicht nicht unterbrechen: Notärzte sollten sich weiterhin
ihren Aufgaben widmen. Aber viele von uns können ihre täglichen
Routinen für 24 Stunden unterbrechen und sich trotzdem darauf verlassen,
dass sie noch da sind, wenn sie zurückkehren.
Wir hoffen, dass einige Menschen den Tag dem Protest widmen: gegen neue
Pipelines oder die Banken, die sie finanzieren; gegen Ölkonzerne und die
Politiker, die deren Lügen weiterverbreiten. Wir hoffen, dass andere
den Tag damit verbringen, die Wände am Nachbarhaus zu isolieren oder
Radwege zu bauen. Wir hoffen, dass jeder zumindest ein paar Minuten im
Stadtpark verbringt oder auf einem Feld oder auf dem Dach ihres Hauses,
um sich einfach in die Schönheit der Welt zu versenken, die zu
beschützen unser Privileg ist.
Der Schlüssel: unsere gewohnten Abläufe unterbrechen
Es liegt auf der Hand, dass wir viel verlangen: ein Tag im Leben der
Welt ist eine große Sache und wir alle haben uns an unsere Routinen
gewöhnt. Aber wir wollen uns nicht damit abfinden, dass die ganze
Verantwortung auf den Schultern von Schulkindern lastet – sie brauchen
unsere Unterstützung. Und der Schlüssel scheint darin zu liegen, unsere
gewohnten Abläufe zu unterbrechen – es sind diese Routinen, die uns
ermatten, der Umstand, dass wir jeden Morgen aufstehen und ziemlich
genau dasselbe tun wie am Tag zuvor, sogar noch im Angesicht einer
anhebenden Krise.
Wir sind die Menschen, die zufällig in einem historischen Moment leben,
in der unsere Entscheidungen die Zukunft noch auf Zehntausende Jahre hin
beeinflussen: wie hoch die Meeresspiegel ansteigen, wie weit sich die
Wüste ausbreitet, wie schnell die Wälder abbrennen. Ein Teil unseres
Wirkens muss darin bestehen, die Zukunft zu bewahren.
Bill McKibben, Autor, Pädagoge, Umweltschützer und Gründer von
350.org (USA), Christiana Figueres, ehemalige Geschäftsführerin der
Klimarahmenkonvention der UN (Costa Rica), Naomi Klein, Journalistin
(Kanada), Mark Ruffalo, Schauspieler (USA), Michael Mann, Klimaforscher
und Geophysiker (USA), Margaret Atwood, Schriftstellerin (Kanada), Noam
Chomsky, Sprachwissenschaftler, Philosoph, Kognitionswissenschaftler,
Historiker, politischer Aktivist und Sozialkritiker,(US), Nancy Fraser,
kritische Theoretikerin, Feministin, Professorin für
Sozialwissenschaften und Philosophie (USA), Vandana Shiva,
Wissenschaftlerin, Umweltaktivistin (Indien), Bruno Latour,
Philosophieprofessor (Frankreich), Nnimmo Bassey, Health of Mother Earth
Foundation (Nigeria), Rebecca Solnit, Schriftstellerin (USA), Farhana
Yamin, Internationale Rechtsanwältin und Koordinatorin des politischen
Teams von Extinction Rebellion (Großbritannien), Patrick Bond,
Ehrenprofessor für politische Ökonomie an der Witwatersrand-Universität
Johannesburg (Südafrika), Gina McCarthy, Expertin für Umweltgesundheit
und Luftqualität, ehemalige Leiterinn der Umweltschutzbehörde (USA),
Rev. Lennox Yearwood, Präsident des Hip Hop Caucus (USA), Valérie
Cabanes, Schriftstellerin und Juristin (Frankreich), Annie Leonard,
Geschäftsführerin von Greenpeace (USA), Aurélie Trouvé, Ökonomin, Attac
France (Frankreich), John Holloway, Soziologe und Philosoph (Irland),
Tadzio Müller, Klimagerechtigkeitsaktivist (Deutschland), Geneviève
Azam, Ökonomin, Attac France (Frankreich), Anne Poelina,
Traditionsverwalterin aus der Mardoowarra am unteren Fitzroy River,
(Australien), Craig Challen, ehemaliger Australier des Jahres,
Höhlenforscher, Tierarzt (Australien), Tim Flannery, Klimaforscher
(Australien), Lesley Hughes, Klimaforscherin, Direktorin des WWF
(Australien), John Hewson, Ehemaliger Parteivorsitzender der Liberalen
Partei und Ökonom (Australien), Chris Taylor, Komiker (Australien), Tom
Ballard, Komiker (Australien), Thomas Coutrot, Ökonom, Attac France
(Frankreich), Maxime Combes, Ökonom, Attac France (Frankreich), Nicola
Bullard, Klimagerechtigkeitsaktivistin (Frankreich/Australien), Heather
McGhee, Seniorchef und ehemaliger Präsident der Denkfabrik Demos(USA),
Rachel Carmona, Geschäftsführerin des Women’s March (USA), Moema
Miranda, Umweltaktivistin (Brasilien), Tomás Insua, Geschäftsführer der
Globalen Katholischen Klimabewegung (Argentinien).